Sonntag, 9. November 2014

Guten Morgen

Die vielen Journale zeigen uns, dass nicht nur Wert auf eine entsprechende Garderobe für tagsüber und abendliche Gesellschaften gelegt wurde, sondern die Dame auch schon am Morgen durch einen ansprechenden Anzug zu gefallen wusste.
In vergangenen Beiträgen habe ich bereits eine Peignoir und einen Morgenüberrock vorgestellt, denn schließlich sollte ein wohl sortierter Kleiderschrank eine Dame am frühen Morgen modisch nicht im Stich lassen.
Eine weitere hübsche Variante für morgendliche Kleidung, bzw Kleidung im häuschlichen Bereich findet sich im Journal des Dames et des Modes von 1813.
The many fashion journals reveal, that ladies did not only put emphasize on daydresses and evening occasions, but also had an interest to look pretty in their attire in the early morning.
I've already introduced different styles of morning wear in previous posts, like the Peignoir and the Morgenüberrock, because a well-assorted wardrobe of a lady should not fail in regard of a fashionable look during the morning.
Another pretty variety of morning wear, respectively domestic wear, is shown in the 1813 issue of the Journal des Dames et des Modes.
1813, Costume parisien No.1305 Madras Drapé a la Chinoise, Camisole sans Garniture
(Quelle/source: SceneinthePast)

Die Dame trägt ein recht einfach gehaltenes Camisole (auch Camisol oder Kamisol) über einem Unterrock mit dezent verziertem Saum.
Dazu ein Madrastuch.
So schlicht der Kupfer auf den ersten Blick wirkt, wartet er doch mit allerlei interessanten Details auf.
Tatsächlich sehen wir hier einen Unterrock, was in der Zeit um 1813 keine Seltenheit ist, denn unter den Tages-und Abendkleidern, blitz gern ein hübsch dekorierter Saum hervor.
Trägt man dazu einen Camisole ist man im Handumdrehen ansprechend gekleidet.
Das (noch nicht frisierte) Haar verschwindet nicht etwa unter einer weißen Haube, sondern unter einem Madrastuch, welches den Farbtupfer in diesem Ensemble bildet.
The lady is wearing a quite simple camisole on top of a petticoat with a lovely trimed hem.
A madras kerchief is added.
As sober this fashion plate seems on the first glimpse, it offers us amazing details.
We really see a petticoat, which wasn't that rare in 1813, as these would also flash from the hems of daydresses and evening gowns - always with lovely decorated and trimmed hems.
With a camisole on top, a lady is quickly and decently dressed in the morning.
The (probably still uncombed) hair is not hidden under a white cap, but under a Madras kerchief, which gives colour to this otherwise plain ensemble.

G.C. Bohns Waarenlager, 1806 (Quelle/source: google books)

Transkription
Madrastücher, eine Gattung baumwollener Schnupftücher von Tranquebar (Indien) im Dänisch-Ostindischen Handel, von 1 3/16 Kopenh. Ellen im Viereck.
Translation
Madras Kerchiefs, a variety of cotton made kerchiefs from Tranquebar (India) of the Danish East India trade, measuring 1 3/16 Copenhagen ells in the square.

Die Madrastücher (die auch als kleine Schals bekannt waren), erfreuten sich großer Beliebtheit, bezeichnend war das bunte Karomuster. 
Über die Kopenhagener Elle konnte ich nicht viel herausfinden, allerdings über die Dänische Elle (Alen). Sie maß ca.63 Zentimeter. Das Tuch hatte also eine Abmessung von etwa 75 cm im Quadrat.
The Madras kerchiefs (which were also known as scarves), were quite popular and best known for their colourful checked pattern.
I couldn't find much info on the Copenhagen ell, but was successful with the Danish ell (Alen), which measured around 25 inches. Hence the kerchief was about 30 inches in square.

Für mein 'Madrastuch' wählte ich einen sehr leichten Baumwollstoff.
For my 'Madras Kerchief' I've chosen a very fine, lightweight cotton.

Bei dem Camisole hielt ich mich nicht stoisch an die Vorlage des Costume Parisien, sondern bediente mich dem Schnitt zu meinem Dutch Print Shortgown. Jedoch wählte ich einen Baumwollstoff in Beige und Blassblau.
Regarding the camisole, I did not follow the Costume Parisien closely, but used the pattern of my Dutch Print Shortgown. Instead of the loud colours I decided on a pale beige and blue cotton.

Durch die Taillennaht läuft eine Kordel. Zusätzlich gibt es ein schmückenderes Band, um das Camisole zu schließen. Das Kleidungsstück ist ungefüttert.
There's a cord runing through the waist seam. Additionally I've added a more decorative ribbon to close the camisole. The garment is not lined.

die Innenseite - the inside

die Rückseite - the back

Ein Blick auf den Zuschnitt des Rückenteils. Drei kleine Wäscheknöpfe vervollständigen das Camisole.
In diesem Bild erkennt man gut das Muster des Stoffes. Es handelt sich um bedruckte Baumwolle.
A peek on the patterning of the back. Three tiny Dorset buttons complete the camisole.
The photo beautifully shows the pattern of the fabric. It's a printed cotton.

