Mittwoch, 27. November 2013

Wer schön sein will, muss leiden...

Während ich immer noch mit Muße an meinem Quiltrock stichele,
sind mir beim Studieren zeitgenössischer Schriften ein paar interessante Zeilen für einen Nachtrag zu den Schnürleibstudien unter die Brillengläser gekommen.
Doch zuvor noch ein kurzer Blick auf das angestrebte Ideal der Zeit...und die Frage, mit welchen Mitteln man ihm nacheifern konnte!?
Diese Frage stellt sich damals wie heute.
While I'm still stitching with leisure on my quilted skirt,
I've found this interesting hint and addition to my short stays studies during my study of various period sources.
Before I'll share the find, I'd like to point to the ideal shape of the time...and the question, of how it was achieved!?
This question was asked back then and today still.

1804 Costume Parisien (Quelle/source: SceneinthePast)

Ich ahne wohl, wohin die Blicke wandern!
Manchmal hilft allerdings weder der beste Schnürleib, noch ein hölzerner Blankscheit...in diesem Falle liefert uns Johann Christian Hüttner in den Englischen Miscellen von 1804 die verblüffende Antwort, die ich einfach unkommentiert wiedergeben möchte:
I take a guess to where the glances go!
But in some cases neither the best pair of  stays, nor a wooden busk could help...well the proper albeit astounding answer is delievered by Johann Christian Hüttner in the Englische Miscellen of 1804, which I like to share without further comment:
 (For the English translation please scroll down)


Originaltext (Abschrift)
Es ist bekannt, dass in London, wie in Paris, die geschmackvollen Schauspielerinnen eine Art von Recht haben, neue Moden aufzubringen. 
Sind ihre Gedanken in dieser Rücksicht glücklich, so nehmen sie selbst die vornehmsten Frauen an, weil bei einer Actrice der Neid sich nicht so einmischt, wie bei Damen von gleichem Stande. Folgende Erfindung schreibt sich auch von einer Schauspielerin her, deren Anzug gemeiniglich sehr bewundert wird. 
Weil uns aber die Sache selbst noch nicht zu Gesicht gekommen ist, so ist es ehrlicher, die Beschreibung derselben aus einer Londoner Abendzeitung, dem Courier vom 10.Febr. d. J. (1804) zu entlehnen: "Eine bedenkliche Nachricht für gute Sitten — wir halten uns verpflichtet, die Societät zur Unterdrückung des Lasters und jede gesittete Person von einer beunruhigenden Sache zu unterrichten, welche so eben unter dem schönen Geschlechte, besonders unter den Frauen, die etwas völlig (füllig) sind, und deren Form nicht mehr die jugendlichen Umrisse hat, eingeführt worden ist. Man wird dies für Spott auf das schöne Geschlecht halten, aber es hat seine Richtigkeit, dass eine Scheidung (divorce) gegenwärtig dem Herzen einer jeden vornehmen Frau, die fünf und zwanzig Jahre zählt, am nächsten liegt, und das Ehestandsgericht wird nun mehr als jemals zu tun bekommen. Diese Scheidung ist aus Stahl mit Federn gemacht, und so dass sie in manchen Teilen elastisch, in andern fest ist. Man trägt sie an der Mitte der Brust, und ihr Zweck ist, die Busen der Damen getrennt zu erhalten, bei denen die Natur dies modische Amt nicht mehr verrichten will, da eine Trennung in diesem interessanten Teile des Weibes nach den neueren Begriffen von einer schönen Frau eben so wesentlich ist, wie rote Ellbogen und die Abwesenheit der Röcke; daher heißt man diese neue Erfindung eine Scheidung, 
ein Ding, worauf zärtliche Ehemänner natürlich ein wachsames Auge haben werden. 
Es ist die Erfindung einer Schauspielerin."
Text (translation)
It’s an establishment in London and Paris that elegant actresses have kind of privilege to introduce new fashions. 
If their choices are thought to be aesthetic, even the most distinguished women pick them up, because an actress is less of a source of envy, than another genteel woman of rank. 
The following invention was also introduced by an actress, who’s commonly admired for her dresses.
But due to the fact that this latest fashion has yet not been examined by us personally, we’d like to share a reliable description from a London paper, the Courier of 10th February 1804:
“A questionable and alarming message for morals and manners – we’re obliged to inform the society against vice, and each person of moral about a worrying novelty, which has been introduced to the fair sex, especially the embonpoint or those not having a juvenile shape anymore. This might be mistaken as mockery of the fair sex, but it’s the truth, that a ‘divorce’ currently is closest to the heart of each distinguished woman, who counts twenty and five years, and that the matrimony court will get busier than ever. This divorce is made of steel and springs, flexible in some part, firm in others. It’s placed on the middle of the bust, in purpose to keep the breasts apart for those woman, where nature isn’t able to fulfill it’s fashionable duty anymore. The divorce of this body part is according to woman’s latest taste as important as red elbows and the absence of skirts; that’s what is called a ‘divorce’, 
something, that tender husbands will have a watchful eye on. 
It’s the invention of an actress.”


