Freitag, 19. April 2013

Kunterbunte Kindheit

In dieser Woche durfte ich meinen Studien am Schreibtisch und Nähtisch für einen Augenblick verdient entfliehen und im Städt. Museum in Menden, dem wunderbaren kleinen Schätzkästchen im prächtigen Patrizierhaus, mal wieder staunend auf Entdeckungsreise gehen.
Allein die Ausstellungsstücke in den Virtinen lassen das Herz schon höher schlagen, aber auch im Magazin versteckt sich noch so manche Überraschung.
Ich freue mich, meine werten Leser auf einen Ausflug in die Kindheit einzuladen. In eine kunterbunte Kindheit, aber es geht nicht etwa um Kinderspiele, sondern um Kleidung!
Aber warum kunterbunt? 
Der erste Gedanke beschwört doch unvermittelt weiße Kleider und Häubchen herauf, die uns duftig, luftig oder gestärkt auf Familienportraits um 1800 verzaubern.
After a busy week with research at my desk and sewing table, I allowed myself a little break and instead went on treasure hunt at our local Staedt.Museum in Menden, which is a magical place full of preciousness situated in a stunning early 18th century town house.
The pieces on display are very fascinating, yet there's more to discover in the depot.
This time I happily invite my dear readers to follow me on a journey back to the childhood. A colourful childhood. Alas it's not about children's games, but about clothing!
But why colourful?
Actually the first thing that pops into one's mind at the mere mention are infants in delicate white dresses and caps, which we see almost everywhere in family portraits around the year 1800.
1801 Mrs. Robert Shurlock nebst Tochter Anne/and daughter Anne

Auf formellen Bildern sind Kinder in der Regel in weißen Kleidern abgebildet und in vielen Museen finden sich auch zumeist zarte weiße Hauben, aber was auf einem Portrait niedlich wirkt, erweist sich im täglichen Leben zugegebenermaßen eher als Fluch...also schauen wir uns den bunten Alltag an!
On formal paintings children usually are shown in white dresses and and many museums mainly have white laced caps on display, but what seems to be adorable on a painting, admittedly proves to be curse in daily life....well, let's take a look at the colourful side.

Die sieben farbenfrohen Hauben für Neugeborene sind leider nicht näher gekennzeichnet. Sie stammen lt. Aufzeichnung aus der Biedermeierzeit. Möglicherweise sind sie aber um die Zeit um 1800 entstanden, zumindest scheinen einige der verwendeten Stoffe aus der Zeit vom 18. Jahrhundert ins 19. Jahrhundert zu entspringen (oder früher?).
Überhaupt, betrachtet man die Hauben näher, erkennt man, dass sie sicherlich mit viel Liebe aus alten Kleidungsstücken oder Resten gearbeitet wurden. Zur Verwendung kam vornehmlich Seide.
The seven colourful caps for infants are unfortunately not exactly labelled. According to an inventory note they are from the Biedermeier era. But possibly they were assembled around 1800, at least some of the fabrics seem to be from the turn of the 18th century to the 19th century (or even earlier?).
A closer look reveals that the caps were made from former clothes and fabric remnants.
Die Haube Nr. 88/1944 mißt entlang der vorderen Kante lediglich 22 Zentimeter. Es handelt sich um einen Satin (Seide), der mit einem blauen Seidenband verziert wurde. Das Leinen des Futterstoffes ist leider mittlerweile sehr fadenscheinig. Es ist in Köperbindung gewebt.
Cap No. 88/1944 measures tiny 8.6 inches. It is a sateen (silk), which is embellished with blue silk ribbon. The linen lining is now very thin. It's woven in twill.
Das blaue Seidenband wurde gerüscht aufgenäht
The silk ribbon was ruched

Es gibt noch eine zweite Haube aus dem gleichen Stoff, aber diese mißt bereits 28 cm und war sicher einige Wochen später in Gebrauch. Die Haube Nr. 88/1943 ist mit einem breiten rosafarbenen Seidenband eingefaßt und mit Silberband verziert. Wie die erste Haube ist sie aus zwei Teilen gefertigt und mit Leinen (Köperbindung gefüttert).
There's a second cap made of the same fabric, but this measures already 11 inches and might be in use a few weeks later. Cap No.88/1943 has a broad pink silk ribbon sewn on the edges and is adorned with silver ribbon. Like the first cap it was made of two pieces and is lined with linen (twillweave).
Beide Hauben zusammen. Zu meiner Überraschung gab es noch eine dritte Haube, an der sich ein kleiner Streifen aus dem Satin finden lässt.
Both caps. And to my surprise there is a third cap which has a small fabric scrap from the sateen.
Der Haubenstoff selbst ist ein anderer, aber das Einfaßband und eine Ausbesserung am Hinterkopf sind aus dem o.g. Stoff. Die Haube Nr.88/1946 mißt 24 Zentimeter und liegt somit in der Größe zwischen den beiden ersten Hauben. Möglicherweise gehörte sie zuvor einem anderen Kind aus dem Haushalt und wurde verändert.
The fabric of the cap is a different one, but the edges are bound with the staeen fabric and there's a mend on the back with that particular fabric. Cap No. 88/1946 measures 9.4 inches and hence is a size between the two other caps. It could be that another child has worn the cap before and it has then be altered.
Die ausgebesserte Stelle.
The mended back.

