Freitag, 28. März 2014

1811 - 1815, Rijksmuseum Japon (Zeeuwse burgemeestersvrouw): De Rok

Der originale Rock ist von einfachem Baumwollstoff gearbeitet, was zunächst vielleicht einer Bürgermeisterfrau nicht angemessen erscheint, aber bedenkt man die Mühen, welche die Dekoration regelrecht verschlingt, erhält das Kleid selbst in der eigentlichen Schlichtheit des Stoffes, seinen herausragenden Wert...und die Schönheit.
Blau-weiß gewebtes Tuch war stets kennzeichnend für den Norden und wir finden den Stoff oftmals auch heute noch in Gebrauchsware wie Schürzen, Bettzeug und Haushaltstüchern.
Der Stoff des Originals wurde höchstwahrscheinlich mit einem Muster entlang der Webkante gearbeitet, anders ist der Musterverlauf einzelner blauer Striche inmitten der Karos nicht zu erklären.
Dem Stoff, den ich wählte, mangelte es an diesem Muster, weshalb ich meinem Rock ein individuelle Dekoration gönnte, ich folgte einfach dem 'Fluß des Fadens'.
The original skirt is made of plain cotton, which seems not quite appropriate for a mayor's wife, but considering the labour that went into the skirt's decoration, the dress - even in it's fabric's simplicity - gains it's value...and it's beauty.
Blue-white cottons (and linens) were typical for the North and even today it's popular in aprons, bed duvets and kitchen cloths.
The cotton for the original dress was very likely woven with a special pattern along the selvedge, and that's the explanation for the occurance of single blue lines inbetween the checks.
The fabric I've chosen lacks this pattern along the selvedge, hence I was forced to let the checks create their own design, I merely followed the 'trail of the threads'.

Paspeln wurden eingenäht und schmale Kordeln aufgenäht.
Piped bands were sewn in and tiny cords were sewn onto the fabric.

Der originale Rock hat einen Saumumfang von 2.20 Meter und besteht aus einem einzigen Stück, keine einzelnen vertikalen Stoffbahnen, wie sonst üblich.
Die Breite der Stoffe war damals schmaler, was darauf schließen lässt, dass der Rock in der Höhe gestückelt wurde. Auch ich mußte zwei Stücke verbinden, da die Paspeln einiges an Stoff 'verbrauchten'.
Mein Rock entspricht im Saumumfang dem Original, die Stoffbreite mit der ich gearbeitet habe beläuft sich auf 1.30 Meter.
The original skirt has a circumference of 2.4 yards and is made of one piece, instead of the common skirt panels.
The width of fabrics usually ran smaller in period, which implies that the skirt must have been pieced in lenght. I also had to connect two pieces in lenght, as the piping 'needed' lots of fabric.
My skirt has the same measurement around the hem than the original, my fabric's width is 1.4 yards.

Die Stelle an der die beiden Bahnen verbunden wurden (Rückseite)...
The connection between both pieces (back)...

...vorn verschwindet die Naht 'unsichtbar' hinter der Paspel.
...on the front the seam is invisible behind the pipe.
 
Beim Original sind es knapp über 60 Reihen Dekoration am Rock. Bei meinem Kleid sind es immerhin 38 Reihen geworden.
An dieser Stelle sei erwähnt, dass mich die Arbeit eine unglaubliche Hochachtung vor der Schneiderin des Originals gelehrt hat.
The original counts a bit over 60 rows altogether. My dress actually counts 38 rows.
I'd like to emphasize that the work truly has taught me an immense respect of the period seamstress(es).

21 Reihen/ 21 rows

34 Reihen/ 34 rows

Fertig - 38 Reihen - mit umgenähtem Saum/ done - 38 rows - and stitched down hem

Und da ich nicht widerstehen konnte, hier ein erster Eindruck, wie der Rock bzw das Muster der Dekoration getragen wirkt!
And because I couldn't resists, here's a first impression of how the dress and the hem decoration will finally look when worn!



Samstag, 22. März 2014

Morgenstund' hat ̶G̶̶o̶̶l̶̶d̶ Wein im Mund...

