Montag, 25. Januar 2016

1798 Englisches Chemisenkleid aus broschirtem Linon

Nach all den Rüschen, den kurzen, bauschigen Röcken und den oft puppenhaften Attitüden der Mode um 1814, wende ich mich mit dem folgenden Kleid wieder der Frühromantik mit ihren fließenden und eleganten Formen zu.
Ich habe das Kleid bereits letztes Jahr beim Butterbrodsalon in Weimar getragen, allerdings stürzte ich mich bei meiner Rückkehr umgehend in die Fertigung meines Vernetensembles und schob einen Blogbeitrag immer wieder auf. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben!
Zunächst erlaube ich mir einen kleinen Einblick in die Geschichte rund um den Begriff "Englische Chemise" zur Zeit der Frühromantik.
Die hohe Taille setzte sich in England recht früh durch (dazu in einem künftigen Blogbeitrag ein wenig mehr über diese "Marotte") und Deutschland konnte sich der neuen Mode nicht lange erwähren, obwohl sich auch der französische Einfluss hielt. Eine besondere Variante war ein Überkleid, welches vorne schräg geschnitten, mit farbigem Band gefasst und übereinander geschlagen mit Unterrock getragen wurde. Erstmals tauchte es im Journal des Luxus und der Moden im Jahr 1797 auf, noch unter dem Namen "Pudermantel".
After all the frills, the short and poufy skirts and the dollish attitude of the fashion of 1814, I'd like to return to the Early Romanticism (Fruehromantik) and it's flowing and elegant shapes.
I've already finished and worn the following dress at the Butterbrodsalon in Weimar, albeit upon my return I was so busy with the Vernet ensemble, that I had to delay my blogpost. But postponed is not cancelled!
First I like to give a bit of introduction to the term "Englische Chemise" during Early Romanticism.
The high waist quickly spread in the early 1790s (more about this "fad" in an upcoming blogpost) and German ladies could not resist for long, although the french fashion influence still remained. A lovely variety of this Englische Chemise (or "Englisches Chemisenkleid") was an open dress with a sloped cut front, bound in a bias tape and wrapped for closure. This english shaped first appeared in 1797 in the Journal des Luxus und der Moden and back then was called "Pudermantel" (powder coat).

1797, Mai, Journal des Luxus und der Moden, Tafel 14 (Quelle/source: thulb Uni Jena)
1797, Mai, Journal des Luxus und der Moden (Quelle/source: thulb Uni Jena)
Transkription:
[...] eine Chemise, oder sogenannten Pudermantel, von feinem weißen Linon, ganz mit Spitzen garnirt, schräg übereinander geschlagen, und unter der Brust mit einer schmalen goldenen Tresse oder Schnure gefasst [...]
Translation:
[...] a chemise, the so-called powder coat, of fine white linon, embelished with lace, folded in the front, and held at the high waist with a golden band or ribbon [...]

Der erwähnte Linon hat nichts mit dem heutigen Begriff zu tun, der oft in Verbindung mit Bettwäsche gebracht wird. Linon war ein besonders feiner Batist, den es auch in gestreifter oder quadrierter Ausführung gab ("broschirt").
The mentioned linon has had a different quality than today's linon, which (in Germany) ist often connected to bed spreads and covers. Linon was a fine quality batiste, which was also woven in a striped and checked variety ("broschirt").

1798, Februar, Journal des Luxus und der Moden, Tafel 5 (Quelle/source: thulb Uni Jena)
1798, Februar, Journal des Luxus und der Moden (Quelle/source: thulb Uni Jena)
Transkription:
Die Chemise von rosa Flor (Anmerkung: ein feines, grobmaschiges Seidengewebe) lief zur Linken schräg hinauf, und schlug sich über die rechte Seite, wo sie in der Taille von einem einfachen weißen Bande gefasst wurde. Ringsum waren die Kanten mit schmalen Spitzen besetzt. Unter ihr trug sie einen Rock von gesticktem Linon. Ich hörte, daß dies eine einfache englische Kleidung sey [...]
Translation:
The chemise made of rose gauze runs high on the left, layered over the right side, where the waist is embraced by a plain white ribbon. All the edges are taped with lace. She also wears a skirt of embroidered linon. I've heard this is supposed to be plain common english fashion [...]