Samstag, 23. November 2013

Eine neue Krone für den Zahn der Zeit

Wer bei der bloßen Erwähnung von einem Schmutzrand am Rocksaum oder Schweißrändern am Kragen, bereits gedanklich zur Seife greift, 
dem sei von dem folgenden Beitrag eher abgeraten, denn hier geht es 
um Falten, Flecken und Gilb...
...allerdings nicht deren Entfernung, sondern vielmehr das Gegenteil.
Those who notionally grab a piece of soap at the pure mention of dirty skirt hems or collars soaked with sweat, are kindly discouraged from reading the following blogpost, 
because it will be all about wrinkles, stains and yellowing...
...not the removal, but very much the contrary.

Bei der Nacharbeitung von Originalen gibt es selbstverständlich viele verschiedene Ansätze.
Persönlich finde ich es überaus spannend, wenn ein Untersuchungsobjekt Gebrauchsspuren aufweist und uns auf diese Weise ein wenig von seiner Geschichte preisgibt.
Natürlich haben all die recht, die nun einwenden, dass auch ein gebrauchtes Kleidungsstück irgendwann mal neu war.
Doch man darf nicht veregessen, dass neue Kleidungsstücke teilweise auch aus alten Resten genäht wurden, zumindest was das Futter betrifft. Es wurde geflickt und verwertet.
Hinzu kommt, dass die Materialen, sprich Stoffe, damals nicht den heutigen chemischen Verfahren unterzogen wurden und auch die Wäsche hernach von anderer Güte war, als heutige Hochleistungswaschmittel.
Außerdem gibt es Kleidungsstücke aus Wolle oder Seide, welche man - schmutziges Futter hin oder her - besser nicht waschen sollte. 
There are many different approaches in the re-creation of originals.
Personally I find it rather exciting, if the objects carry signs of wear, which reveal a bit of the history.
Certainly those are right, who now argue, that all clothing once was in a state of being new.
But we have to keep in mind that new garments sometimes were made using old remnants, especially the lining. Lots of mending and re-using.
Furthermore the fabric didn't undergo modern chemical treatment, and even the washing detergents have been of a different quality than today.
Above all there are garments made of wool or silk, which - no matter how much dirt on the lining - should better not get too close to a wash tub.

Tägliches oder häufiges Tragen hinterlässt einfach Spuren und wenn man seine historische Kleidung nun nicht ständig im Gebrauch hat, gibt es Mittel und Wege dem Zahn der Zeit etwas mehr Biss zu verleihen.
Bisher habe ich vorzugsweise auf Färben mit Tee oder Kaffee zurückgegriffen.
Ja, bisher...denn dann bin ich auf eine wunderbare Quelle gestoßen.
Daily wear simply leaves traces and there are even ways to mimic that and give the tooth of time some more snap.
Until now I usually have dyed with tea or coffee.
Well, until now...because I've stumpled upon a wonderful source.