 Mühsal. Langeweile. Keine Elektrizität. 
Fehlende Annehmlichkeiten...
Oh, nein! 
An Anehmlichkeiten mangelte es unseren Vorfahren aus der Zeit der Romantik beileibe nicht!
Auch sie wussten, sich das Leben zu versüßen. Sei es nun mit Literatur, Tanz, Musik...oder eben mit: Süßem!
Das herrliche kleine Büchlein "Der elegante Theetisch" von 1809 aus der Feder von Francois René le Goullon (*01.Oktober 1777 in Metz +10.August 1839 in Weimar)
belegt seitenweise, wie köstlich das Leben sein konnte.
Ich schwöre, ich habe nie eine bessere Chocolade getrunken, als die nach dem Rezept des Mundkochs der Herzogin Anna Amailia!
Hardship. Ennui. No electricty.
A severe lack of amenities...
Oh, no!
Surely our ancestors of the period of Romanticism did not lack amenities!
They knew how to sweeten their lives. Wether it be literature, dance, music...or simply: sweets!
The amazing little book "Der elegante Theetisch" ('The elegant tea table') from 1809 written by Francois René le Goullon (*01.Oktober 1777 in Metz +10. August 1839 in Weimar) reveals page by page, how delicious life could be.
I swear, I've never had a better cup of chocolate, than that, which is described in a recipe by the chef confectioner and purveyor of the court of Weimar's Duchess Anna Amalia!


1809, Francois Le Goullon, Der Elegante Theetisch
(Quelle/source: googlebooks)

Die erwähnte Milch-Chocolade gehört zu dem Kapitel über Frühstücksgetränke und ich denke, besser kann man einen Tag nicht beginnen...allerdings gibt es auf der gleichen Seite ein Rezept, das dem ein oder anderen beim Frühstück wohl noch ein breiteres Grinsen auf das Gesicht zu zaubern vermochte:
The aforementioned milk-chocolate was in the chapter of breakfast beverages and I think, it's hardly impossible to get a better start into the day...although I have to admit, there's another recipe on the same page, which might magically bring an even brighter smile to some faces:

1809, Francois Le Goullon, Der Elegante Theetisch
(Quelle/source: googlebooks)

Das Rezept für etwa 6 Personen
 (Und ACHTUNG! Das Getränk ist nicht für Kinder geeignet!!!)
3 Zitronen (Abrieb und Saft)
6 Eier
250 gr Zucker
1 Liter Weißwein (!!!)

Transcription:
Grate the peel of three lemons on sugar, then add the juice of said lemons 
and put it into a pot/casserole with six eggs and half a pound of sugar.
 Gradually add one litre of wine, while beating it with a whisk on the fire, until it cooks and rises to the edge of the pot.
Pour it into chocolate cups and serve warm.
The recipe for 6 persons:
(WARNING: this recipe is not suitable for children)
3 Lemons (grated peel and juice)
6 eggs
250 gr sugar
1 litre white wine

 Zutaten für zwei (reichliche) Portionen des süßen, schaumigen und köstlichen Frühstückgetränks.
Ingredients for two (huge) servings of the sweet, frothy and delicious breakfast beverage.

Aber wie immer geht Probieren über Studieren, also wagen wir einen Blick in einen vielversprechenden Morgen des Jahres 1814...
But we all know the proof of the pudding is in the eating, or in this case: the proof of the breakfast beverage is in the drinking. Time to dare an episode of a promising early morning of the year 1814...

Sapajeau!!! Ob es wohl mundet?
Sapajeau!!! I wonder wether it's tasty?

 Nur ein kleines Schlückchen...
Only a wee nip...

...oh!!! Es ist lecker!
...oh!!! It is tasty indeed!

SEHR lecker!!! Vielleicht noch ein Tässchen...
Aber wie bei allem im Leben, sollte man wissen, wann genug ist...vor allem am frühen Morgen...
VERY tasty!!! A further cup would be lovely...
But we all should know when enough is enough, especially in the early morning...