1799, Februar, Journal des Luxus und der Moden, Tafel 4 (Quelle/source: thulb Uni Jena)
1799, Februar, Journal des Luxus und der Moden (Quelle/source: thulb Uni Jena)
Transkription:
Meine erste Dame trägt eine Englische Chemise von neuester Mode. Sie ist von weißem Mousseline, mit erhabenen broschirt gewebten Streifen; vorn offen, an der linken Seite mit einem schmalen weißen Atlasbande übereinander gefasst [...]
Translation:
My first lady is wearing an English Chemise of latest fashion. It is made of white muslin, with woven stripes; the front is open and closed with a satin band [...]

In meinem Stoffbestand hortete ich schon seit geraumer Zeit ein paar Meter gestreiften Batist ("broschirter Linon"), allerdings fürchtete ich - nicht unbegründet - dass es für ein Überkleid und zusätzlichen Rock ein kleines bisschen zu wenig Stoff sein würde.
Für das Überkleid reichte der Stoff. Hinzu kam feiner Baumwollstoff, um das Oberteil zu füttern. Außerdem fliederfarbener Baumwollchintz um alle Kanten ringsum einzufassen.
There was a yardage of striped batiste ("broschirter Linon") in my fabric stash for quite some time, though I was afraid - not unfounded - that it would be a tad too little for an open dress and a matching skirt.
Luckily it was enough for the overdress. I also added a light weight cotton for the lining of the bodice and lavender coloured cotton chintz to tape all edges.

Nach dem Vorbild der Originale wurden die Nähte im Rücken ebenfalls mit dem fliederfarbenen Chintz gefasst, dadurch wirkt der Rücken sehr schmal.
Following the original plates I also taped the seams in the back with the lavender chintz, this gives the impression of a small back.

Volumen für die Schleppe.
Volume for the train.

Ein Blick auf das Innere.
Inside view.

Innen wird das Kleid mit einem Bändchen geschlossen, ehe es übereinandergeschlagen wird.
The dress is closed with a tiny ribbon on the lining, before the front is wrapped.

Das Kleid wird mit einem schmalen Band zu einer Schleife geschlossen.
The dress is closed with a tiny ribbon resulting in a bow tie.

Der dazugehörige Rock (bitte für eine größere Darstellung auf das Bild klicken) wurde aus einem Rest des broschirten Linon und einfachem Batist gefertigt, wobei ich so gestückelt habe, dass der sichtbare Teil unter dem Überkleid aus dem Linon ist.
Der Saum des Unterrocks ist ebenfalls komplett mit dem fliederfarbenen Chintz gefasst.
The matching skirt (for higher resolution please click on the photo) is made of the remaining striped linon and plain batiste. I pieced the skirt, hence the part that shows through the open front of the overdress is made of striped linon.
The hem is also bound with lavender chintz tape.

Die Rückseite des Unterrocks wird innen in das Kleid mit wenigen Heftstichen eingenäht. Die Seiten überlappen beim Schließen und werden ebenfalls mit ein paar wenigen Stichen festgenäht. Vorn wird eine Stecknadel verwendet, damit die Taille oben bleibt.
The back of the petticoat is sewn into the dress with a few baste stitches. Upon closing the open sides overlap, these are also kept in place with a few stitches. A pin is used in the front to keep the waist seam up in place.

Der Stoff und Schnitt unterstreicht die etwas bauschigere Silhouette der 1790er Jahre, welche zur Jahrhundertwende allmählich einer glatten Front ohne Falten weicht.
Fabric and cut emphasize the fluffy silhouette of the 1790s, which gradually changes around the turn of the century with a flat front without pleats.

Die Schleppe des Unterrocks ist ein wenig kürzer. Beim Gehen wird eine Falte im Rock gegriffen, damit der Saum nicht verschmutzt.
The train of the petticoat is slightly shorter. While walking the back of the skirts is slightly lifted by grabbing a pleat of the skirt, hence the hem keeps clean.
 
