Mittwoch, 29. November 2017

Sieh mal einer an! Ganz ohne Spott betrachetet: Lorgnetten

Das leidige Problem von uns Fehlsichtigen und einer entsprechenden Kur begleitet mich nun schon seit Jahren. In einem Beitrag aus den Anfangstagen dieses Blogs habe ich mich bereits ein wenig mit Sehhilfen auseinandergesetzt, um dann schließlich als Kurzsichtige bei Kontaktlinsen zu landen. Ich hatte bis dahin immer vermutet, dass mir die Linsen Schwierigkeiten bereiten würden, aber die Vermutung stellte sich glücklicherweise als haltlos heraus.
Aber wir werden alle älter und mit den Linsen korregierte ich zwar meine Kurzsichtigkeit, allerdings verschwammen zunehmend die Buchstaben vor meinen Augen. Bei einem Buch hilft noch der langgestreckte Arm, aber leider entgingen mir auf Reisen in die Vergangenheit auch manche Details von Pretiosen in Vitrinen.
 Ich blieb den Linsen treu und ließ beim örtlichen Optiker meine Brille als Lesebrille umarbeiten, was dazu führte, dass ich sie immer aus dem Retiküle kramen musste, wenn ich mir etwas näher anschauen mochte. Zudem muß ich gestehen, dass mich auch ein wenig die Eitelkeit gepackt hat, denn die Brille ist alles andere als kleidsam.
The exasperating problem of ametropia and it's cure is my constant companion for years. In an article from the early days of this blog, I already wrote about eyewear, while I eventually have chosen contact lenses. I always assumed that I would have difficulties wearing them and avoided them in my daily life, but luckily these assumptions have been proven false.
Well, we all get older and though the lenses helped me cure my myopia, letters gradually started to blur before my eyes. With a book there's always the option to read  it with stretched arms, but it was annoying to not be able to see museum' pieces up close on display.
I still kept my lenses and went to the optician to have my glasses turned into reading specs, which led to the fact that I always had to search in my reticule, when I intended to look at something more closely. I also have to admit that vanity stroke, because the specs were less than appealing.
Reproduktion von Jas Townsends
Ich studierte also das Journal des Luxus und der Moden und stieß im Jahr 1788 auf einen modebewussten Herren, der eine Lorgnette in den Händen trug (um die Welt aus allen Perspektiven betrachten zu können!). Dank dieses Pariser Elegants nahm ein amüsanter, aber nicht wissenschaftlicher Ausflug in die Welt der Optik ihren Anfang.
Nun war es so, dass man Elegants, Stutzer, Gecken, Incroyables und welche illustren Titel sie noch trugen, doch immer mit viel Spott betrachtete und man von der Mode der Augengläser nicht viel hielt, solange bei dem Träger keine myopische Notwendigkeit vorlag.
Eine Modetorheit - mal wieder!
I started to study the Journal des Luxus und der Moden and finally met a fashionable gentleman, who carried a lorgnette with him (to see the world from all perspectives). Thanks to this Parisian Elegants, I took a pleasant, but not academic journey into the world of optics.
It was evident that elegants, fops, peacocks, incroyables and so forth, were always centre of mockery and hence the new fashion was regarded as ridiculous as long as there wasn't a myopic reason.
A fashion folly - again!
1784, 30.Oktober, Das Wienerblättchen, Der Fremde und der Fiakre (Quelle/source: googlebooks)
Transkription:
Ich möchte die Straße sehen,
Wo Menschen-Rezensenten stehen,
Wo alle Modenfabrikaten,