Nagelneu gealterter Baumwollstoff als Meterware! 
Garantiert porentief rein, aber mit allem was dazu gehört, wie Farbunterschieden, Falten und Flecken.
Doch es wird noch besser, denn das Aged Muslin Cloth der Marcus Brothers kommt in vielen verschiedenen Farbnuancen daher.
Wer sich einen ersten Überblick verschaffen möchte, dem sei der großartige 
empfohlen, wo es den Stoff in zwei Qualitäten ('canvas' und 'muslin'), sowie in zwei bzw sieben Farbschattierungen gibt.
Brandnew aged muslin as yardage!
Absolutely fresh and clean, yet with all the hallmarks like discolouration, wrinkles and stains.
But it gets even better, as the aged muslin of Marcus Brothers Fabrics is available in many different colour nuances.
If you'd like to get an idea, I may recommend the amazing
where they offer two different qualities (canvas and muslin) and two or rather seven different shades.

Ich habe mich für die Farbe 'tan' entschieden, die in natura noch ein wenig bräunlicher ist als im Foto wiedergegeben. 
(Leider fordern das düstere Novemberwetter und die künstliche Beleuchtung ihren Tribut)
I decided on the colour 'tan', which is a bit more brownish in real
(Unfortunately the dark November weather and the artificial light have taken their toll)

Natürlich eignet sich der Stoff aufgrund der Gestaltung und auch der Haptik besonders gut als Futter oder Saumblende.
Due to the design and haptic of the fabric it's proper to use as linen or hem backing.

(Quelle/source: Met Museum, NY)


Aber auch in der Herrenbekleidung gibt es mögliche Einsatzgebiete, als Futter, bei baumwollenen Hosen und Kniehosen, bei Westen...
It's also versatile for men's wear as lining, cotton breeches and pantaloons, waistcoats...

 (Quelle/source: Met Museum, NY)

Ebenso kann es für Schuhe verwendet werden oder aber auch für Schürzen und (in den helleren Schattierungen) für Schnürleiber...und vieles mehr.
It could also be of use for shoe uppers or lining, or for aprons and even for stays (the brighter shades)...and many more.

Und meinen Tee trink ich fortan lieber wieder, statt Stoffe darin zu färben!
And from now on I will drink my tea, rather than stir my fabrics in it!

Donnerstag, 14. November 2013

Eine nicht eben kurze, doch hoffentlich unterhaltsame und lehrreiche Schilderung über einen wattierten Rock, baumwollenen Flanell und ein seltsames russisches Längenmaß mit mehr als vier Buchstaben

Wenn der Titel verwirrend erscheint, umso besser, denn so ähnlich erging es mir, als ich erste Erwägungen zu meinem neuen Vorhaben anstellte.
Ich wälzte gerade zur bloßen Unterhaltung den Jahrgang Nr. 12 oder das Jahr 1797 des Journals des Luxus und der Moden, als ich in den Modeberichten auf den Hinweis zu wattirten (Schreibweise 1797) Röcken stieß.
Wie mag ein solcher Rock ausgesehen haben? So wie die bekannten gequilteten/wattierten Petticoats der früheren Dekaden? Wohl kaum, denn zu dieser Zeit begann in der Mode die Entdeckung eher fließender Röcke.
Ich erinnerte mich an einen Modekupfer aus dem französischen Journal des Dames et des Modes, der bereits zuvor meine Aufmerksamkeit erregt hatte.
Es handelt sich um den Modestich Costume Parisien 171 'Robe de couleur - fichu chemise' aus dem Jahr 1799/1800.
Bislang war ich mir nicht sicher, ob der Rock nun tatsächlich wattiert oder lediglich mit einem Rautenmuster bedruckt war. Des Rätsels Lösung kam mit einer hochauflösenden Kopie des Originals, auf der deutlich Stiche entlang der Rauten zu erkennen sind. 
If the title seems a bit confusing, all the better, because that is exactly like I used to feel upon my very first approach on my latest project.
I was leafing through the 1797 issues (or year 12) of the Journal des Luxus und der Moden, when I stumbled upon the mention of a quiltet/batted skirt.
What would such a skirt have looked like? Same as the quilted petticoats fashionable in the previous decades? Probably not, as in those later years of the 1790s flowing skirts were about to gain more and more popularity.
I remembered a french fashion plate from the Journal des Dames et des Modes, which hit my attention earlier.
To be precise it is Costume Parisien 171 'Robe de couleur - fichu chemise' from the year 1799/1800.
Until then I wasn't convinced wether it was truly quilted or just a diamond printed fabric.
The question was soon answered when I received a high resolution copy (Thank you so much, Cristina) of the original, on which there are cleary stitches along the diamonds.
1799/1800 Costume Parisien No.171 Robe de Couleur