Tipp: um einen Rest an Anmut zu wahren, sollte man in diesem Augenblick unbedingt (wie im Bild geschehen) zum vielzitierten Diadem greifen ;)
Advice: to retain a balance of grace, this would exactly be the moment to grab the much appreciated and promoted tiara (like shown in the photo above) ;)

Sonntag, 16. März 2014

Journal Journey into the Year 1811: März 'Journal des Luxus und der Moden'

Ein weiteres Mal ist es an der Zeit die Koffer zu packen, die Siebenmeilenstiefel zu schnüren
und uns auf die abenteuerliche Reise in das 
Jahr 1811 zu begeben.
Der vergangene Monat war geprägt von Einflüssen aus der Oper, fremdartigen östlichen Kulturen und  - bedingt durch die noch winterlichen Temperaturen - von viel Plüsch und Fellbesatz.
Mit dem März läutet sich der Frühling ein...
...und was bietet die Mode?
Once again it's time to get our suitcases ready, lace our seven-league boots and be 
prepared for an exciting journey into the 
year 1811.
The past month was influenced by the opera, exotic eastern cultures and - due to the
still winterly weather - by lots of plush and fur trims.
March finally heralds spring...
what do we have to expect fashion wise?

Journal des Luxus und der Moden 
März 1811
(Herausgeber/Verleger Friedrich Justin Bertuch, Weimar)
1811, Februar, Journal des Luxus und der Moden

Zunächst möchte ich besonders die weiblichen Leser mit einem kurzen Auszug 
(der auf wunderbare Weise den Humor unserer Vorfahren widerspiegelt)
auf die Reise einstimmen...
P.S. DIADEME BEREITHALTEN!!!
First of all I'd like to attune especially our female readers with a short excerpt
(which wonderfully reflects our ancestors wit and humor)
to this month's journey...
P.S. GET YOUR TIARAS READY!!!

Journal des Luxus und der Moden März 1811
II. Miscellen aus Cassel
Moden
Nicht zufrieden mit ihrer stillen Regentschaft, tragen jetzt alle Damen das Zeichen der Herrschaft an der Stirn; nämlich das Diadem.
Alle Aufsätze bilden vorn diese Verzierung, sogar Morgenhäubchen, damit der Gemahl gleich beim Aufstehen nicht vergesse, was er sey, nämlich Sclave seiner Königin. Diese Mode wird wohl bald allgemein werden, und nach den heilbringenden Folgen steht zu hoffen, dass sie länger als alle übrigen dauern werde.

II. Miscellanea from Cassel
Fashions
Not content with their silent regime, ladies now wear the sign of their reign on the forehead; namely the tiara.
All headwear sports this decoration, even on morning caps, hence the husband when getting up already is reminded, who he is, that is to say the slave to his queen.
This fashion will soon be common, and because of the salutary outcome, we do hope it will remain longer than previous fashions.
 1800 French Coral and gilt tiara (Quelle/source:1stdibs)

Jawohl!!!
Und nachdem wir alle von unseren Diademen gekrönt sind, wenden wir uns den Modekupfern zu,
in diesem Monat ist es allerdings nur ein einziger...und dazu noch mit Herrenbekleidung.
Yes!!!
And now that we're all crowned with our tiaras, let's take a look at the fashion plates, this month it is only a single one...dealing with gentleman's fashion.

XII. Erklärung der Kupfertafeln

Tafel 7: Ein Herr in Morgenkleidung: aus München eingesendet. – Unser Elegant trägt nach Art der pohlnischen Kurtkas (1) einen kurzen Oberrock oder lange Jacke (wie man es nennen will) von königsblauem Tuch, gleich bequem zum Promeniren oder Reiten. Dazu weite Beinkleider von weißem Casimir, und dazu einen neuen Hut en bateau (2) oder a la Robinson (3).
***Erklärungen/Anmerkungen***
(1) Kurtka (oder Kutka) ist das polnische/russische Wort für ‚Jacke’, die Bezeichnung findet sich auch für einen Uniformrock der etwa 1793 eingeführt wurde und während der napoleonischen Kriege folgende Merkmale trug: kurze Rockschöße und abzeichenfarbiger Brustbesatz
(2) Ein hoher oder halbhoher Hut mit breiter, stark gebogener Krempe
(3) in der Februar Ausgabe vorgestellt: (Zylinder-)Hut mit sehr kleiner gebogener Krempe