Und alle Stutzer und Pendanten,
Den ganzen lieben Tag logieren,
Und wo sie lavaterisieren,
Und durch Lorgnetten kritisieren
Translation:
I'd like to see the street,
where people-reviewers meet,
Were all fashion manufacturer,
all fops and pedants,
stay all day long
and talk
and critisize through their lornettes
Die Satireblätter über die Herren mit Lorgnetten sind weitverbreitet und es gibt viele Schauspiele, in denen sie spöttisch zum Thema werden.
Bei der Damenwelt braucht es noch ein bisschen Zeit ehe die Mode auch dort Fuß fasst...oder sollte ich besser sagen, ins Auge fällt.
Das Journal des Dames et des Modes veröffentlicht erstmal 1797/98 einige Modekupfer mit den Augengläsern. Zehn Jahre nachdem der modesbewusste Pariser Elegant im Journal des Luxus und der Moden mit Lorgnetten auftauchte, stellte man sich in Weimar, was die Damen und Modekupfer angeht, weiterhin sprichwörtlich blind.
The satire prints were full of gentlemen with lorgnettes and there were also quite a number of plays, where the wearer of lorgnettes were mocked.
The fashionable ladies were more hesitant to adapt this fashion.
The Journal des Dames et des Modes first printed some fashion plates with lorgnettes in 1797/98. Roughly ten years after the Parisian Elegant with his lorgnette was published in the Journal des Luxus und der Moden, the Weimarian publisher kept silent about ladies wearing them, no fashion plate showed this french fashion.
An7 (1798), Journal des Dames et des Modes, Costume Parisien No.157 (Quelle/source: via pinterest)
An7 (1798), Journal des Dames et des Modes, Costume Parisien No.118 (Quelle/source: via pinterest)
1798, Journal des Dames et des Modes Frankfurter Ausgabe, Costume Parisien No.28 (Quelle/source: via pinterest)
Lorgnette bedeutet ursprünglich Fernglas, daher kommt es - wie man in den Kupfern erkennt - in verschiedenen Ausführungen daher und zudem wird es bald nicht nur zur Korrektur der Kurzsichtigkeit genutzt, sondern auch um das schwache Auge beim Lesen zu unterstützen.
Die Damen nehmen der Mode den Spott und verbeiten die Lorgnette als hilfreiches und zugleich modisches Accessoire.
Lorgnette originally meant spy glass, this has led - as seen in the prints above - that different styles were available. They also started to be manufactured as reading aid. 
The fashionable ladies took away the mockery, instead it became a helpful and stylish accessory.
ca.1790er Enri-Nicolas Van Gorp, Femme a la lorgnette, Musée des Beaux-Arts de Rouen (Quelle/source: wikimedia commons)
1804, Vladimir Borovikovsky, Графиня Любовь Ильинична Кушелёва/La Comtesse Lyubov' Il'inichna Kushelova (Quelle/source: wikimedia commons)
1804, Vladimir Borovikovsky, Графиня Любовь Ильинична Кушелёва/La Comtesse Lyubov' Il'inichna Kushelova, Deatil (Quelle/source: wikimedia commons)
Und was die Damen um 1800 zur Mode erhoben haben, sollte auch die Lösung für meine Fehlsichtigkeit werden. 
If it's the fashionable ladies delight around the year 1800, it sure is also the solution for my ametropia. 
Das kleine Fernglas misst insgesamt 7 x 3.5 Zentimeter. Das Glas selbst ist nur 3.2 x 2.5 Zentimeter.
Der Goldton deutet auf Messing.
The little spy glass measures 7 x 3.5 Centimetre. The glass itself is only 3.2 x 2.5 Centimetres.
The golden shade indicates brass.
Wie man erkennt, leistet es immer noch gute Dienste und so wird mein Werther auch wieder lesbar.
As you can see, it still works well and I can finally read my Werther again.
 