Aber die Lösung der ersten Frage, warf nur noch weitere auf.
In meinem Stoffvorrat befand sich Baumwollvlies, allerdings verlieh es dem Probestück weniger die auf dem Modestich dargestellte fließende Form, denn die eines Teekannenwärmers.
Da ich keine kleinen Mengen an Wollvlies oder Seidenvlies erwerben konnte, entschloss ich mich zu einigen Versuchen mit Polyestervlies in verschiedenen Stärken bis hin zu hauchdünn ausgebrachter Zauberwatte - leider ohne Erfolg.
Zuletzt entschloss ich mich, es mit einer Lage Baumwollflanell zu versuchen...und siehe da!
Der Stoff ließ sich wunderbar quilten und behielt dabei doch die fließende Form, also konnte ich mich ans Wattieren von Hand begeben.
But the first solution, brought up even more questions.
I had some cotton batting in my fabric stash, but that unfortunately didn't give the fabric the desired look like in the fashion plate, it rather reminded me of a teapot cosy.
As I couldn't get any wool batting or silk batting in small amount and for a resonable price, I decided to try polyester batting in all kinds of sizes, up too thinly spread batting - to no avail.
My last attempt was a layer of cotton flannel...and voilá!
The sample turned out great, it had a nice shape and the unique flowing silhouette, which the fashion plate suggests. I could finally start with hand quilting the skirt.

Die drei Lagen: Atlasgewebe aus Baumwolle (Baumwollsatin), Baumwollflanell und eine Lage Baumwollstoff.
The three layers: cotton sateen, cotton flannel and a layer of cotton cloth.

Augenblick? Baumwolle???
In der Ausgabe des Journals des Luxus und der Moden war von einem Atlasgewebe die Rede. Sicherlich war damit eher Seide gemeint, aber ich entschied mich dennoch für die baumwollene Variante, obwohl die erst ab etwa Mitte des 19. Jahrhunderts dank des industriell mercerisierten Fadens Verbreitung fand.
Und Baumwollflanell? Wäre da Wollflanell nicht besser gewesen? Und gab es Baumwollflanell überhaupt schon?
Wait? Cotton?
In the aforementioned Journal des Luxus und der Moden article, the use of atlas or satin weave fabric was recommended.
Certainly silk was meant, but I went for cotton, although this starts to only get widely used with the industrial mercarisation of the threads in the mid 19th century.
And cotton flannel? Wouldn't wool flannel be more appropriate? And was there such thing like cotton flannel back then?

Dank einer umfangreichen Suche stieß ich auf eine äußerst interessante Quelle, nämlich Storchs "Historisch-statistische Gemälde des russischen Reiches".
Im "Supplementband zum fünften, sechsten und siebten Theil" findet sich eine Stelle in der russische Importgüter der Jahre 1770 bis 1772 aufgelistet werden.
My research led me to this amazing source, it's Storch's "Historical and statistical reference on the Russian empire". In the supplement to the Volumes five, six and seven is a list of imported goods to Russia in 1770-1772.

 Heinrich Storch, Supplement zum fünften, sechsten und siebten Theil des historisch-statistischen Gemäldes des russischen Reiches, Druck Leipzig 1803
(Quelle/source: googlebooks)

