Freitag, 21. September 2018

¡Hola! Un retrato femenino con Schnürleib

Eigentlich bin ich immer noch dem Hl.Crispin verpflichtet und eifrig in der Pantoffelmacherwerkstatt (und am Schreibtisch) unterwegs, als mich Mme.R. vom Pavillon de la Paix auf einen Fund hinweist, der mich unverzüglich ins Schwärmen und Staunen versetzt - und diese ausgelöste Euphorie muß ich nun einfach teilen.
Im Museo del Prado in Madrid existiert eine kleine und feine Miniatur, welche ein Herz sicherlich schon vor zweihundert Jahren hat höher schlagen lassen.
Actually I'm still on a mission to please St.Crispin and quite busy making mules in my mule-maker-workshop (and at the desk), when Mme R. from Pavillon de la Paix pointed me to an amazing find, which catapulted me into awe and exictement - and I simply have to share this euphoria.
There's a fine miniature in the Museo del Prado in Madrid, which probably have raised the heart rate already 200 years ago.

1810, Retrato femenino, atribuida a Luis de la Cruz y Rios (Quelle/source: Museo del Prado Madrid)
"...aber, Moment mal!" Wird sicherlich so mancher denken, nachdem ein Seufzer ob der Schönheit der Unbekannten getan ist, "...das sieht aus wie ein Bernhardtscher Schnürleib!"
Tatsächlich! Diese - sicherlich persönlich gedachte - Miniatur beweist einmal mehr, wie sich die Damen unter ihren wundervollen Roben kleideten.
"...wait, what?!" Some of you might exclaim after a sigh is done to compliment the beauty of the unknown sitter, "...that looks like a pair of Bernhardt's short stays!"
Indeed! This - probably very personal - miniature proofs how women used to dress under their gowns.

Ob J.S. Bernhardt diese Art des Schnürleibs bis nach Spanien bekannt machte, oder ob es sich um ein allgemein weitverbreitetes Kleidungsstück handelte, wird noch zu erforschen sein, aber die Funde mehren sich.
Whether Bernhardt's book was also known in Spain or it was a common piece of garment will hopefully one day be cleared by more research, for now we can see that there are more and more finds.
Schnitt Fig.C und der dazugehörige Text aus J.S.Bernhardts Buch und den daraus resultierenden Schnürleibstudien führen jedenfalls zu einem Kleidungsstück, welches dem der Miniatur äußerst ähnlich ist. Bis hin zu den schmalen Trägern und der unverkennbaren Silhouette.
Patron Fig.C and the accompanying text from J.S.Bernhardt's book and the resulting Short Stays Studies reveal a garment, which is pretty close to the one in the miniature. On point to the very small shoulder strapes and the overall famous Bernhardt stays silhouette.

J.S.Bernhardt empfiehlt Fischbein oder einen Blankscheid zu diesem Schnürleib.
J.S. Bernhardt recommends baleen or a busk for these stays.

Besser kann ein Wochenende nicht beginnen.
Mit neuem Elan und in der Gewissheit, dass man täglich dazulernt (und dieser Winter sicherlich voller spannender Forschung werden wird!), verabschiede ich mich vorerst wieder unter den Pantoffel...
There's no better way to start into a weekend. 
With new verve and the certainity, that there's something new to learn every day (and that this winter will be filled with exciting research), I return to mule-making for now...

Donnerstag, 13. September 2018

"... und senden Sie mir 1 Paar blaue Frauenzimmer Pantoffeln von bemahltem Leder!"