 Allein das fliederfarbene Einfassband aus Chintz setzt Akzente bei dem schlichten Kleid.
Only the lavender chintz tape sets an emphasis on the plain dress.

Besonders schön kommt das Einfassband im Rücken zur Geltung.
I especially love the back with the taped edges.

Das Kleid ist sehr kommod und lädt zu ausgedehnten Mußestunden ein.
The dress is very comfortable and wears well during hours of idleness.

In diesem Jahr tauche ich noch ein wenig tiefer in die Zeit der Frühromantik ein, denn so schlicht die Kleider auf den ersten Blick erscheinen, so facettenreich sind sie doch. Und abseits der Wege der Mode gibt es zudem noch viele Marotten zu entdecken...mehr davon im nächsten Beitrag.
This year will be dedicated to the Early Romanticism, because the dresses might seem simple on the first glimpse, yet they have plenty facets. And offside the road of fashion, there are amazing fads to discover...more on that in my next blogpost.


Donnerstag, 14. Januar 2016

Vernet's 1814 Merveilleuses & Incroyables: Plate No.16

Der vergangene Dezember stand ganz im Zeichen des Vernet's 1814 Merveilleuses & Incroyables Projekt (click!) und täglich wurden alle Nacharbeitungen vorgestellt.
Einige meiner Leser mögen sicherlich - dank wohlweislich gesäter Hinweise - bereits im Vorfeld erraten haben, dass ich mich dem Modekupfer No. 16 "Chapeau de paille d'Italie. par dessus à la Chinoise" gewidmet habe.
The past December was all about the  Vernet's 1814 Merveilleuses & Incroyables Projekt (click!) and we've had daily releases of the recreations.
Some of my readers might have guessed before - due to some clues given here the last weeks - that I applied myself to fashion plate No.16  "Chapeau de paille d'Italie. par dessus à la Chinoise"
1813, Vernet Merveilleuses & Incroyables Plate No. 6 Chapeau de Paille d'Italie. par dessus a la Chinoise. (Quelle/source: Deutsche Digitale Bibliothek)
 Wie zuvor angemerkt, war es vor allem der herrliche Strohhut, der mich für diesen Modekupfer einnahm. Wie der Hut entstanden ist, habe ich in einem früheren Beitrag erläutert, an dieser Stelle möchte ich zunächst noch ein paar Eindrücke über die Dekoration teilen.
Like mentioned several times before, it was mainly the beautiful straw hat, which convinced me to choose this plate. In a former post I already described the process of how the straw was made into a hat, now I'd like to share a few impressions of the decoration first.

Um die Blätter der Lilien zu fertigen, tränkte ich ein Reststück Seidentaft in Leim und ließ es aushärten. Die Seide wird dadurch so fest wie Papier.
For the leaves of the lilly I simply took a remnant piece of silk taffeta, drenched it in glue and let it dry. The silk gets as stiff as a piece of paper.

Nachdem die Blätter mit Kreide aufgezeichnet wurden, habe ich sie ausgeschnitten...
After marking the leaves with chalk, they were cut out...
...der Zuschnitt erfolgte in verschiedenen Längen. Die seidenen Pflanzenblätter können leicht in Form gebracht werden.
...I cut them in several lenghts. It's very easy to give them shape now.
Neben den Lilien und Blättern diente ein einfacher Streifen Seidentaft in pink, rosa und creme für das Hutband. Die Kanten des Stoffes mußten nichteinmal vernäht werden, sondern wurden einfach umgeschlagen. Die Enden der Bänder erhielten einen Fransenabschluß, indem ich die Seide etwas auskämmte.
Next to the lillies and leaves, a simple strip of silk taffeta in pink, rose and creme served as hatband. The edges were only folded, not sewn. The ends were just combed into fringe.
Geschlossen wird das Hutband mit einer großen Schleife an der Hutkrone.
The hatband is closed with a big bow at the crown of the hat.

Eine zweite große Schleife sitzt neben den Lilien.
A second big bow sits next to the lillies.