IX. Description of the copper plates
Plate 7: A gentleman in morning attire: sent in from Munich. – Our elegant is wearing a short overcoat or long jacket (call it as you’re pleased) in the fashion of polish Kurtkas (1) made of royal blue cloth, very comfortable for taking a stroll or go for a ride. He’s also wearing wide pantalons of white cashmere, and the latest hat en bateau (2) or a la Robinson (3).
***Explanations/Annotations***
(1)Kurtka (or kutka) is the polish/russian word for jacket, the term is also used for a uniform, which was introduced ca. 1793 and which was worn during the napoleonic wars. They had the following hallmarks: short tails and high waisted.
(2)  A tall or flat that with a wide, highly bent brim
(3) See February issue: (tall top -) hat with a small, highly bent brim

Sitzt das Diadem noch gut? 
Dann ist jetzt der rechte Zeitpunkt, um Paris zu erkunden, 
genauer gesagt das Einkaufparadies Palais Royal!
Still sporting the tiara?
Then it's the very right time, to discover Paris,
let's go to the shopping paradise at the Palais Royal!

XI. Miscellen und Modeberichte aus Paris
1. Spaziergänge im Palais Royal am letzten Abend des Jahres 1810 (Textauszug)

Paris im Januar 1811
…Das erste, was ein Fremder bei seiner Ankunft in Paris zu sehen wünscht, ist das Palais Royal; alle Reisebeschreibungen und alle zurückkehrenden Bekannten haben seine Erwartungen aufs Äußerste gespannt; da ist Paris, heißt es, und also die ganze feingebildete Welt mit all ihren Luxus und ihren raffinierten Bedürfnissen, Zerstreuungen und Vergnügungen auf einen Punkt concentriert…


XI. Miscellanea and Fashion Reports from Paris 
1. Walks at the Palais Royal on New Year’s Eve 1810 (text’s excerpt)

Paris in January 1811
…the first place a stranger wishes to see upon the arrival in Paris, is the Palais Royal; all travel journals and returning acquaintances have pushed the expectations to a peak; that’s Paris, it says, which means the whole sophisticated world with all their luxury and elaborate necesseties, distractions and pleasures concentrates there…
The Palais Royal in circa 1810 by Victor-Jean Nicolle (1754-1826)
(Quelle/source: Wikicommons)