Wenn man in diesem Sommer ein wenig mit dem Kopf in den Wolken gesteckt hat, sollte man sich vergewissert haben auch auf soliden Füßen zu stehen - kurz: nach einer ausgedehnten sommerlichen Auszeit fiel mein Augenmerk nach Jahren der Missachtung mal wieder auf passendes Schuhwerk.
Also kramte ich in meiner kleinen Werkstatt nach der Kiste, die ganz weit hinten auf einem Schrank verstaut war und zum Vorschein kam ein wunderbarer Leisten, den mir der Zufall auf einem Antikmarkt in die Hände gespielt hatte (und der zudem noch genau meiner Schuhgröße entsprach), Lederreste aus alten abgetragenen Handschuhen, die mir Ute von Schneiderherz großzügig zugesandt hatte (Erinnerst Du Dich überhaupt noch daran?!) und festes Sohlengummi.
Da man mit jedem neuen Handwerk erstmal klein anfangen sollte, um die Handgriffe und Vorgehensweise zu verstehen, entschied ich mich für ein Paar wundervolle Pantoffeln aus der Sammlung des Rijksmuseums in Amsterdam:
If you have - like me - spent the past summer with your head in the skies, it was highly recommended to have your feet firmly on the ground - in short: after a long hiatus during summer I eventually remembered my attempts at shoemaking, which I have neglected for quite a while.
Hence I searched for a small box in my workshop, high up on a shelf, which contained an amazing period straight last from an antique shopping spree (in exactly my size), leather pieces from old worn and torn gloves, which were generously given to me years ago by Ute from Schneiderherz and strong soles made of rubber.
As I usually start each new craft with easy-to-assemble pieces, to understand the process, I decided on a lovely pair of mules from the Rijksmuseum in Amsterdam:
1775-1800, Muiltje van gebatikte Katoen BK-1973-496-B (Quelle/source: Rijksmuseum Amsterdam)
Statt des bemalten Baumwollstoffes entschied ich mich allerdings dazu Leder zu bemalen und zwar mit den geometrischen Mustern, die man auf den Schuhen der 1790er so häufig sieht.
Neben Material aus Altbestand entschloss ich mich in zwei Punkten auf Authenzität zu verzichten: die Schuhsohlen sind aus festem Gummi, das Leder im Aussehen und der Haptik sehr nahe kommt, und die Schuhe sind geklebt und nicht genäht. 
Zudem ist mein Leisten nicht aus den 1790ern, sondern ein paar Jahre/Jahrzenhnte später entstanden, aber für erste Gehversuche in einem neuen Handwerk (dessen Erfolg noch ungewiss war), wollte ich nicht erst in mühevoller Kleinarbeit einen neuen Leisten fertigen.
Instead of the coloured cotton, I decided to paint leather with a geometrical pattern common for the 1790s shoes in many collections.
I used material from old stock, but went away from authenticity in two things: the shoe soles are made of leather like rubber material and the mules are glued and not sewn.
Also the straight last isn't from the 1790s, but a tad later, still I felt it okay for the first few steps into a new craft, which outcome was quite uncertain.

Es stellte sich heraus, das Pantoffel-machen ist ein herrliches Vergnügen!
Nachdem das erste Paar fertiggestellt war, vertiefte ich mich noch ein wenig in die Geschichte der Schuhmacherei und Schusterei und Pantoffelmacherei der 1790er Jahre.
In großen Städten gab es neben den Schuhmachern auch spezialisierte Pantoffelmacher, allerdings war es ihnen versagt auch Schuhe zu fertigen, während Pantoffeln zum Repertoire der Schuhmacher zählten. 
Für die kleine Herstellermarke, welche noch so viele Schuhe in historischen Sammlungen ziert, entschied ich mich der Werkstatt des Schuhmachermeisters Johann David Felgenhauer wieder Leben einzuhauchen...und gibt es einen passenderen Namen für einen Schuhmacher?!
I found out that mule-making is such a delightful pastime! 
After the first pair was done, I delved deeper into the history of shoe-making, shoe-mending and mule-making of the 1790s.
There have been specialized mule-makers in the bigger German towns, but they weren't allowed to make shoes, while mules were part of the repertoire of shoemakers.
For the small shoe label with the maker's name, which is seen on so many shoes in historical collections, I decided to breathe new life to the shoe workshop of shoemaker Johann David Felgenhauer.
1799, Dresden zur zweckmäßigen Kenntniss seiner Häuser und deren Bewohner (Quelle/source: SLUB Dresden)
Einen weiteren tollen Fund bescherte mir durch Zufall Mme du Jard mit einer Quelle, in der detailliert über die Arbeit der Schuhmacher berichtet und zudem noch die Kosten einer Schuh- und Pantoffelanfertigung in Dresden aufführt wird.
Another great find was done by Mme du Jard, who kindly shared a link with a detailed text about the work of shoemakers and the costs/prices in Dresden for shoes and mules.
1779, Policey-und Cameral-Magazin nach alphabetischer Ordnung (Quelle/source: googlebooks)
Vor dem geistigen Auge weben sich die Fäden zu einer Geschichte, die ihren Anfang auf der berühmten Ostermesse in Leipzig nimmt, wo der Dresdener Schuhmachermeister Felgenhauer seine Pantoffeln vorgestellt hat.
Selbstverständlich ist die Damenwelt entzückt und die kleinen feinen Schuhe finden ihren Weg in die besten Haushalte der Stadt und von dort in die umliegenden Städte - dem Journal des Luxus und der Moden sei Dank - bis nach Weimar und schließlich nach Westfalen!
Imaginations starts to weave a story, which took it's beginning at the Easter Fair in Leipzig, where the Dresden shoemaker Felgenhauer introduces his new mules to the public.
The ladies are certainly delighted and the little shoes find their way into the best houses in town and in the neighbouring cities and - with the help of the Journal des Luxus und der Moden - to Weimar and finally Westphalia!
Felgenhauer Pantoffeln im Hause Schiller, im Hause Goethe und im Hause Kirms Krackow
Felgenhauer’s mules in the Schiller House, the Goethe House and the Kirms Krackow House
Die kleinen Pantoffeln schleichen sich auf klipp-klapp Sohlen in die gute Stube von Charlotte Schiller an der Esplanade in Weimar, auch im Haus am Frauenplan werden sie von Christiane Vulpius getragen und selbstverständlich fehlen sie auch nicht im Kirms Krackowschen Haus und Garten...ein Modetrend entsteht und die ortsansässige Modenhändlerin Mad.Oels kann sich vor lauter Nachfrage kaum retten!
The lovely mules sneak on clipp-clapp soles into the home of Charlotte Schiller at the Esplanade in Weimar, they are also worn in the house at the Frauenplan by Goethe's favourite Christiane Vulpius and of course they are seen in the Kirms Krackow house & garden...a fashion trend is spurring up and the local milliner shop owner Mad.Oels is overrun by demand!
…wenn das Journal des Luxus und der Moden heutzutage veröffentlicht hätte
...if the Journal des Luxus und der Moden would have published nowadays
Und was in Weimar die Mode beherrscht, darf in Westphalen nicht fehlen...also erging eine Bestellung und die Schuhe wurden mit großer Ungeduld erwartet!
An what is fashionable in Weimar, should not be missed in Westphalia...thus an order was made and the shoes were expected with great impatience!