Die Lorgnette ist sehr fein gearbeitet, der Rand der Einfassung ist facettiert, ebenso wie der Ring.
The lorgnette is worked en detail, the edge of the glass and the ring are nicely faceted.
Wiedermal ein hübsches und dabei sehr nützliches Schmuckstück - ganz nach meinem Geschmack!
Another beautiful and useful jewellery - after my own taste!

Dienstag, 21. November 2017

Tröstliche Erinnerung

An anderer Stelle habe ich sicherlich schon mal erwähnt, dass ich nicht zu übermäßigen Huldigungen für Gold-, Silberschmiede und Juweliere neige. Reichlich mit Gold und Diamanten behangene oder bekrönte Damen sieht man in der Zeit der Frühromantik auch eher selten, Schmuck war stets schlicht und die Klugheit der Damen war oft ihre schönste Zier.
Dennoch wollte ich eine kleine Erinnerung an meine Muse am Nähtisch, mit der ich immerhin den Blog gegründet hatte. Die Arbeit an dem kleinen Schmuckstück tätigte ich bereits im Mai.
Übrigens finden sich einige satirische Blätter über Katzenfreundinnen um 1800. Ja, damals wie heute spottet man gerne über diese Damen! Aber dem Spott trotzen wir unbeeindruckt (seit Jahrhunderten!).
I've surely mentioned here and there, that I hardly ever get really excited when it comes to the works of gold or silversmiths and jewellers. Paintings or plates of shiny and glittering ladies from the early romanticism are a rare find, jewellery used to be simple and sober and the most beautiful adornment usually was a bright mind.
Nevertheless I felt the need for a memory of my muse at the sewing table, who founded this blog with me. I already assembled the little mourning jewellery back in May.
By the way, there are quite some satire copper prints about period cat lovers. Yes, back then and still today these ladies often are mocked! But we brave the mockery unimpressed (for centuries!)
1794, Old Tabbies are attending a favourite cat's funeral Museum No. 1861,0518.996 (Quelle/source: British Museum)
Während meiner Arbeit bzw der begleitenden Recherche entdeckte ich allerdings interessante Begriffe, die mir bislang nicht geläufig waren.
Zum Thema Trauerschmuck selbst gibt es unzählige Beiträge im Internet zu finden und auch die Fertigung meiner Arbeit stellte keine Schwierigkeit dar, aber die Begriffe der Juweliere und in den Bijouterien waren eine Herausforderung. Trauerschmuck fand sich an Halsketten und Ringen, aber wie bezeichnete man damals die kleinen Gedenkbilder?
During my work and the research I also discovered some terms, which I wasn't quite familiar with.
There are plenty of articles on mourning jewellery on the internet and assembling my work wasn't a challenge, but the terms used by jewellers and in bijouteries were difficult to find. Mourning jewellery was made into chains and rings, but how were the little pieces of art called, which adorend them?

1802, Krünitz, öknomisch-technologische Encyklopädie, Band 86, Tafel 13 (Quelle/source: googlebooks)
1802, Krünitz, öknomisch-technologische Encyklopädie, Band 86, Seite 514 (Quelle/source: googlebooks)
Transkription:
[...]Bei den Goldarbeitern und Galanterie-Krämern ist Medaillon ein Anhängerschmuck, den besonders die Damen am Halse zu tragen pflegen, und der zur Einfassung eines Gemähldes, Schattenrisses, der Haare und dergleichen dient. Am gewöhnlichsten bestehen sie aus einer mehr oder weniger kostbaren Einfassung mit geschliffenen Gläsern. Doch hat der erfinderische Geist der Künstler und der Liebhaber dieses Schmuckes auf unzählige Veränderungen gedacht, wovon hier ein paar Beispiele folgen.
Fig. 5050 Ein großes ovales goldenes Medaillon, mit einer Perleneinfassung. Die Vorderseite erhält auf einem dunkelblau emaillierten mit einer feinen goldenen Zierkette umschlungenen Grunde eine große Haarlocke, welche mit kleineren Haarschleifen von anderer Farbe umbunden ist. Die Rückseite ist mit rautenförmig geflochtenen Haaren von zwei verschiedenen Faren bedeckt, hat eine Einfassung von gesponnenem Golddraht, und in der Mitte die aus kleinen Perlen zusammengesetzten Buchstaben EW welches die Namensbuchstaben der Kinder sind, denen die Haare auf dieser Seite angehören. Unter diesen Buchstaben ist auf dem Haargrunde etwas Laubwerk mit weißer Farbe gemalt, worauf kleine Rosen von Perlen befindlich sind. Gekostet hat es etwas über 80 Rthlr.[...]
Translation:
[...]Goldsmiths and jewellery merchants call the lockets mediallons, which are preferably worn by ladies around the neck, and which hold a painting, silhouette, hair and such. usually they are made of some kind of precious framing with glass. The artists have made up plenty of different varieties of this kind of jewellery, here's an example.
Fig.5050 A big oval golden medaillon, with a pearl border. The front, made of dark blue enamel emeblished with a tiny golden chain, shows a ringlet, which is adorned with tiny ribbons in different colours. The back shows a braided piece of two different hairs and is bordered by golden wire. In the middle we see pearls arranged to the letters EW, which are the names of the children. Below the letters leafs are painted with white, on top tiny roses made of pearls. It's price was a bit above 80 Rthlr[...]