…wenn das Palais Royal im ganzen Laufe des Jahres einen so überraschenden Eindruck machen kann, was wird es dann erst in den letzten Tagen des Jahres seyn, wenn ganz Paris dahin strömt, nicht bloß um da zu spazieren oder bloß durchzugehen, sondern mit dem ernsten Vorsatz, Neujahrsgeschenke einzukaufen? In allen Boutiquen wird der Glanz der Erleuchtung verdoppelt, der ganze Fond wird aufs lockendste ausgebreitet, durch tausend Künste und die Kauflust gereizt. Ein ungeheures Gewühl Menschen drängt sich in den langen Galerien und wie im Kreislauf verliert es sich in den Boutiquen und kommt wieder daraus zurück.
Die Laden der Modehändler zeichnen sich besonders durch die geschmackvolle, prächtige Anordnung und Ausschmückung aus, die kostbaren Shawlzeuche von der mannigfaltigsten Farbe hängen bunt durcheinander, doch nicht ohne kluge Berechnung des Effects und bilden zierliche Decorationen; die Goldschmiede, die Juweliere, die Ebenisten sind im Wettstreite, die Zuschauer durch Eleganz und Pracht zu fesseln; die Zuckerbecker und Bonbonhändler locken auch mit ihren Süßigkeiten in tausendfacher Gestalt und Gewand, so die Krämer der Spielzeuge und selbst die Buchhändler bieten eine viel mannigfaltigere Geistesnahrung und Geistesergötzung an…
…if the Palais Royal is capable to create such a surprising impression in the course of a year, what will it be like at the last day of the year, when everyone in Paris is gathering there, not for mere strolling and frolicking, but in earnest determination to purchase a New Year’s gift?
All shops double their luster of illumination, all goods are spread in most alluring and artful manner, to incite demand. An amazing crowd of people hustles along the galleries and, following a certain circulation, get lost in the shops and return.
The milliners shops display a particular tasteful, splendid arrangement and decoration, the most sumptuous shawls of multiple colours, hanging together, forming a beautiful embellishment; the gold smiths, the jewellers, the ebonists/ébénistes are in competition, to enthral the audience with elegance and beauty; the confectioners and sweets merchants coax the mass with their sweets in countless shapes and wrappings, as do the merchants of toys and even the book sellers offer diverse food for the mind…
 1798, Promenade de la galerie du Palais-Royal, Philibert-Louis Debucourt (1755-1832)
(Quelle/source: Wikicommons
…die Werkstätten der Perückenmacher sind immer zugleich Kunstkabinette von Wachsbüsten, wo jedes Alter und Geschlecht augenscheinlich sehen kann, wie es geschmückt und verschönert werden könne. Die blonden Haare der Jugend werden da den Greisen angeboten, liebliche Locken den kahlen Alten; Backenbärte dem Jüngling, den die Ungeduld treibt und der die Periode nicht abwarten kann, wo die Natur ihn mit diesem schönen Schmucke des Mannes ziert.
Fehlen Zähne, so findet man hier und da zierliche Rahmen, die an einem lieblich lächelnden Wachsgesicht zeigen, wie man eine in Trümmer geratene Kinnlade mit einer schönen Perlenreihe ausschmücken könne. Sogar ein neues Auge findet der, der eines der seinigen verloren hat.
…the workshops of the wig-makers with the wax busts are always like a cabinet of arts, where each age and sex gets an apparent idea, how it might get more embellished and beautiful. The blonde hair of the youth is offered to the aged, lovely curls to the bald; sideburns to the adolescent, who’s pushed by impatience and can’t wait for being adult, when maturity would finally bestow this natural adornment of a man to him.
If teeth are missing, there’ll be a fine frame, which displays on a lovely wax face, how an ailing foul jaw could be improved by a row of pearls. Even a new eye is offered to those, who have lost theirs.

1808, La partie de dames au café Lamblin au Palais-Royal, Louis-Léopold Boilly
(Quelle/source: Wikicommons)

Und nun zum Ende der monatlichen Reise werfen wir ein Auge auf die Mode selbst;)
And now towards the end of this month journey we might keep an eye on the fashion itself ;)

XI. Miscellen und Modeberichte aus Paris
2. Pariser Modeberichte (aus französischen Blättern)

Paris, 15. Januar 1811
Man besetzte mit Fransen anfangs die Spenzer, dann die Merinos=Redingoten, die Douilletten (1), und die Redingoten von Sammt; jetzt fasst man die Ballkleider mit goldenen und silbernen Fransen ein. Eine lange Schwungfeder, aber noch besser, ein Paradiesvogel, ziert die Toquen. Die Sammt-Toquen sind gewöhnlich von ponceau (2). Fast alle Atlas-Toquen sind weiß; die Ball=Corsets (3) werden aus weißen Atlasbändern und seidenen Blonden (4) zusammengesetzt. Zum Kopfputz werden Blumen getragen, die anstatt aus Batist, aus Sammt gefertigt sind;

20. Januar 1811
Sonst sah man bloß an den Uhrbändern der jungen Herrn Breloquen (5); jetzt sieht man deren auch an dem Halsschmuck der Damen. Bald ist es ein kleines Medaillon in Form eines tambour de basque (6), bald ein kleines goldenes Buch, oder eine Hieroglyphe in Form des Rades der Fortuna – doch das merkwürdigste und modernste ist ein kleiner goldener Dolch, welcher wahrscheinlich bei den meisten unserer schönen auf die Dame Lucrezia (7) hindeutet und das Symbol ihrer Tugend ist.