 
Während mein Herz beinah augenblicklich für den Strohhut schlug, konnte mich das Kleid eher verhalten begeistern. Es wirkt vor allem durch die kleinen Wimpel und den aufwändigen Unterrock. Ich habe Pläne das Kleid irgendwann einmal zu verändern, aber 2016 wird mich erst wieder in die Zeit der Frühromantik führen und wer weiß, vielleicht überzeugt mich der Charme des par dessus doch noch... 
While my heart instantly went beating for the hat, I remained uncertain about the dress. It's mainly the buntings and the lovely petticoat, which give a lovely effect. I have plans to change the dress, but 2016 will take me back into the Early Romanticism. And who knows, maybe the par dessus eventually steals my heart, too...

Im Gegensatz zum Modekupfer, standen die Rosen in den Gärten bereits nicht mehr in Blüte. Ein kleines Sträußchen war die Lösung.
Unfortunately roses weren't in bloom in the gardens anymore. A bunch of roses seemed to be the perfect solution.
 Mit diesem Foto wurde mein Kleid auf der Vernet's 1814 Merveilleuses & Incroyables Seite vorgestellt.
I've chosen this photo to introduce the dress on the Vernet's 1814 Merveilleuses & Incroyables page.

Der Rocksaum ist doch recht kurz! Aber so erhascht man zumindest einen Blick auf die verrückten Schuhe.
The hem is quite short! But it shows the crazy shoes.


Mittwoch, 6. Januar 2016

Über Stroh und so...

Ja ich weiß, mein Seufzen ob der Verarbeitung des Strohhuts für den Vernet Merveilleuses & Incroyables Modekupfer klingt noch durch die Höhen und Täler des Sauerlandes...
Aber besagtes "Nie wieder Stroh!" war rasch vergessen, als ein lieber Freund und großer Verehrer des Directoire und Consulat mich eher zufällig auf ein besonderes Reticule in der Sammlung Villa Rosemaine stieß.
Die kleine Tasche weckte augenblicklich mein Interesse. Die Oberfläche hatte einen wunderbaren Glanz. War das Seide? Nein, es handelte sich bei dem Material um Stroh...Grund genug allen Verdruss zu vergessen und sich abermals diesem faszinierenden Werkstoff zu widmen.
Yes I know, my sighing upon the assembling of the straw hat for the Vernet Merveilleuses & Incroyables fashion plate still echoes through the hills and valleys of the Sauerland...
But said "Never ever straw again!" was quickly forgotten when a dear friend and great admirer of the Directoire and Consulat turned my attention to a reticule from the Villa Rosemaine Collection by fluke.
The charming bag caught my interest in an instant. The surface attracted me with a beautiful shine. Was it made of silk? No, the chosen material was straw...reason enough to forget the past struggle and embrace the fascinating material once again.
1806, Gottfried Christian Bohns Waarenlager (Quelle/source: googlebooks)
Transkription:
In Frankreich verfertigt man in mehreren Gegenden vielerley Arten von Möbeln mit buntem Stroh überflochten im neuesten und besten Geschmack, Tische in mancherley Formen, Feuerschirme, Fächer, Blasbälge, Souvenirs, Etuis, Theebüchsen, Arbeitsbeutel und allerley Kästchen für Frauenzimmer.
Translation:
In some regions of France many varieties of furniture are embellished with coloured straw, following the best and latest taste, tables in different styles, fire screens, fans, bellows, souvenirs, cases, tea caddys, working bags and different boxes for ladies.

Buntes Stroh für einen Arbeitsbeutel. Genau nach diesem Hinweis hatte ich gesucht. Und glücklicherweise lassen uns die Quellen nicht im Stich, wenn es darum geht, die Verarbeitung des Strohs aufzudecken.
Coloured straw for a working bag. That was exactly the hint I was looking for. Luckily the sources never let us done when it comes to the process of making such straw bags.
1806, Gottfried Christian Bohns Waarenlager (Quelle/source: googlebooks)
Transkription:
Zu eingelegten Arbeiten wird das Stroh gespalten, indem man es benetzt, der Länge nach aufschneidet, etlich Male unter einem Messer herzieht, dadurch ganz gleich und glatt macht, vor- oder nachher auf verschiedene Art färbt, und es dann auf Pappe oder Holz leimt, wobei man verschiedentlich gefärbte Halme zusammenlegt und zu mancherley Figuren ordnet.
Translation:
In the process the straw is split after it was wetted, then it is cut several times in length. The next step is running over it with a knife, which will make the straw even and glossy. Before or after this step the straw is dyed and then glued to cardboard or paper, arraning the stems in patterns.