In dem Text wird unter der Auflistung Baumwollwaren auch Baumwollflanell aufgeführt, welcher '...an der rauhen Seite wie zartes Lammfell gekräuselt, die Arsch 10 bis 25 Kop....'
Bei der Bezeichung 'Arsch(in)' handelt es sich selbstverständlich nicht um die vier Buchstaben, sondern um ein altes russisches Längenmaß.
Ein paar Zeilen darunter findet ein weiterer interessanter Baumwollstoff Erwähnung, nämlich "Kitaika", der ursprünglich (der Name deutet es an) aus China stammt und in verschiedenen Qualitäten aufgeführt wurde. Unter anderem auch als "beste, geglänzte Sorte" (Im Vergleich dazu ein paar Zeilen weiter "Gefirnisste Kitaika"), haben wir es hier möglicherweise mit einem Atlasgewebe zu tun?
The text labled 'cottons and cotton goods' lists a cotton flannel, which is "...slightly curled like lamb's skin on the rough side..."
A few lines below we find another very interesting cotton called Kitaika (which refers to it's chinese origin) and was available in different qualities. One is said to be of "best glazed/or shiny quality" (in comparison to the following mentioned lower quality as "glazed Kitaika"), could this be a satin weave cotton?

Aufregend, oder? Aber zurück an den Nähtisch, denn dort wartet noch eine Menge an Arbeit.
Das Vorderstück des Rockes werde ich in den nächsten Tagen noch fertigstellen, dann geht es an die Rückseite.
Um die Nähte gleichmäßig ausführen zu können, habe ich ein Holzmaß angefertigt, dessen Ende im passenden Winkel zugeschnitten wurde. Das Maß ist fast 1.40 Meter lang und 4 Zentimeter breit. Die Linien habe ich vorsichtig mit Bleistift auf die Vorderseite (Baumwollsatin) aufgetragen. Die Nähte aus Vorstichen verdecken die Linien später.
Exciting, no? But back to the sewing table, because lots of work ahead.
The front panel of the skirt will be finished soon, and then on to the back panel.
To stitch the seams even, I took a wooden ruler with an appropriate angle. The ruler measures about 1.40 Meter in lenght and 4 Zentimeter in width. I've marked the lines with pencil on the front of the satin weave cotton .
The seams, made of small running stitches, will hide the pencil's lines.


Ich verwende gefärbtes Baumwollgarn (Handquiltgarn) in einem rötlichen Farbton, welcher stimmig zu dem kupferfarbenen Baumwollsatin passt.
I use a dyed cotton handquilt thread, which looks lovely on the copper coloured sateen.
Links erkennt man die vorgezeichneten Linien
On the left are the pencil lines.

Die Rückseite besteht aus Baumwollstoff
Cotton backing





Freitag, 8. November 2013

Leselust


Heutzutage begegnet uns auf der Straße oder in Gesellschaft häufig ein ähnliches Bild. 
Aber zumeist handelt es sich nicht mehr um gedruckte Bücher, die den Kopf ein wenig herabsinken lassen und den Blick auf magische Weise binden, sondern alle Aufmerksamkeit ist auf das Display des Smartphones oder eines elektronischen Buches gerichtet.
Geblieben ist die Lust am Lesen!
Oh! Es ist wirklich absolut erstaunlich und fesselnd über was damals alles geschrieben wurde. Kaum ein Thema in dem sich die Verfasser nicht in wunderschöner Sprache übten.
Und schließlich ein kleines Loblied auf die heutigen Medien:
dank der Digitalisierung ermöglichen es uns Bibliotheken und Sammler weltweit an den Schriften vergangener Tage teilhaben zu können.
Der Staub der Vergessenheit wurde von den Bücherrücken gepustet, um sie der Öffentlichkeit in allen herrlichen Details zu zeigen.
Man muß nur hinschauen...und sich die Mühe einer kleinen Suche machen.
Aber dort wird die Geschichte lebendig - aus erster Hand!!!
Niedergeschrieben oder gedruckt auf holzhaltigem Papier, ohne jegliche Ahnung, dass die Zeilen zweihundert Jahre später auf dem Display eines Smartphones auftauchen könnten.
Today we are used to a similar image in the streets or society.
In most cases it isn't a book anymore, which pulls the head in a slight bend and fixes the glance magically, but all attention is paid to the display of a smartphone or e-reader.
Alas, the love for a read remained!
Oh! It's truly amazing and astonishing what was written back then. Hardly a topic we won't find to be written in a wonderfully bygone manner of words.
And finally a little praise to our modern media:
thanks to the digitalisation of libraries and private collectors worldwide we are able to get connected to the past.
The dust of oblivion was brushed of the back of the books, to show them to the public in all their glorious details.
We just need to take a look...and a tiny bit of research.
But there, history becomes alive - from first hand experience!!!
 Printed on ligneous paper, without the slightest knowledege or even clue, that two hundred years later these lines would appear on a smartphone display.