Ein Medaillon also...und es gab verschiedene Arten es zu tragen. Am Halse mit einer Kette, war am häufigsten zu sehen...
It's called a medaillon...and there are different ways to wear it. With a chain around the neck was most common...
1799, Vladimir Borovikovsky, Maria Norova (Quelle/source: wikiart)
...oder selten auch am Busen angeheftet.
...or less often pinned to the bossom.
1806, Jean Jaques Guillaume Bauzil-Koc, Maria Isabel de Borbon (Quelle/source: Museo del Prada)
Ich wählte ein Medaillon an einem Florband aus schwarz gefärbter Seide. Das Medaillon ist silberfarben und wird mit einem Glascabuchon geschlossen.
Als Vorlage diente ein wunderschöner zeitgenössischer Trauerring mit der Darstellung einer Urne, der ich eine Katze zufügte.
I've chosen my medaillon to be worn with a black silk ribbon. The medaillon is silver coloured and closed with a glass cabouchon.
The inspiration was a beautiful period mourning ring with the depiction of an urn, to which I added a cat.
Das Medaillon misst 3.5 x 4.5 Zentimeter
The medaillon measures 3.5 x 4.5 Centimetre

Die Rückseite
The back
 Mitsamt der Seidenschleife. Ringsum der Spruch des originalen Rings lautet "vivra dans mon coeur"
With the silk ribbon. The medaillon reads "vivra dans mon coeur"

Die Frage, die sich als nächtes stellte, war die nach einer Befestigung. Ich hatte bereits eine schlichte Nadel gewählt als mich Kerstin in Weimar mit einem wunderschönen Schmuckstück überraschte. Eine englische Brosche aus cut steel oder geschnittenem Stahl. Aber verwendete man um 1800 überhaupt das Wort Brosche? Meine Suche durch diverse Wörter- und Waarenbücher der Zeit blieb ergebnislos. Fündig wurde ich erst bei dem Begriff "Agraffe", der auch im Journal des Luxus und der Moden verwendet wird.
The next question was on the attachment. I already had decided on a plain needle when Kerstin surprised me with a beautiful English cut steel brooch in Weimar. But was the term brooch common in  around 1800? My search in different dictionaries failed. Eventually I stumbled over the term "agraffe", which was also used in the Journal des Luxus und der Moden.
Die Maße der Agraffe sind 3 x 2 Zentimeter und somit passt sie wunderbar zum Medaillon.
The measurements of the agraffe are 3 x 2 Centimetres, which is a perfect match to the medaillon.

1802, GFA Schöner, Henriette Herz (Quelle/source: Stadtmuseum Berlin)

Auf diese Weise kann ich meine kleine Muse weiter bei mir tragen.
This way I have a memory of my little muse with me.

Donnerstag, 16. November 2017

Internationales Copyright 1794/95...wie bitte?

