Dienstag, 19. April 2016

1796 Pariser Aufsatz à l'Innocente, oder: Sind Kalmare auf dem Haupt nun Mode, Madame?

Irgendwie scheint mir der April ein famoser Monat für die Herstellung von Hüten, Hauben und Aufsätzen aller Art zu sein, jedenfalls ist mein Nähtisch - wie bereits im vergangenen Jahr zu dieser Zeit - übersät mit Hutmachereibedarf.
Eine große Faszination bilden da auch die Hauben, welche in der Mitte der 1790er Jahre üppige Lockenfrisuren zierten. Mal waren sie klein, dann wieder von kurioser Größe.
Im Jahr 1796 breiteten sie sich laut dem Journal des Luxus und der Moden eher einnehmend auf den Lockenschöpfen aus. Unter all den wunderbaren Aufsätzen fiel mir einer besonders ins Auge.
1796 Aufsatz à l'Innocente, or: Are squids now in fashion, Madame?
Somehow April seems to be a favourite month for assembling hats, caps and headwear, anyhow my sewing table is as covered with millinery supply as in the past year around this time.
In this regard caps are highly fascinating, especially those, which were in fashion in the mid 1790s. Some were quite tiny, some of remarkable size.
In the year 1796 the latter was the case according to the Journal des Luxus und der Moden. Among all these beautiful headwear, one caught my attention quickly.
1796 Journal des Luxus und der Moden, September, Tafel 25 Aufsätze (Quelle/source: Uni thulb Jena)
Glücklicherweise gibt es auch hier einen Text zu dem Kupfer.
Luckily the journal supplies us with a text to the fashion plate.
1796 Journal des Luxus und der Moden, September, Tafel 25 Aufsätze (Quelle/source: Uni thulb Jena)

Transkription:
No.5 ein zierliches Aufsätzchen von feinem Linon, mit blassblauem Atlasbande eingefasst, und vorn und hinten mit Schleifen von eben diesem Bande gefasst. Man nennt dergleichen Aufsätze in Paris a l'innocente, und wirklich kann man sich nichts reizenderes denken, als ein junges unschuldiges Gesicht mit einem solchen Aufsatz auf dem nachlässig gelockten Haare.
Translation:
No5. a delicate headwear made of fine linon, bound with blue satin ribbon, on the front and back bound in ties with said satin ribbon. In Paris this kind of cap is called l'innocente, and there's nothing more appealing to imagine than a young innocent face with such a cap on the curly hair.

Ich fertigte meine Haube aus drei Lagen: meinem feinsten Linon, und zwei Lagen verschieden feinem Glasbatist oder Baumwollorganza. Hinzu kam ein sehr feines Seidenband, welches zum Einfassen jedoch viel zu fein war, weshalb ich auf ein Satinband zurückgreifen mußte, das ich als Schrägband von einer Meterware fertigte.
I've made my cap from three layers: my finest Linon and two layers of organdy in different qualities. I also used a silk ribbon, albeit it was so delicate, that I had to cut another ribbon from a yardage of sateen for the binding.

 
Ausgeschnitten wird ein Halbkreis und ein schmales Band, welches in der Mitte etwas zusammengefasst wird. Die zwei Lagen Organza dienen dazu, den Falten der Haube und den seitlichen Flügelchen Stand zu verleihen.
I've cut a half circle and a band, which is slightly gathered in the centre. The two layers of organdy help support the pleats and the little wings.


Der Halbkreis wird - wie im Bild gezeigt - auf die Rückseite des Bandes angenäht.
The half circle is - as shown in the picture - sewn to the back of the band.

Und nach ein wenig Stofforigami, erhält man dann...einen Kalamar...
And after a bit of fabric origami, it's finally...a squid...
 
Die Begriffe "Aufsätzchen" und "zierlich" und die fehlende Abbildung in getragenem Zustand haben mich ob der Größe vor einige Grübeleien gestellt. Sehr kleine Aufsätze sieht man im Jahr 1796 im Journal des Luxus und der Moden kaum, daher entschloss ich mich zu einer mittleren Größe für eine üppige Lockenfrisur, die zierliche Wirkung erzeilt dieser Aufsatz ganz von allein.

The terms "Aufsätzchen" (belittlement of the word "cap") and "delicate" as well as the missing picture of it actually worn, made me wonder about the size of the headwear. There are hardly any small caps seen in the 1796 plates of the Journal des Luxus und der Moden, hence I went for a medium size cap for a big curly head, et voila the delicate effect was simply happening.

Ein Blick auf das Innere. Die Falten werden mit einem Band zusammengehalten.
A view to the interior. The pleats are secured with a ribbon.

 
Ein wenig hat das Aufsätzchen etwas von einem Meerestier, ein wenig ist es ein kleines Kunstwerk. 
The cap is both, an impression of an sea animal and a little piece of art.



Die Spitze.
The front.

Aufgeblättert.
Opened up.

Der unschuldige Kalmar in Angriffstellung, bereit ein Haupt und eine Lockenpracht zu zieren!
The innocent squid ready to attack and adorn a head and curly hair!


4 Kommentare:

  1. What a darling little morning cap to perch on one's curls! It will be fun to see what this looks like when worn. I suppose that the back bow is attached somehow to the chignon? Older 18th century caps fitted well down on the head and the little tie in back was used to tighten the caul (the back bag) to the head and hair. Or would you use pins?

    Very best,

    Natalie

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    1. Thank you :)
      So far I've only worn it with modern hair and a pony tail, secured with pins. I've recently purchased two wigs with the intention to turn them into 1790s hair - as soon as this challenge is tackled I will have more photos of the ̶s̶̶q̶̶u̶̶i̶̶d̶ cap ;)

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  2. Ich bin immer wieder fasziniert, wie du aus einem Bild und einer kleinen manchmal verworrenen Beschreibung eine nahezu exakte Kopie dessen zauberst, wie es auch so gedacht war!
    Das unglaublichste find ich immer wieder, wie du dir die Dinge erarbeitest! Das begeistert mich!!
    Und immer wieder vielen Dank für deine ausführlichen berichte dazu!!!

    LG Kerstin

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    1. Danke für die lieben Worte. Glücklicherweise erklären sich viele Kupfer über den Versuch mit Nadel und Faden...immer wieder sehr spannend :)

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