Mittwoch, 10. August 2016

Margarethe Tyrof(f)...ein Gesicht der Frühromantik

Meine Faszination für Portraits begann vor vielen Jahren mit Hans Memeling (1433 - 1494) und Hans Holbein dem Jüngeren (1497 - 1543), vor allem seine ausdrucksstarken Vorzeichnungen am Hof Heinrich des VIII begeisterten mich.
Wie erfüllend ist das Studieren der Gesichter, der fremden Moden und vertrauten Physiognomien. Wer verbarg sich hinter den Persönlichkeiten, die mit Farben auf Leinwände gebannt wurden.
Die Faszination hat mich nie wieder verlassen, noch immer kann ich mich stundenlang in Portraits und Biographien verlieren.
Heute sind es zumeist Portraits aus der Frühromantik...und davon existiert eine wunderbare und höchst erbauliche Fülle. (Mehr davon: Damen 1800)
Viele Gesichter sprühen vor Umtriebigkeit und spiegeln damit den Geist des Aufbruchs dieser Zeit wider - gerade was die Frauenportraits betrifft. Stolze Gesichter. Lebendige Gesichter. Tiefgründige Mienen. Heitere Mienen.
Nicht immer schön für unser modernes Sehen, aber sie stellen unvermittelt eine Verbindung in diese ferne Zeit her und plötzlich blickt man in Augen (längst geschlossen im wahren Leben), die erzählen...und erzählen...und vertraut werden.
So geschehen ist es mir mit dem folgenden Kupferstich des Künstlers Christoph Wilhelm Bock (1755 - 1835).
My fascination for portraits started years ago with Hans Memeling (1433 - 1494) and Hans Holbein the Younger (1497 - 1543), especially his remarkable sketches from the court of Henry VIII caught my enthusiasm.
How fulfilling is the study of faces, the odd fashions, and yet familiar physiognomies. Who was behind those colours painted on a blank canvas.
The fascination has never ceased, today I still can get lost for hours in portraits and biographies.
Nowadays it's almost always portraits of the Early Romanticism...and luckily there exists a most amazing and intriguing wealth of them. (More to marvel: Damen 1800)
Many faces spark engagement and reflect the spirit of awakening of this period - especially the female portraits. Proud faces. Lively faces. Profound expressions. Merry expressions.
Not always pretty in the modern sense, but they create a sudden connection into this bygone time and then we find ourselves gazing into eyes (long closed in real life), which tell stories...and tell...and become familiar and close.
This happened to me with the following copperprint by artist Christoph Wilhelm Bock (1755 - 1835)

Ch.W. Bock, 1799 Margarethe Tyrof(f) Blatt 62 (Quelle/source: Digitaler Portraitindex)
Margarethe Tyroff (auch: Tyrof) geboren am 13. März 1775, verstorben 1836.
Sie war Gattin des Kupferstechers, Heraldikers und Verlegers Konrad (auch: Conrad) Tyrof(f) aus Nürnberg (30. Januar 1771- 30. Mai 1826).
Margarthe Tyroff (also: Tyrof) born on March 13th 1775, died 1836.
She was wife to the copperprinter, heraldist and publisher Konrad (also: Conrad) Tyrof(f) from Nuremberg (30. Januar 1771- 30. Mai 1826).

Ch.W. Bock, Conrad Tyroff, fürstl. Gandersheimischer Hof Agent (Quelle/source: Digitaler Portraitindex)
Ein interessantes Paar, das man auf den beiden Kupfern lange anschauen mag. Viel ist über den fürstlichen Hofagenten nicht hinterlegt, außer seinem Werk (Wappenkunde), über seine schöne Gattin ist noch weniger zu finden. 24 Jahre ist sie auf dem oberen Portrait, hatten die beiden sich gerade erst vermählt als der Kupfer entstanden ist? Mochten Sie sich? Wie sah ihr Alltag aus?
Interessant ist, dass Ch.W. Bock noch einen weiteren Kupfer von Margarethe Tyroff schuf, zehn Jahre später, da zählte sie 34 Lenze und ging mit der neusten Mode.
An interesting couple, who are beautiful to look at on these prints. There's not much recorded in the internet on the princely court official, except his work (heraldry), there's even less to find about his beautiful wife. She's 24 years on the portrait above, was this copperprint made shortly after they got married? Were they fond of each other? What was their daily life like?
Interesting to notice is the fact, that Ch.W. Bock made a second copperplate of Margarethe Tyroff, ten years later, she was 34 years then and followed the latest fashion.
Ch.W. Bock, 1809, M. Tyroff (Quelle/source: Digitaler Portraitindex)
Wie ist ihr Leben in der Zwischenzeit verlaufen? Ach, könnte man sie fragen!
Ein Jahr nach dem Tod ihres Mannes (1826) findet sich in der Allgemeinen Zeitung München vom 13. April 1827 eine Notiz über eine Verlosung einiger Kunstgegenstände aus Tyroffschem Besitz und obwohl die Veräußerung der Lose nur schleppend ging, verzichtete Margarethe auf einen Rückzug, um die Käufer nicht zu schädigen. 
How has her life developed in those years? If only we could ask her!
The year after her husband's death (1826), a note was published in the Allgemeinen Zeitung München vom 13. April 1827
about an auction of art objects from the Tyroff's property and although the lots were unfortunately selling dissapointingly, Margarethe did not stop the auction in order to bring no financial trouble to the buyers.

Ihr Kupferstich in den Onlinearchiven hat mich ungeheuer fasziniert, umso überraschter und unglaublich glücklich war ich, als ich ein paar Tage später Post bekam.
Her copperprint on the internet archives has truly fascinated me, hence I was absolutely surprised and utterly happy, when I received mail a few days later.

Ich hoffe, Margarethe Tyroff hatte einen ebenso aufmerksamen Gatten wie ich.
I hope, Margarethe Tyroff's husband was as attentive as mine is.


4 Kommentare:

  1. Das ist wirklich sher interessannt, wie 10 Jahre einen Menschen doch verändern können! Ich find es wunderbar, dass die beiden Kupferstiche in der selben Position sind, gemeinsamkeiten und Unterschiede lassen sich so noch besser betrachten!
    Das schöne Kupfer ist bei dir ja auch in den besten Händen!
    Gruß Kerstin

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    1. Ja, ich war auch ganz erstaunt als ich den zweiten Kupfer von Margarethe Tyroff entdeckt habe...eine interessante kleine Studie!

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  2. "Die Faszination hat mich nie wieder verlassen, noch immer kann ich mich stundenlang in Portraits und Biographien verlieren." - Ja, liebe Sabine, da haben wir etwas gemeinsam. Bei dieser Beschäftigung fällt es besonders leicht, in eine ferne Zeit einzutauchen. Man kann gleichzeitig eine bessere Verbindung zum Eigenen schaffen und dabei seinen Gedanken nachhängen. Ein sehr hübsches Geschenk ist das, würde ich mir sofort rahmen und übers Sofa hängen.

    Liebe Grüße zum Abend
    von Constanze

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    1. Herzlichen Dank! Leider bleibt es oft - wie in diesem Fall - der Fantasie überlassen, welche Geschichte und Persönlichkeit hinter dem Portrait steckt. Aber das tut der Faszination keinen Abbruch.
      Natürlich gibt es auch in späteren Zeiten (im Zeitalter der Fotografie) noch viel spannende Portraits zu entdecken. Ein sehr interessanter Bildband ist "Menschen des 20.Jahrhundert" von Sander.

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