Wer mit meinen Beiträgen der letzten Jahre vertraut ist, der weiß um meine Begeisterung für die damals weit verbeiteten Journale, allen voran das Journal des Luxus und der Moden in Weimar. In der Tat empfinde ich das Stöbern in den Ausgaben so aufregend wie ein Thriller auf den vorderen Plätzen der Bestsellerlisten. Mit diesem Wissen mag es nicht verwundern, dass ich in den letzten Wochen recht häufig dem Geruch alter Bücher und dem fahlen Licht des Bildschirms ausgesetzt war.
Seit meinen Aufsätzen "Abgekupfert - the tale of two cities" und "London 1793 - When the pad went fad (oder: Wie das Schwangerschaftspolster zum Geburtshelfer der hohen Taille wurde" ließ mich das Thema der Verbreitung von Modeneuigkeiten quer durch Europa nicht mehr los.
Nach meiner langen Abwesenheit möchte ich meine werten Leser also heute höflich darum bitten, sich ein wenig Zeit zu nehmen (und vielleicht eine Tasse Tee), um meinem neuen Aufsatz zu folgen, der in Helmina von Chezys Gedenken nichtakademisch gehalten ist...oder wie es Johann Wolfgang von Goethe - keinesfalls herabwertend - als dilettierend bezeichnet hätte.
Those, who know my articles from the past few years, are familiar with my enthusiasm for the fashionable journals, first and foremost the Weimarian Journal des Luxus und der Moden. Actually I feel leafing through these publications is as exciting as the latest thriller on the bestseller list.
Knowing my preferences, it might not be a surprise that I surrounded myself with the smell of old books and the dim light of the laptop screen in the past weeks. Ever since I published the articles "Abgekupfert - the tale of two cities" and "London 1793 - When the pad went fad (oder: Wie das Schwangerschaftspolster zum Geburtshelfer der hohen Taille wurde" I was hooked by the idea how fashion was spread back then.
After a long abscence, I'd kindly ask my dear reader to be prepared for a long read (have a cup of tea while following me), which will be according to Helmina von Chezy a non academic article.

Auf der Suche nach Quellen für das sogenannte Schwangerschaftspolster, führten mich die ausgelegten Spuren der damaligen Journalisten von England über die Niederlande bis nach Deutschland. Während sich das Journal des Luxus und der Moden im Jahr 1793 noch naserümpfend über die englischen Einflüsse zeigte, änderten sie bald ihre Meinung und im Dezember 1794 beugt sich Bertuchs Publikation dem Modewunsch.
On my search for further sources about the famous pad, the traces of the period journalists led me from England to the Netherlands to Germany. While the Journal des Luxus und der Moden was quite sniffish on that particular fashion in 1793, they gradually changed their mind and eventually Bertuch published a much more moderate article on english fashion and influence.
1794, Dezember, Journal des Luxus und der Moden, Weimar (Quelle/source: Heinrich Heine Universität, Düsseldorf)
Transkription:
[...]Sie haben mehrmals in ihrem Journale Deutschland für der Angolmanie gewarnet, und ziemlich sicher vorausgesagt, dass unsere reiche, luxuriöse und genießende Welt von der Französischen auf die Englische Modesucht übergehen, und sich mit heißem Durste in dies Meer stürzen werde. Ihre Prophezeiung scheint zum Teil schon richtig erfüllt zu sein, zum Theil es noch zu werden; denn es ist unverkennbar das Anglomanie in allem, was sich auf Luxus, Wohlleben und Genuss bezieht, mehr als jemals bei uns allgemein wird. Sammeln sie selbst nur einige Züge davon. Unsere Damen tragen jetzt Englische kurze Taillen (und verunstalten damit ihren schönen schlanken Wuchs);[...]
Translation:
[...]You've warned Germany in your publication about the anglomania several times before, and forcasted that our wealthy, luxurious and joyful world would change from the French to the English fashion addiction, and drown with deep desire into the sea of fashion. Your prophecy already seems to be fulfilled in some part, and still is in progress: it is unmistakable that the anglomania is into everything about luxury, good living and pleasure, and that it became common. See how far it has influenced us. Our ladies wear the short waists (and disfigure their beautiful slim body);[...]