25. Januar 1811
Die Redingoten von schwarzem Sammt, dunkelblau, violet, ponceaufarbige Merinos mit Fransen, oder mit Marder aufgeschlagen; Atlas=Pelze, mit breitem Aufschlag von nordischem Pelzwerk, Douilletten, 6/4 Shawls mit Bouquets, und Pelz Pelerinen sind noch Mode; noch haben wir die Spenzer vergessen, welche sich von Zeit zu Zeit auf der terrasse des feuillans (8) sehen lassen; so wie Müffe weniger selten als zu Ende des vorigen Winters.
Viele Schuhmacher stellen Pelzschuhe aus, doch trägt man deren wenige: auch die Pelzhalbstiefeln (brodequins fourres) sind nicht häufig. Bei den Modehändlerinnen wird das Pelzwerk nur in schmalen Streifen zu Einfassungen gebraucht, doch ist dies nur künstliches Pelzwerk, nämlich: seidener Plüsch. Die großen Capothüte sind noch immer in der Mode, und auf der Seite jetzt entweder eine große Bandschleife, Blumen oder Federn.

31. Januar 1811
Einige sehr kalte Tage haben eine Menge Umwürfe (par dessus) hervorgelockt, dunkel und auch hellgrün, mit Marder besetzt. Als Kopfputz dazu, wie bisher, sehr große Capoten, viel mit Tulle garnirt, und mit einer großen Schleife geziert. Auch trägt man jetzt mehr schwarze Capoten als üblich war.
Zum vollen Anzuge erhalten sich die Sammtblumen als Kopfputz in die Haare. Die Coeffeurs gehen noch weiter, und machen Turbans von Tulle und Mousselin.

***Erklärungen/Anmerkungen***
(1) gefütterter Oberrock
(2) roter Farbton
(3) Kleidungsstück (zumeist aus kostbarer Seide), das über dem weißen Ballkeid getragen wird
(4) leichte, früher nur aus roher blonder Seide (daher der Name) gefertigte Spitzen
(5) Anhänger
(6) Tambour
(7) siehe Alessandras Erläuterung: Journal des Dames et des Modes No.3 http://pavillondelapaix.blogspot.de/2014/01/journal-des-dames-et-des-modes-janvier.html
Hier zeigt sich auch, dass die Information vor allem aus dem Journal des Dames et des Modes herrührten. Eine Abonnentin in Weimar war Mme Goullon, die Frau des berühmten Mundkochs Francois Goullon
(8) in Paris, entlang der Rue Rivoli, wo sich die Wohlhabenden im Winter niederlassen (aus „Schilderungen aus Paris“, 1839)

XI. Miscellanea and Fashion Reports from Paris
2. Parisian fashion reports (from French journals)

Paris, 15th January 1811
In the beginning fringe was added to spencers, then to merino-redingotes, the douillettes (1), and the redingotes of velvet; now ball gowns are trimmed with gold and silver fringe. A long plume, or even better a bird of paradise, adorns the toque hats. Velvet toques are usually made in ponceau (2). Most of the satin weave toques are white; ball corsets (3) are made of white satin ribbons and silk blondes (4). Flowers are worn as headdress, made of velvet instead of formerly used batist.

20th January 1811
Once only the watch fobs of young gentleman would sport breloques (5); nowadays they are also often seen embellishing the necklaces of our ladies. Sometimes it’s a small locket in the shape of a tambour des basque (6), sometimes a small book, or a hieroglyph in the shape of the wheel of fortune – but the most peculiar and modern is a small golden dagger, which possible for most of our elegant ladies is connected to Lucretia (7) and which is a symbol for her virtue.

25th January 1811
The redingotes of black velvet , dark blue, purple, ponceau-coloured merinos with fringe or trimmed with marten fur (or mink); satin furs, with broad trim made of northern furs, douillettes, 6/4 shawls with bouquets, and fur capes are still in fashion; still we’ve forgotten spencers, which are still seen on the terrasse des feuillans (8) from time to time; and muffs less often then during the previous winter.
Lots of shoemakers have fur shoes on display, but actually they aren’t worn often: even the fur half boots (brodequins fourres) aren’t widely spread. The mantua maker use fur only in small stripes for trim, and most often it is artificial fur, namely: silk plush. The big capote hats are still fashionable, they are trimmed with a big bow, flowers or feathers on one side.

31st January 1811
A few very cold days have introduced a lot of outer wear (par dessus), dark and light green in colour, trimmed with marten fur/mink. The matching headwear, like before, very big capotes, adorned with tulle, and with a big bow. Black capotes are favoured more than usual.
For full dress velvet flowers are still sported as headdress. The hairdressers go further and introduced turbans of tulle and muslin.