Ein Paar Frauenzimmer Pantoffeln in blauem Leder und ein Paar in grünem Seidenzeugs
A pair of mules in blue leather and one in green silk


Fortan stehen die begehrten Frauenzimmerpantoffeln nicht nur am Bett von den Damen Schiller, Vulpius und Kirms, sondern auch in der westphälischen Provinz
From now on the desired mules are not only displayed in the bed chamber of the ladies' Schiller, Vulpius and Kirms, but also in Westphalia

So sollte jeder Morgen beginnen: mit Blick auf die Pantoffeln und Sophie!
This is how each morning should begin: with a glance of new mules and Sophie!
Aber selbstverständlich werden die Schuhe auch getragen! Und ich muß sagen, es ist ein seltsames Gefühl Pantoffeln, die auf gleichem Leisten gefertigt sind, zu tragen.
Aber das feine Leder umschmeichelt den Fuß recht schnell und auch die Mulde auf der Sohle über den Absätzen (siehe Original)  wird sich nach längeren Tragen zeigen.
But of course these mules are also worn! And I have to admit it feels strange at first to wear straight lasted shoes.
But the fine leather quickly embraces the feet and the little dent on the sole over the heels (see original) will show after some wearing.
Morgenstund hat Gold im Mund und Felgenhauers Frauenzimmer Pantoffeln an den Füßen
Praise the early mornings with Felgenhauer’s mules at your feet


Da nun der Herbst beginnt und ich genügend Zeit finden werde die Pantoffeln im Haus zu tragen, werde ich sicherlich demnächst noch einen kleinen Bericht über den Tragekomfort nachschieben können...und weitere Schuhe sind geplant. Ein Leisten mit spitzer Kappe ist bereits gefertigt und ich hoffe, bald wieder etwas aus dem Hause Felgenhauer vorstellen zu dürfen!
Für all jene, die auch schon lange von einem indivduellen, handgefertigten Paar Schuhen träumen, sich aber nicht an das Schuhmacherwerkzeug trauen, das Atelier Angelica Absenta erfüllt alle Schuhwünsche 💓
As autumn is about to be our host I will find enough time to wear the mules around the house, and hopefully I'll be able to add more about the comfort of wearing them...more shoes are planned. I've already carved a straight last with pointy front for the next Felgenhauer model.
For all, who dream about their own individual and handmade pair of shoes for quite a while, but do not dare to assemble them by themselves, the Atelier Angelica Absenta makes shoe dreams come true 💓