Samstag, 21. Dezember 2013

1799/1800 Costume Parisien Robe de Couleur - Teil II: Fichu-Chemise(tte)

Fichu-Chemise also...
Ich traf ein wenig unvorbereitet auf eine Liason mit Bindestrich aus zwei Begriffen, die mir in den späteren Jahren, der Hochromantik, schon oftmals getrennt begegnet waren.
Meine erste verzweifelte Suche nach einer Erklärung der Modekupfer lief ins Leere und unter dem Begriff selbst wurde ich zu einem Modekupfer aus dem Journal des Dames et des Modes geführt, der auf das Jahr 1804 datiert wird (nicht durch die Aufschrift auf dem Costume Parisien Modekupfer verwirren lassen, nach unserem Kalendersystem fällt der Modekupfer in den März 1804).
Fichu-Chemise then...
I've rushed quite unprepared into this liason of two terms connected with a hyphen, which were only familiar to me as being seperate terms in the later years, the high romanticism.
My first desperate search for an explanation of the fashion plate led me into nothingness and the term itself revealed a later fashion plate from the Journal des dames et des modes, which was dated to 1804 (don't get confused by the marked date, actually that number of the Costume Parisien plate corresponds in our calendar system with March 1804).
 

Eine Fichu-Chemise ist laut dem Journal des Dames et des Modes vom März 1804 ein Kleid (zumeist aus Musselin), das keine Taillennaht hat und mit einem Band oder Gürtel zusammengerafft und gehalten wird.
 According to the Journal des Dames et des Modes of March 1804 a fichu-chemise is a dress (mostly made of muslin), which has no waistseam and is gathered with a ribbon or belt.

Allerdings warf die Beschreibung eher neue Fragen auf. Obwohl auch in dem Costume Parisien Modekupfer 171 die Rede von 'Fichu-Chemise' ist, entdeckt man unter dem Saum der Robe de Couleur keinerlei Musselin hervorblitzen...und auch der Modestich 172 hüllt sich in Schweigen oder besser gesagt in die Fülle des Oberrocks.
Actually the description led to more questions rather than solving any. While the Costume Parisien No.171 mentions the 'fichu-chemise', there's no hint of a muslin flashing from under the robe de couleur...and the plate No172 was no help either.
1799/1800 Costume Parisien No.171 Robe de Couleur, No.172 Chapeau Cornette

Ich war ein bisschen hin und hergerissen. Natürlich zeugt ein zweites Kleid (auch wenn es sich lediglich um hauchzarten Musselin handelt) in eisigen Wintertagen von einigem Nutzen, aber ich entschied mich dennoch der Stimme meines Stoffvorrates zu folgen und aus der Fichu-Chemise eine Fichu-Chemisette zu nähen.
I felt torn. Certainly a second dress (even only made of lightweight muslin) would add some warmth on a freezy frosty winter's day, but I decided on responding to the call of my fabric stash and stitch a fichu-chemisette instead a fichu-chemise.

Meine liebe Freundin Kerstin, mit der ich ganz altmodisch im Briefwechsel stehe, hat mir erst neulich noch einen Rest von ihrem wunderbaren Musselin geschickt, von dem sie sich selbst nämlich ein herrliches 1797er Chemisenkleid genäht hatte.
Dieser Stoff  ̶s̶̶o̶̶l̶̶l̶̶t̶̶e̶  mußte es sein - nochmals vielen lieben Dank!
My dear friend Kerstin, with whom I exchange real letters in the old-fashioned way, recently has sent me a piece of beautiful chequed muslin, from which she has sewn herself a beautiful 1797s chemise dress.
It  ̶s̶̶h̶̶o̶̶u̶̶l̶̶d̶  had to be this fabric - many thanks again!

Der verwendete Musselinstoff maß in etwa 50 Zentimeter mal 1.50 Meter.
The muslin fabric was approximately 20 inches wide and 59 inches long.

Innen ist er (bis auf die Ärmel) mit feinem Baumwollpopelin gefüttert.
Die Falten sind nicht eingenäht, sondern lose iwe bei einem Fichu.
The inside (sans the sleeves) is lined with fine cotton poplin.
The pleats are not stitched down, but remain loose like common in fichus.

Dann durfte sich mein Geschmack frei entfalten: was aber nicht für die Falten auf dem Rückteil galt, denn die wurden festgenäht.
Then I allowed my taste to unfold: which wasn't allowed to the pleats in the back though, as they were stitched down.

Meinem Geschmack folgend, haben auch die Ärmel eine kleine Änderung erfahren.
Nachdem ich, wie im Modekupfer gezeigt, zwei Verzierungen aufgenäht hatte, mußte ich feststellen, dass mir das Oberteil zu überladen wirkte. Also trennte ich die doppelte (obere) Reihe wieder ab.
Aber die Arbeit war nicht vergeudet, denn sie regte mich an darüber nachzudenken, wie die Frauen vor zweihundert Jahren mit den Modekupfern umgegangen sind.
Ähnlich wie unsere heutigen Modezeitschriften waren sie ein Leitfaden, der hier und da nach dem eigenen Geschmack und den verfügbaren Mitteln angepasst wurde.
Following my taste, I've also done a minor change on the sleeves.
After I've stitched the second row of decoration to the sleeve, I realized that it felt too much froufrou for this garment. I decided to rip off  the upper trim - so much more appealing.
And the work wasn't in vain, as it led me to think about how the women two hundered years ago dealt with these fashion plates.
Similar to our modern fashion magazines, these were a guideline and a source of inspiration, which was adapted due to the personal taste and means.

Ein Blick auf das Futter An der unteren Kante habe ich ein Nahtband eingenäht.
A view of the lining. I added a waistband on the hem.

Die Abnäher des Futters sind nach Innen sichtbar.
The darts are visible on the inside of the lining

Die Chemisette wird mit einer Nadel geschlossen. 
Ich habe ein Kleidungsstück erhalten, welches ich wunderbar mit meinen anderen Röcken aus der Zeit kombinieren kann und selbst wenn der Spencer abgelegt wird, ist man noch sittsam gekleidet.
The chemisette is closed with a pin. 
I have sewn a garment, which I can also wear with my other period skirts, and even without a spencer I am still modestly dressed.

Ein wunderbar luftiger Stoff.
A lovely lightweight fabric.

Von der Seite erkennt man die etwas voluminöse 'Fichu Wirkung' besonders trefflich.
The side view gives a very good impression of the 'fichu - shape'.

Ehrlich gesagt, verlangt ein solch zartes Kleidungsstück angesichts der frostigen Wintertage doch nach einem wärmenden Spenzer, nicht wahr?
Mehr dazu im nächsten Beitrag über einen Spincer (das 'i' ist kein Schreibfehler!) a bordé en poil aus dem Jahr zuvor, also der Winter 1798/99!
Honestly, such a delicate garment needs a cosy spencer in these frosty winter's days, does it not?
More about it in my next post about a spincer (the 'i' is no grammatical mistake) a bordé en poil from the prior year, the winter of 1798/99!

4 Kommentare:

  1. I love the little gathered edge on the sleeves!
    Val

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  2. Nice! Waiting to see the final result)

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  3. Meine liebe Sabine! Nachdem mich letzte Woche leider eine fiese Erkältung niedergerafft hat, komme ich nun endlich dazu deine Beiträge zu lesen und zu bewundern! Ich wußte doch gleich, dass der Stoff bei dir am Besten aufgehoben ist! Eine wunderbare Chemisette hast du da gezaubert!

    Liebe Grüße, Kerstin

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    1. Nochmals vielen lieben Dank für den wunderbaren Musselinstoff :)

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