Gewisse Spitzen konnte man sich in Weimar gegen die neue Englische Mode nicht verkneifen und versuchte immer noch die kurzen Taillen in den Modekupfern zugunsten der altbewährten Form zu meiden, aber in Berlin dachte man darüber scheinbar anders, denn bei meiner Suche stolperte ich über eine ungewöhnliche Publikation aus dem preussischen Berlin, die sicherlich nicht nur mich fasziniert, sondern auch Luise von Mecklenburg-Strelitz Modegeschmack widerspiegelte. Seit dem Jahr 1793 war sie Königin von Preußen und wohlmöglich kam ihr die Englische Mode da gerade recht, denn im Oktober brachte sie nach einer Todgeburt im Jahr 1794, den Thronfolger zur Welt. Es existieren einige Portraits von Friedrich Georg Weitsch (1758 - 1828) zwischen 1793 und 1795, welche die Königin in der kurzen Taille zeigen.
 Folgende Anzeige erschien im Journal für Fabrik, Manufaktur, Handlung und Mode im Jahr 1795 bei Voss & Comp. in Leipzig:
Certain snarky remarks remained common in Weimar about the new English Fashion and we still see only very few short waists in the fashion plates, but things seemed totall different in Berlin, because on my search I stumbled upon an unusual publication from prussian Berlin, which probably not only fascinates me, but might also display Louise of Mecklenburg-Strelitz sense of fashion. Since 1793 she was Queen of Prussia and it's highly likely that the new fashion came in handy as she gave birth to her first son and heir after suffering a stillbirth in 1794. There are some portraits by Friedrich Georg Weitsch (1758 - 1828) between 1793 and 1795 showing her in the latest fashion of the short waist.
The following advert was published in the Journal für Fabrik, Manufaktur, handlung und Mode in 1795 at Voss & Comp. in Leipzig:
1795, Journal für Fabrik, Manufaktur, Handlung und Mode (Quelle/source: googlebooks)
Transkription:
[...]Moden-Gallerie eröffnet von Friedrich Nitze und Compagnie in Berlin 1795. gr.4 Berlin in Commission bei Ernst Felisch Pränummerationspreis 6 Thlr. jedes einzelne Stück 16 Gr
Jährlich erscheinen 12 Hefte, jedes mit zwey, auch drey gestochenen und kolorierten Kupfertafeln[...]
Translation:
[...]Moden-Gallerie opened by Friedrich Nitze und Compagnie in Berlin 1795. gr.4 Berlin in commission by Ernst Felisch. Price for 12 issues 6 Thlr, each one 16 gr.
12 issues per year, each with two or three printed and coloured fashion plates[...]

Es handelte sich um keine Modehandlung, sondern um eine Veröffentlichung von Friedrich Nitze, einem umtriebigen Berliner Händler...und irgendwie kam mir der Titel vertraut vor: Moden-Gallerie? Fashion Gallery? 
Volltreffer! 
Eine spannende Kopie von Nikolaus Heideloffs (1761 - 1837) Publikation aus London!
It wasn't a fashion store, but a publication about fashion from Friedrich Nitze, a businessman from Berlin...and somehow the title seems familiar: Moden-Gallerie? Fashion Gallery? 
Bingo!
It's a fascinating copy of Nicholas Heideloff's (1761 - 1837) publication from London!
(links) 1794 Nicholas Heideloff's gallery of fashion, Frontispiece (Quelle/source: Huffpost) (rechts) 1795 Moden-Gallery Erste Abtheilung Frontispiz (Quelle/source: googlebooks)

Aber eine Kopie im Jahre 1795 bedeutete etwas anderes, denn zum einen gab es kein Copyright und zum anderen wurden alle Bestandteile des Drucks neu gefertigt. Durch Zufall gelang es mir ein Blatt aus der Publikation zu ersteigern. Dieser Kupferstich ist nicht koloriert, gibt aber die Maße der Publikation wieder, die beinah genau dem Maß von Heideloffs Londoner Original entspricht.
But a copy in 1795 meant something completely different than today, first off all there was no copyright and then all parts of the new publication have been made from scratch. Luckily I was able to purchase one of the rare fashion plates from the copy. The print isn't coloured, but it gives a good idea of the measurements, which are almost the same as in Heideloff's original.
 Maße von Friedrich Nitze Moden-Gallerie erste Abtheilung 23.5 x 30 Zentimeter (Gr.4 Quart)
Measurements of Friedrich Nitze Moden-Gallerie Erste Abtheilung 1795 9 1/4 x 11 7/8