Die erste Hürde war das Färben der Strohhalme. Ich bemühte einige Quellen und stellte fest, dass es ein umständlicher Arbeitsgang war, denn Stroh besitzt eine natürliche Wachsschicht und um das Eindringen der Farbe zu gewährleisten, ist ein chemischer Vorgang vonnöten.
Ich entschied mich daher, bereits gefärbte Ware zu erwerben. 
Die Halme landeten zunächst für mehrere Stunden in einem lauwarmen Wasserbad.
The first obstacle was the dye. I searched for more sources and soon realized, that on one hand it was a tedious process, because naturally straw has a waxed surface, and on the other hand such material called for a chemical treatment.
Hence I decided to purchase dyed straw.
The stems ended up soaking in luke warm water for a few hours.

Links sieht man das Stroh vor dem Wasserbad, rechts ist es bereits gespalten und glattgebügelt. Die Farbe ist - wie damals auch - wasserfest.
On the left is the straw before taking it's bath, on the right it is already split and ironed flat. The dye is - like it was back then - waterproof.

Beim weiteren Zuschnitt der Halme hielt ich mich an die Vorgabe des Originals der Villa Rosemaine.
Further widths were decided upon the original reticule from the Villa Rosemaine.
    
Auch den Zuschnitt für die beiden notwendigen Pappen habe ich vom Original übernommen.
Die Wände messen etwa 24 x 20 Zentimeter und sind mit Baumwollstoff überzogen. Diesen Stoffüberzug benötigt man später beim Zusammennähen mit den gepaspelten Seiten. Als Kleber habe ich einen Stärkekleber verwendet.
I also copied the cardboard pieces from the original.
The pieces measure approx. 24 x 20 Centimetre and they are covered with cotton. This cover is necessary in a later step, when the pieces are sewn to the piped side piece. I used a glue based on starch.

Mit diesem Kleber werden auch die Halme auf die vorbereitete Pappe geklebt. Das Stroh wird mit einem Falzmesser glatt aufgepresst. Sind alle Halme aufgeklebt, werden die Ränder entsprechend mit einer kleinen, feinen Papierschere zugeschnitten.
This glue was also used to put the stems onto the prepared pieces. The straw is pressed on the surface with a folding knife. When all stems are attached, the edges are cut with a very fine paper scissors.

Die Oberfläche hat einen wunderbaren Glanz.
The surface is beautifully glossy.

Die angedeutete Klappe des Retiküls aus Seide und Stroh (auf Pappe). 
Ich freue mich sehr, dass ich genau die Seide aus einem Altbestand erworben habe, die dem Orignal nahe kommt, obwohl die Farbe nur als "Gelb" gekennzeichnet war. Einer meiner Vorsätze für dieses Jahr ist es, bei Material tierischen Ursprungs (Leder, Seide und Wolle) ausschließlich auf Altbestände zurückzugreifen. Überhaupt möchte ich versuchen vorrangig mit Stoffen und Materialien zu arbeiten, die aus alter Lagerware stammen, was sicherlich interessant wird, denn oftmals werde ich auf abweichende Farbtöne etc. zurückgreifen müssen, also so agieren, wie es in den Zeitungen um 1800 beschrieben wird, wenn ein Händler einen Ballen von jener Farbe und Güte bekommen hat. Auch damals war man in der Auswahl häufig eingeschränkt und mußte hier und da umdenken oder stückeln.
The faux flap of the reticule made of straw (on cardboard) and silk.
I am very happy that I managed to get exactly the silk I was looking for from vintage stock, although the colour was merely offered as "yellow". One of my resolutions for this year is to get animal fibres (leather, silk and wool) only from vintage stock. Actually I would like to try to work more with materials and fabrics from vintage stock, which might be interesting, because that means that I might have to deal with different colours or lenghts. This is exactly what happened in the papers around 1800 when a merchant in a small town suddenly offered a bolt of new fabric. Many have been quite limited in their choices and instead come up with new ideas or piecing.