***Explanations/Annotations***
(1) padded outerwear
(2) red colour shade
(3) outer garment (most often made of silk), which goes on top of the ball gown
(4) delicate lace made of raw (blonde) silk
(5) locket, pendant
(6) tambour shaped
(7) see Alessandra’s description: Journal des Dames et des Modes No.3
http://pavillondelapaix.blogspot.de/2014/01/journal-des-dames-et-des-modes-janvier.html
Here we clearly see, that the information most often comes from the Journal de dames et des modes. A famous subscriber in Weimar was Mme Goullon, wife of the famous cook Francois Goullon
(8) in Paris, along Rue de Rivoli, we’re the high society usually spent their time during winter
(as read in “Schilderungen in Paris”, 1839)
Auch der März gibt sich im Bertuchhaus am Baumgarten in Weimar wieder sehr französisch, aber dennoch ist uns die Mode in Paris wieder einen Schritt voraus, meine Leser mögen sich ihren eigenen Eindruck bilden:
March seems also very french at the Bertuchhaus at Baumgarten in Weimar, but Paris is a step ahead, my dear readers may take a look themselves:

An dieser Stelle gebe ich ab an Alessandra für die neusten Moden aus Paris vom/
And now I like to direct you to Alessandra for the latest fashions of Paris from
und an Maggie für einen Überblick aus London/and to Maggie for an overview from London via
  "Ackermann's Repository",
sowie an Natalie für die Neuigkeiten vom Londoner Hof/and to Natalie for news from London's court
  "LaBelle Assemblée"

Mittwoch, 12. März 2014

Laaaaaaaaaangmut!

Es geht langsam voran.
Paspelreihe um Paspelreihe.
Geduld ist gefragt - die längst vergessene Langmut.
Und durch den gewählten Stoff, dessen Karo ein wenig kleiner als im Original ausfällt, entwickelt sich überraschend ein eigenes Muster, ein einzigartiges Kleid.
Progress is made slowly.
Row after row.
Patience is essential - the long forgotten trait.
And with the choice of my fabric, which scale is a bit smaller than in the original, surprisingly a unique pattern developes, a unique dress.

Ein Kleid wie ein Gedicht, aber statt dem Versmaß des Originals artig zu folgen, entschied sich mein Stoff für seine eigenen Zeilen.
A dress like a poem, but instead of following the rhyme of the original, my dress intended to find it's own poetry.

Ein Blick auf die linke Seite. In der ersten Reihe habe ich noch das schmale Paspelband aus dem vorhergehnden Beitrag benutzt, aber das erwies sich rasch als wenig geeignet, also verbreiterte ich die Bänder, sodass sie nicht mehr 
aus den gelegten Falten rutschen können.
Die ganz feinen Reihen sind nicht gepaspelt, sondern werden aufgenäht.
A view onto the left side. For the first row I've used the small piping band introduced in my previous post, but quickly I've noticed that it wasn't very suitable, hence I broadend the bands to prevent them to slip out of the pleats.
The very fine rows aren't piped, but topstitched to the fabric.

 Das Einnähen einer Paspel von Hand braucht etwa 40 Minuten.
Die mit winzigen Stichen aufgenähten Bänder mehr als 1 1/2 Stunden.
Sewing in the pipes by hand takes about 40 mins.
The tiny topstitches for the bands take more than 1 1/2 hours.

Aber die Mühe lohnt sich, denn der Rock dankt es und das Blau wird zu einem zarten hellgrauen Blau - ein Gedicht eben!
But it's worth all the patience, because the skirt is beautiful and the dark blue turns into a light greyish blue - it's poetry!

Samstag, 1. März 2014

...I'm going slightly mad!