November 1794, Nicholas Heideloff's Fashion Gallery, Fig.28/30 Two ladies at breakfast in their dressing room, (image) Material ID  000733000 Bib.ID SB00002307 (Quelle/source: Bunka Gakuen Library)
Es ist auf den ersten Blick zu erkennen, dass in der Ausgabe von Friedrich Nitze, die wohl im April 1795 publiziert wurde, die Damen von ihrem Ankleidezimmer in den frühlingshaften Garten umziehen durften. Das schöne silberne Teeservice durften sie dabei selbstverständlich mitnehmen.
It's evident from the very first glance, that the ladies in Friedrich Nitze's copy, which was probably published in April 1795, were allowed to move from the dressing room into the spring garden. The beautiful and unique silverware tea set would follow...of course.

Verantwortlich für diesen Umzug in den Garten waren der renommierte Künstler Johann Christoph Kimpfel (1750 - 1805) und der Kupferstecher Wilhelm Arndt (1750 - 1813).
Sie interpretierten das originale Blatt von Heideloff neu.
The responsibilty for the move into the garden was taken by the artist Johann Christoph Kimpfel (1750 - 1805) and the engraver Wilhelm Arndt (1750 - 1813).
Both intrepreted the original print into their version.

Aber nicht nur der Kupfer selbst unterlief einer Veränderung, sondern auch der Text erschien in einer Interpretation. Zunächst das Original aus Heideloff's Feder:
But not only the plate was changed accordingly, the text also was newly interpreted. First Heideloff's description of the plate: 

[...]TWO LADIES AT BREAKFAST IN THEIR DRESSING-ROOM.
Fig.XXIX Head-dress. A french night cap, the cawl of worked muslin, with a double border of lace in half plaits; round the head, a broad striped riband quilled, with a large bow behind, and in front. The peignoir, or loose jacket and petticoat of checker muslin, with a very broad hem, and the trimming of plain muslin scalloped. Large muslin handkerchief within the peignoir. A narrow riband tied around the waist. White mules, or slippers.
Fig.XXX. Head dress. Duke of York's night cap of clear muslin, the plaits drawn together at the top, and trimmed with a narrow lace, the whole tied around with a small pink riband; deep border edged with the same lace, falling carelessly round the face; a pink riband round the head, tied in a bow behind. Gown and petticoat of fine calico; the petticoat trimmed with a deep flounce of plain muslin; the gown with a capuchin cape and long sleeves tied at the wrists with pink riband; the whole trimmed with plain muslin. Large muslin handkerchief within the gown. Red Morocco slippers.

Nach der etwas nüchternen Beschreibung der Kupferstiche im Original folgt die Übersetzung in Nitzes Kopie mit einem charmanten Einschub:
After the quite sober description of the fashion plates in Heideloff's original, here's Nitze's translation into German with a charming insertion:
1795, Moden-Gallerie Erste Abteheilung (Quelle/source: googlebooks)
Bevor ich auf den Einschub in Nitzes Text eingehe, zwei Punkte, die sofort in das geübte Auge fallen. Zum ersten verwendet der Herausgeber bei seinem Druck nicht die Fraktur, sondern ganz weltmännisch die Druckschrift Didot-Antiqua.
Noch erstaunlicher aber, dass er die Damen in seiner Überschrift der Modekupfer rasch zu Berlinerinnen macht! Soviel Selbstbewusstsein lässt einen schmunzeln!
Before I translate and explain the insertion, I'd like to point out two things, which seem important.
Firstly the publisher printed the journal not in the old fashioned print type "Fraktur", but in Didot-Antiqua.
Furthermore he changed a part of the headline of the decription and turned the two English Ladies into Berlin ladies! Such self confidence!