 Die gepaspelte Seide für das Seitenteil wird entlang der Bogenkanten angenäht. Der Streifen ist ca. 5 Zentimeter breit. In die verbundenen Pappen wird dann noch ein Beutel eingenäht, der spätere Taschenbeutel.
The piped silk for the side piece is stitched along the scalloped edges. The stripe is about 5 centimetres wide. Between the connected cardboards another bag is stitched in, this will be the actual bag.
Der fertige Arbeitsbeutel. Die Vorderseite grüßt in glänzendem Stroh, die Rückseite in schlichter aber nicht minder glänzender Seide.
The finished working bag. The front shows the glossy straw, the back the more plain but also glossy silk.

Die Kordel war eine weitere kleine Herausforderung, denn eine Seidenkordel in diesem Farbton war auf dem Antikmarkt nicht aufzutreiben. Ich entschied mich schließlich für eine weiße Kordel aus glänzender Viskose, welche ich in einem Bad aus heißem Kaffee und Rotwein in genau den passenden Ton färbte.
The string was a further challenge, because I couldn't get a silk string in the exact shade on the antique market. I eventually decided on a white string made of glossy viscose, which I dyed in a bath of hot coffee and red wine into the exact colour.

Die Kordel wird entlang der Paspel angenäht.
The string is stitched down along the piping.

Ein Blick auf die Seite. Die Stroharbeit glänzt wunderbar.
A view of the side. The straw has a wonderful shining structure.

Die verarbeiteten Materialien auf einen Blick.
The different materials in one glimpse.

Kein Wunder, das diese Arbeiten nicht nur in Frankreich beliebt waren, sondern auch den Weg nach Deutschland fanden, wenngleich zunächst auch nur zögerlich. Sachsen war bekannt und geschätzt für derartige Stroharbeiten vom Strohhut bis zu diesen entzückenden Taschen.
Besonders erwähnenswert sind die Geschwister Engelhardt aus Dresden und ihre Strohwarenfabrik, sie haben wohl tatsächlich aus Stroh Gold gesponnen.
Not surprising that this beautiful fashion spread from France to Germany, albeit the german ladies warmed up to it only gradually. Saxon was famous for such straw products like hats and bags.
The most outstanding factory was Geschwister Engelhardt in Dresden, they might truly have spun straw into gold.
1797, Oktober, Journal des Luxus und der Moden, Moden-Neuigkeiten (Quelle/source: thulb Jena)
Transkription:
Aber heirbey blieb der spekulative Erfindungsgeist der Dresdner nicht stehen. Sie lernten nun auch die aufgeschlitzen Halme durch besondere Werkzeuge glätten, daß sie wie Spiegel glänzten, durchflochten und durchnähten die meisten Strohgeflechte mit buntgefärbten, ebenso zubereitetem Strohe, leimten diese auf Seide und Atlas auf, erfanden alle Wochen neue Facons von Hüten, Toquen, Hauben, machten von selbst zierliche Guirlanden, Federbüsche, Bänder, Schnüre aus eben diesem Material, und trugen es auch auf andere Gegenstände des Luxus, auf Arbeitskörbe, Vasen, Tafelaufsätze, Bouquets u.s.w. über. Den Anfang zu allen diesen künstlichen Strohverfeinerungen machte die Familie Engelhardt in Dresden.
Translation:
But the zest for inventing new things did not stop there for the Dresdner. They learnt to smooth and polish the split stems of the straw with special tools, thus they would be glossy like mirrors. They braided the coloured straw, glued it to silk and satin and invented a new style every other week for hats, toques, caps, they made delicate garlands, tufts of feathers, ribbons, strings from this very material, and added it to other luxery goods such as working bags, vases, table's centerpieces, bouquets, etc. The first, who came up with these fine straw works was the family Engelhardt in Dresden.