Das Camisole mit dem Madrastuch
The camisole with the Madras kerchief

Im Unterrock (leider ist am Saum meines Rocks nur ein schmaler Spitzenrand, aber ein weiterer Unterrock ist bereits in Planung), Camisole und Madrastuch geht es daran, die morgendliche Post zu sichten.
Unter dem Ensemble trage ich selbstverständlich passend zum Morgen den Utrecht Schnürleib.
Dressed in a petticoat (unfortunately with only a small whitework trim, but I'm already planning a new petticoat), camisole and the madras kerchief, I'm about to look through the morning's mail.
I, of course, wear the Utrecht stays, which are made for early morning wear.

Statt der Chemisette komplettiert hier ein Fichu den Anzug. An den ungewohnten Anblick des Tuchs a la Chinoise hochaufgetürmt musste ich mich erst gewöhnen, aber es ist äußerst komfortabel.
Instead of a chemisette a fichu completes the ensemble. I had to get used to the funny look of the high kerchief a la Chinoise, but it's really comfy.


Ich bin mir sicher, dass sich zu dieser morgendlichen Garderobe und auch dem Madrastuch noch ein weiteres Ensemble gesellen wird, um als bekennender Frühaufsteher während meiner auserkorenen Lieblingstageszeit ein wenig Abwechslung zu haben.
I'm determined to add another camisole and Madras kerchief to my wardrobe, to have a bit more of variety during my favourite time of the day...yes ugh, I admit it, I'm an avid early bird.


13 Kommentare:

  1. I wonder if the headkerchief would have cought on amongst the upper- and middle classes here in Sweden - it might have been considered too rural, as most common women wore similar things on their heads instead of bonnets... On the other hand, people will wear almost anything that is in fashion :)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Thank you, Sarah. This is a very interesting point. So far I haven't found a hint in the German Journal des Luxus und der Moden for wearing the Madras kerchief in that way, but I did found some announcement in different papers about madras kerchiefs and shawls having been lost (or found), some of them have been the huge type wrapped around the body rather than the head. Though I haven't looked up all the plates, yet. It would be interesting to learn whether this fashion really has spread (and where and when)...I know of a 1817 (?) painting showing Ekatarina Benner with such a head scarf http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ekaterina_Karamzina_Benner.jpg

      Löschen
  2. Herrlich, diese Fotostrecke, liebe Sabine! Und ich bin mir sicher, auch der Bote mit der Frühpost wird von diesem morgendlichen Aufputz entzückt sein.

    Liebe Grüße

    Constanze

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Vielen lieben Dank, Constanze.
      Vergleicht man die damalig legere Mode mit der heutigen, so merkt man doch schnell, was man verloren hat. Vom tatsächlichen Briefeschreiben im Gegensatz zu elekt. Kurznachrichten, mag ich erst gar nicht beginnen ;)
      Ich freue mich sehr, dass Dir der Beitrag gefällt!

      Löschen
  3. A lovely morning attire! The camisole is a lovely idea, it's informal but elegant.

    AntwortenLöschen
  4. Oh! Mir gefällt die Rückenpartie des Camisol besonders gut. Welch hübsche Kleidung für den Morgen! Übrigens nicht nur für den frühen Morgen, sondern für den gesamten Vormittag. Manch Dame (die wohl neben dem Briefe schreiben nicht viel anderes zu tun hatte) "kleidete" sich mitunter erst mittags um ein Uhr, wie ich in den kürzlich gelesenen Tagebüchern der Fürstin zu Anhalt-Dessau feststellen konnte.

    Liebe Grüße
    Emily

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Oh, es ist immer gut, einige Auszüge aus Primärtexten als Beleg zu haben. Vielen Dank :)

      Löschen
  5. An interesting addition to your wardrobe! I love how comfy it looks. If I ever need a morning-specific ensemble I will consider this type of garment. And it certainly gives a reason to have fun petticoat hems!

    Best,
    Quinn

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Thank you! Yes, I think petticoats are often quite underrated. I've now seen quite a lot of them (highly decorated) peeping out from under the actual dresses, which is a pretty fashion detail.

      Löschen
  6. Mit wonne zum morgenkaffee gelesen, wie immer informativ und reich und sehr schön bebbildert! Toll!

    AntwortenLöschen
  7. Hallo!

    Whow!!
    Dein Blog ist echt klasse!
    Ich habe jetzt bestimmt eine Stunde lang gestöbert.
    Ich bewundere Deine Nähkünste.

    Ich bin auf der Suche nach "alter Kleidung" über Deinen Blog gestolpert.
    Ich interessiere mich sehr für die Zeit um 1914. Nicht für den ganzn Militär-und Kriegskram.... sondern für das einfache Alltegslaben um diese Zeit.
    Leider habe ich zum passenden Kleidungsstil (der normalen Arbeiter und Bauern) noch nicht viel Infos gefunden.
    Vielleicht kennst Du da ja ein paar interesssante Seiten?

    Mach weiter so!

    LG
    Claudia
    aus Minden-Lübbecke

    AntwortenLöschen
  8. Dear Sabine,
    What a pretty morning ensemble.

    Looking closely at the model, I wonder if she wears stays. As a fashionista, she might not be.

    This outfit also raise all kinds of interesting questions. During the 18th century, petticoats were not the undergarments of the later 19th century. You'd generally wear several, one over the other, weren't, as I understand, relegated only to undergarment status. For variety, they might be switched about and an underneath petticoat one day might be an outer petticoat on another. Further, the lowest, narrow decency petticoat occasionally made an appearance in daylight.

    Here you are showing a petticoat as part of morning wear. When, I wonder, did the petticoat become underwear? By the 1860s, for instance, morning dresses were special garments that would cover a petticoat or two. When might the switch have happened?

    Very best,
    Natalie

    AntwortenLöschen