Die Quellen und Texten und auch die Antworten auf viele Fragen, dort schlummern sie digitalisiert.
Allerdings - und ich nehme an, dass es nicht nur mir so ergeht - hänge ich doch noch sehr an all den haptischen Genüssen, die uns Bücher bieten.
Das Gefühl eines schönen Leineneinbandes, das herrliche Marmorpapier des Vorsatzblattes, das holzlastige Papier mit seinem eigentümlichen Geruch und das Geräusch, wenn man die Seite umblättert - ich wette, dafür gibt es in irgendeiner Sprache eine sehr poetische Bezeichnung.
Kurzum, ich bin altmodisch bibliophil!
The sources and texts and the answers to so many questions, there they lie digitalized dormant.
However - and I suppose I'm not alone on this - I do favour and appreciate and simply love the haptic pleasures, which only real books offer.
The sensation of holding a linen cover, the beautiful marble paper of the book end papers, the ligneous paper pages with the peculiar smell and that sound, when a page is turned - I bet, there's a poetic term for it in some foreign language.
In short, I'm old-fashioned bibliophilic!

1818 Allgemeine Leipziger Moden Zeitung
1808 The Lady's Monthly Museum

Was für ein Vergnügen in den alten Originalen zu schmökern.
Aber dort widerum findet sich eine weitere Krux, denn die alten Bücher sind empfindlich.
Das Papier ist mitunter stockfleckig, von Buchwürmern gequält, anfällig gegen Nässe, Sonneneinstrahlung oder häufigen Gebrauch.
What a joy to read the originals.
But there's another crux hidden, because old books are delicate.
The paper might be spotty and foxed, tormented by bookworms, vulnerable to damp, sun light and too much use.


Die meisten unter uns schrecken zurecht davor zurück, ein zeitgenössisches, kostbares Seidenkleid auf einer Veranstaltung zu tragen, gleichermaßen verhält es sich hoffentlich mit wertvollen Büchern.
Glücklicherweise gibt Mittel und Wege der  Leselust um 1800 mit gutem Gewissen ausgiebig zu frönen.
Most of us rightly would not dare to wear a period, valuable silk dress on an event, it's the same circumstance with precious books hopefully.
Luckily there are ways to induldge the pleasure of reading around 1800 without feeling guilty.

Selbstgebundenes Buch in Leder
Crafted in leather binding

Zum einen können die digitalisierten Quellen dazu dienen, ganze Schriften auszudrucken und in bewährter alter Manier für den ausschließlich privaten Gebrauch zu binden. Das erfodert ein wenig logistische Vorarbeit am Computer, denn die Seiten müssen fortlaufend in Bücherblöcken gedruckt werden, um sie dann nach alter Tradition zu binden. Hat man den Bogen raus, ist es ein wahres Vergnügen!
For example, the digitalised sources can be turned into real books for private use only by printing and binding.
That requires some logistic work at the computer and printer first, because the pages have to be printed in continuously book blocks, to bind them in a traditional manner. But once mastered, it's a whole lot of fun!


In den letzten Dekaden wurde diese Vorgehensweise nicht selten von Verlagen professionell angewandt. Immer wieder tauchten in der jüngeren Vergangenheit wunderschöne Reprintausgaben auf, einige sogar fast schon in feiner Faksimilequalität!
Die Suche lohnt sich.
In the past decades this method was also professionally chosen by many publishers. There are quite some lovely reprints (some even in faksimile quality) being printed in the last couple of years.
It's worth to go hunting these.