Nachdem ich mich in den vergangenen Wochen und Monaten mit außerordentlichem Vergnügen der Mode der Frühromantik zugewandt habe,
steht der März (...und möglicherweise auch der April!) wieder im Zeichen
der kuriosen Kleidung der Hochromantik.
Schon seit langer Zeit steht ein bestimmtes Kleid unserer niederländischen Nachbarn im Rijksmuseum Amsterdam ganz weit oben auf meiner Liste, doch leider scheiterte das Vorhaben bislang an fehlendem Stoff...
...bis jetzt! Wiedereinmal hat der kosmische Stoffverteiler ein Einsehen gehabt und meine Suche belohnt.
Nach einem kurzen Schriftverkehr ergänzten die freundlichen Kuratoren vom Museum in Amsterdam die Beschreibung zum Objekt BK - 1983 - 44 und fütterten den Text mit noch mehr Details, vor allem über die Rückseite des Oberteils.
While I've spent the past weeks and month in utmost pleasure with studying the fashions of the early Romanticism, 
March (...and maybe April!) will be again dedicated to the curious garments of the era of high Romanticism.
For quite a while a certain dress from our wonderful dutch neighbours, namely the Rijksmuseum in Amsterdam, was fairly on top of my sewing wishlist, but unfortunately the project never made it on my table due to a lack of matching fabric...
...until now! Once again the cosmic fabric allocator kindly rewarded my search.
After a short email exchange the friendly curators of the Rijksmuseum added some very useful information to the description of object BK - 1983 - 44 with lots of new details, especially about the back view of the dress.

1811 - 1815, Japon door een Zeeuwse burgemeestersvrouw, Zeeland
 objectnummer BK - 1983 - 44 
(Quelle/source: Rijksmuseum, Amsterdam)

Was von einiger Entfernung wie ein einfacher Karostoff anmutet, enpuppt sich aus der Nähe betrachtet als feines Streifenmuster.
Diese besondere Musterung des Stoffes ermöglicht es, die feinen gepaspelten und die mit Kordel versehenen Reihen am Rocksaum derart anzuordnen, dass einige der waagerechten 'Karos' nicht mehr sichtbar sind.
Zudem verleiht es dem eigentlich blauen Muster einen eher grauen Schimmer.
What seems to be a common check pattern from a distance, reveals to be a pattern of stripes on close examination.
This specific patterning enables the rows of piping and cording to hide some of the horizontal checks and leaves other visible.
Furthermore it gives the actual blue colour a more greyish impression.

1811 - 1815, Japon door een Zeeuwse burgemeestersvrouw, Zeeland
Detail
 (Quelle/source: Rijksmuseum, Amsterdam)

Leider mußte ich bei meinem Stoff ein paar Abstriche im Bezug auf die Größe der Karos machen, 
was letztenendes das Paspeln ein wenig erschweren wird...und es wird dem Kleid insgesamt selbstverständlich ein eigenes Aussehen verleihen.
Unfortunately my plaids run a smaller scale, which will eventually result in more difficulties with adding the piping...and of course it will give the dress itself a unique and different look.

Zwei verschiedene Stärken für die Paspeln. Der Saum des Original besteht aus sechzehn Reihen breiter Paspeln, vierundzwanzig Reihen schmaler Paspeln und vierundzwanzig Reihen aufgenähter Kordel.
Entsprechend des Stoffmusters, werde ich vorraussichtlich je sechzehn Reihen breiter und schmaler Paspeln, sowie achtzehn Reihen Kordel anbringen.
Two different sizes for the piping. The hem of the Original is made of sixteen rows of large piping, twenty-four rows of small piping and twenty-four rows of topstitched cording.
According to my fabric pattern, I plan to sew sixteen rows of large piping, sixteen rows of small piping and eighteen rows of top-stitched cording.

Die Paspeln werden aus zugeschnittenem Baumwollstoff gearbeitet.
The piping is done from cut lenghts of cotton fabric.

Die Streifen sind 1 Zentimter, bzw 1,3 Zentimter breit und werden nach dem Zuschneiden auf die Hälfte gebügelt. Ein zeitaufwändiges, ja wahrscheinlich verrücktes Unternehmen, denn allein der Zuschnitt für die Hälfte der Paspeln nimmt schon über eine Stunde in Anspruch...
The stripes are .4 inches and 1/2 inch wide and are ironed in half after cutting. A time-consuming and probably rather silly project, as the cutting of half of the piping already took about an hour...

...aber die Muse am Nähtisch sagt: durchhalten!
...but the muse at the sewing table advocates: hang on!