Text des Einschubs:
[...]Die Schöne hat ihren Matthisson halb zugeschlagen in der Hand und bespricht sich über eine Stelle, welche ihr vorzüglich viel Vergnügen gemacht zu haben scheint, mit ihrer aufmerksam zuhörenden Freundin, die darüber das Theeeinschenken vergessen hat[...]
Text of the insertion:
[...]The Beauty holds her Matthisson half closed in her hands and talks to her attentive friend about a chapter, which seems to give her much pleasure, while she totally forgets to serve more tea[...]

Die Erwähnung von Friedrich von Matthissons (1761 - 1831) berühmten Gedichtband, der bei dem Züricher Verlag Orrell Füssli erschien, scheint willkürlich, aber immerhin führte es dazu, dass Wilhelm Arndt wenige Jahre später einen Kupfertsich des Lyrikers für den Verlag fertigte...Zufall?
The mention of Friedrich von Matthisson's (1761 - 1831) famous poems, which were published by the Zurich's Publisher Orrell Füssli, seems random, but we know that only a few years later Wilhelm Arndt would publish the print of the poet for Orrell Füssli...coincidence?
"Lass uns Matthissons Gedichte lesen..."
"Shall we read Matthisson's poetry..."

1795, Moden-Gallerie Erste Abtheilung, Friedrich Nitze & Comp., Berlin unkoloriert (Quelle/source: googlebooks)
1795, Moden-Gallerie Erste Abtheilung, friedrich Nitze & Comp. Berlin, koloriert, No.E.21667-1957 Versehentlich Nicholas Heideloffs Gallery of Fashion zugeschrieben (Quelle/source: V&A Museum, London)

Und wie reagierte nun Weimar auf den selbstbewussten Friedrich Nitze und seine Kopie des berühmten Londoner Journals? Noch etwas zögerlich setzte das Journal des Luxus und der Moden nur einen Monat später im Mai 1795 das Puderjäckchen in einem Modekupfer um.
And how did Weimar react to the self-confident Friedrich Nitze and his copy of the famous London journal? Still a bit hesitant the Journal des Luxus und der Moden published a fashion plate only one month later in May 1795 with a similar peignoir.
Mai 1795, Kupfertafel 14, Journal des Luxus und der Moden Ident Nr. 14134835 (Quelle/source: smb Staatliche Museen Berlin)
Das freizügige Kopieren verbreitete die Mode aus England Mitte der 1790er rasch durch Europa und es lohnt sich wirklich die Modekupfer mit wachen Augen zu betrachten. Es ist spannend zu sehen, welche Unterschiede bei der Anfertigung der jeweiligen Druckvorlagen entstanden sind und wie im jeweiligen Text der Modedrucke Botschaften vermittelt wurden.
The widely spread practice of copies passed the English fashion in the mid 1790s all over Europe and it is truly rewarding to look at the fashion plates with keen eyes. It's exciting to spot the differences and read the text with their unique messages.
June 1795, Heideloff's Gallery of Fashion, Fig IV. Material ID  000733000 Bib.ID SB00002307 (Quelle/source: Bunka Gakuen Library)
September 1795, Moden-Gallerie Erste Abtheilung Friedrich Nitze & Comp. Berlin (Quelle/source: googlebooks)

Dezember 1795, Allgemeines Europäisches Journal, Traßler, Brünn (Quelle/source: hathitrust)
Also bei mir wurden es dann letztendlich drei Tassen Tee und eine halbe Tafel Schokoladen, dennoch hoffe ich, dass ungeachtet der Länge, der Aufsatz ebensoviel Vergnügen beim Lesen wie beim Schreiben bereitet und meine Leser Modekupfer mit noch mehr Freude betrachten!
Well, in the end I had three cups of tea and half a bar of chocolate, yet I hope that the article, despite it's lenght, has brought some exciting information and that my readers enjoy looking at fashion plates even more!