Verschiedene Reprintausgaben, gedruckt in den 1970er bis 1990er Jahren
Various reprints being published in the 1970s to 1990 (Sorry, these are only in German, but I'm sure there will be english and french reprints, too)

links/left: Oekonomisches Handbuch für Frauenzimmer. Erster Band, welcher das Kochbuch enthält. Stuttgart 1795 bei Joh. Friedrich Steinkopf  (Reprint in Originalfraktur 1977 ebenfalls Steinkopf Verlag)
rechts/right: Caroline de la Motte Fouqué, Geschichte der Moden 1785-1829
(1987 Unions Verlag, Berlin)

Taschenbuch für Frauenzimmer von Bildung (verschiedene Jahrgänge 1799 - 1801, Reprintausgaben im Format Sedez 16° im Schuber, Fraktur, Steinkopf Verlag Ende 1980er)

Göttinger Taschencalender (verschiedene Jahrgänge zwischen 1770 - 1799, Reprintausgabe im Format Kleinokatv 8°, Marmorpapier, Fraktur, Dieterich'sche Verlagsbuchhandlung Ende 1990er)

Ja, die Liebe zum 'echten' Buch bleibt uns hoffentlich noch sehr lange erhalten, aber dennoch sollte man auch die Vorzüge der digitalisierten Angebote der Bibliotheken ausgiebig nutzen.
Wie dem auch sei, liebe Leser: viel Vergnügen beim Lesen!
Well, the love for the 'real' book will hopefully remain for a long time, but nevertheless we should amply use/peruse the offers of digitalised books by libraries.
In any case, dear readers: enjoy reading!


Montag, 4. November 2013

1799 Lethière's Girl with Portfolio Ensemble

Oh, der Herbst ist einfach wie geschaffen für die Fertigstellung der Kleidungsstücke nach Guillaume Guillon-Lethières Portrait von dem Mädchen mit der Zeichenmappe.
Die junge Frau tritt uns gegenüber in schlichter, ein wenig düsterer Kleidung. Sie selbst wirkt praktisch, etwas spröde, aber dennoch - oder gerade aus diesem Grunde - geheimnisvoll.
Was bietet sich da besser an, als ein schwarzer Spenzer, dessen einziger Schmuck ein samtener Kragen ist.
Keine schmückenden Knöpfe am Aufschlag, denn geschlossen wird das Oberteil lediglich durch eine schwarze Kordel, die im Rücken an den Taillenknöpfen befestigt wird.
Oh, autumn is simply made for finishing the garments based on Guillaume Guillon-Lethière's potrait of the girl with a portfolio.
The young woman faces us in simple, sober and a bit dark clothing. She herself appears practical, a bit demure, yet - for this very reason maybe - mysterious.
What would be more appealing than a black spencer, which only embelishment is a velvet collar.
No pretty buttons on the bodice's front, because the garment is closed by two ties, which are attached at two buttons in the back.


Für die Nacharbeitung habe ich etwa 1.50 Meter Wolltuch benötigt.
Der Kragen besteht aus dünnem Baumwollsamt. Gefüttert ist der Spenzer mit schwarzem Baumwollchintz, Baumwolltuch und brauner Seide (Ärmel).
Um den Zuschnitt der einzelnen Teile zu ermitteln, griff ich auf mein Schnittmuster vom Königin Luise Spenzer zurück.
I purchased 1.6 yards of black wool cloth for this recreation. The collar is made of thin cotton velvet. The spencer is lined with black cotton chintz, cotton cloth and brown silk (sleeves).
To calculate the pieces, I took my Queen Luise spencer pattern for reference.

Im Gegensatz zu dem Luise Spenzer hat dieses Kleidungsstück aber weder eine Zwischenlage aus steifem Leinen, noch ist es gesteppt.
This garment however does neither have the canvas interior, nor is it quilted on the inside.


Die Ärmel sind sehr schmal geschnitten und sitzen recht weit im Rücken, was einen beim Tragen geradezu in eine aufrechte, noble Haltung zwingt. Eben jene Haltung, die man auf Modekupfern der Zeit oft sieht und die auch in Guillaume Guillon-Lethières ausdrucksstarken Gemälde wunderbar zur Geltung kommt.
The sleeves are cut very narrow and tigh fitting, and they sit far in the back, which forces the wearer into a upright, noble posture. The kind of posture, that is to be seen on many fashion plates of the era and which reflects so impressivly in Guillaume Guillon-Lethière's painting.