Haube Nr.88/1948 ist komplett aus Seide und sogar mit Seidenstoff gefüttert. Sie mißt 22  Zentimeter entlang der Kante vorne und 15 Zentimeter von der Stirn bis in den Nacken.
Cap No. 88/1948 is completely made of silk and even lined with cream silk. It measures 8.6 inches along the front edge and 5.8 from the forehead to the neck.

Für die Haube wurden zwei verschiedene Seiden verwendet. Das rote Seidenband dient nicht nur zum Einfassen der Kanten, sondern wurde auch für die Verzierungen verwendet.
Two different silks were taken for this cap. The red silk ribbon was not only attached to the edges, but also served for the embellishment.

Die Haube wurde aus drei Teilen gearbeitet. Das Seidenfutter.
The cap was made of three pieces. The silk lining.

 Detail der Verzierung
Detail of embellishment

Haube Nr. 88/1936 besteht aus ehemals rosafabrenem Seidentaft und ist mit 21 Zentimtern entlang der Vorderkante die kleinste Haube. Sie ist mit Seidenband und Spitze verziert. 
Innen ist die Kopfbedeckung mit Leinen (Köperbindung) gefüttert.
Cap No.88/1936 is made of faded pink silk taffeta, with just 8.3 inches along the front it's the smallest cap of the seven. It's adorned with silk ribbon and lace. It's lined with linen (twill weave)

Unter dem Rand der aufgenähten Verzierung kann man noch das ursprüngliche Rosa erahnen.
Beneath the ribbon the silk taffeta reveals it's former true pink colour.

Die farbenprächtigste Haube Nr. 88/1939 aus Seide/Seidendamast. Sie mißt 27 Zentimter/16 Zentimeter und ist reichlich mit ummantelten Metallfaden verziert.
The colourful cap No.88/1939 is made of deep red silk/silk damask. It measures 10.6 inches/6.3 inches and is lavishly adorned with gilt thread.
Eine wunderschöne Farbe in Verbindung mit dem Goldschimmer. Aber die Haube birgt auch im Innern einen entzückenden Stoff. Bedrucktes Leinen in einem unglaublich guten Zustand.
An amazingly beautiful colour togther with the lustering gilt thread. But this cap also awaits with a lovely interior as the lining is made of a vibrant red printed linen.

Kommen wir zur letzten Haube in der Sammlung. Nr.88/1945 besteht aus weißer Seide mit polychrom gewebtem Blütenmuster und mißt 26 Zentimter. Entlang der Näht eine schöne, luftige Spitze und entlang der Kante zweifarbiges Seidenband.
Now we finally come to the last cap of the collection. No.88/1945 is made of white silk with polychrome flower weave and measures 10.2 inches. Following the seams is a light and airy lace and the edges are bound in  a two-tone silk ribbon.

Detail der Seide
Detail of the silk
Ein Stoff aus dem man sich durchaus auch ein Kleid denken kann. Möglicherweise wurde ein Reststück eines Kleides für diese Haube verwertet.
A fabric which would have been a wonderful choice for a pretty dress. Could be that a rmanant of a dress was taken for this cap.

Und wiederum erwartet den Betrachter auch hier ein herrliches, kleingemustertes Futter.
And again a lovely small printed lining was used.
Bedruckte Baumwolle im Innern...
Printed cotton on the inside...

...und zu guter Letzt' auch am Seidenband wurde nicht gespart. Es ist zweifarbig (Rosa und Creme), mit einem hauchzarten Metallfaden durchzogen und an den Kanten mit kleinen Bögen verziert.
...and then there's this pretty silk ribbon. It's in pink and cream, with a tiny metal thread and scalloped edges.

Vielen lieben Dank an das Städt. Museum Menden und besonders die Kuratorin Frau Törnig-Struck, die mir erneut diesen Blick in die Virtrinen und hinter die Kulissen ermöglicht hat. Und was für eine Freude, diese Einblicke mit der Leserschaft teilen zu dürfen!
Das Museum ist immer einen Besuch wert:
Di. - Sa.  9.00 bis 12.00 Uhr
Do. auch 15.00 bis 17.00 Uhr
an Sonn- und Feiertagen geschlossen.
Many thanks to the Museum Menden and especially the curator Frau Törnig-Struck, for allowing me to take a look into the displays and beyond. And what fun to be able to share the results!