 Um besser in diese engen Ärmel hineinschlüpfen zu können, sind sie mit Seide gefüttert.
Die Ärmel bestehen jeweils aus zwei Stoffstücken.
To make it easier to get into these tight sleeves, they're lined with silk.
These are two-piece sleeves.

Das Oberteil ist dagegen zu den Aufschlägen hin mit dunkler Baumwolle gefüttert, während die Aufschläge aus Wolle gerfertigt sind. 
Ich bitte an dieser Stelle (und beim Anblick des folgenden Fotos) im Gedächtnis zu behalten, dass die Muse an meinem Nähtisch felinen Ursprungs ist und sich das ein oder andere Erinnerungsstück (sprich: Haar), trotz Fusselrolle nicht vom Werkstück beseitigen lässt. Ob sich die Damen damals auch dererlei Sorgen machten? Und was mögen sie benutzt haben, um die anhänglichen Haare zu entfernen?
The bodice is lined with dark cotton on the side, while the lapels are made of wool.
I'd like to ask my dear readers to keep in mind, upon looking at the following  photo, that the muse at my sewing table is of feline origin and it's hardly possible to remove all memories (here: cat's hair) from the garment, despite a lint brush. I wonder wether the women back then had to face the same problems? And what would they have used?

Im Rücken sind zwei erhabene Zwirnknöpfe, an die jeweils eine Nestelschnur befestigt wurde. Auf Taillenhöhe unter dem Arm ist noch eine kleine Öse, damit die Bänder nicht zu lose herabhängen. Auf Lethières Portrait sieht man, wie sich eine Schlaufe vom Rücken her bildet.
In the back are two round shaped thread buttons, to which corded ties are attached. There's a small eye under the sleeve on the waistline, to fasten the ties and prevent them from dangling.
Lethière's portrait reveals the ties hanging in a loop behind the girl's back.

Im Gegensatz zur Virtuosität des Künstlers in dem Portrait ist es sehr schwierig, die Tiefen des schwarzen Wollspenzers in einem Foto widerzuspiegeln.
In contrary to the masterly reflected details of the spencer in the portrait, it's difficult to catch this in a photo.


Das Ensemble hat mir die späten Jahre des 18.Jahrhunderts und damit die Zeit der Frühromantik, die ich in Büchern und Briefen verschlinge, auf wunderbare Weise eröffnet.
The ensemble has awakened my deep interest for the clothing of the late 18th century and the era of Frühromantik, of which I already loved to read books, biographies and letters.

Die Rückansicht. Das Kleid und der Spenzer harmonieren bestens.
Back view. The dress and the spencer work amazingly together.

Aber auch ohne den Spenzer gefällt mir die Schlichtheit des Kleides außerordentlich. 
(Obwohl mein  Gesichtsausdruck das in eben diesem fotografisch festgehaltenen Augenblick nicht wirklich wiedergibt - ich bitte dies zu entschuldigen)
Even without the spencer I'm truly smitten by the dress. 
(Although my facial expression at that moment of taking the photo does not really show - my apologies)
Zu dem Kleid trage ich ein schlichtes Fichu, einen passenden Unterrock, eine Chemise, einen Schnürleib nach Bernhardt, wollene Strümpfe und Halbschuhe mit kleinem Absatz.
I'm wearing a plain fichu, a matching petticoat, a chemise, short stays after Bernhardt, woolen stockings and shoes with a small heel with this dress.



Doch...die Zeit der späten 1790er hat es mir wirklich angetan...bis hin zu den Haaren.
Truly...I'm really drawn to the late 1790s...even up to the hairdos.

Das nächste Ensemble ist schon in Planung und es wird hoffentlich beweisen, dass auch die Frühromantik, detailverliebte, ungewöhnliche und raffinert verzierte Mode hervorgebracht hat.
The next ensemble is already approaching my sewing table and it will hopefully show, that the Frühromantik also has to offer very detailed, unusual and wonderfull embelished fashions.