Montag, 31. August 2015

Beste Schwester! wahre Liebe...

Derzeit stecke ich mitten in Reisevorbereitungen, um in klassischer Kulisse meine lieben Freunde und Weggefährten der Frühromantik wiederzusehen.
Grund genug diesen Beitrag einem der Grundpfeiler der Frühromantik zu widmen: 
der Freundschaft.
Im ausgehenden 18.Jahrhundert und vor allem in der Frühromantik entwickelte sich Freundschaft zu einem Ideal. Diese Idee entsprang in ihrer poetischen und philosophischen Prägung vorrangig den literarischen Salons, erfasste aber erstmals auch das Bürgertum.
Unter den Frühromantikern entstanden Freundschaftsbünde und nicht selten wählte man in der Anrede der Freunde "Bruder" oder "Schwester". 
Der Ton vieler Briefe ist sehr innig und oftmals klingen sie für den modernen Leser auch wie Liebesbriefe.
I'm currently very busy preparing my next travel to meet dear friends and companions of the Early Romanticism in proper historically setting.
Reason enough to dedicate this blogpost to the ideal of Early Romanticism:
friendship.
In the late 18th century and especially during Early Romanticism friendship became a striking pillar. The source of this poetic and philosophic idea has been the literary circles and for the first time it was also widely spread among the bourgeoisie.
Bonds of friendship were common among the memebers of the Early Romanticism and often they would address each other "brother" or "sister".
Most letters are very intimate and to the modern reader they might sound like love letters.

Genau in diese Zeit der aufkeimenden Freundschaftsbünde, wie wir sie von den Gebrüdern Schlegel oder von Henriette Herz und Friedrich Schleiermacher kennen, fällt das folgende kleine Fundstück, welches meine Aufmerksamkeit auf dem vergangenen Antikmarkt weckte.
At this exact time, when the bonds of friendship started to become more popular, like those of the Brothers Schlegel or of Henriette Herz and Friedrich Schleiermacher, the follwing find was originally made. It happened to cross my attention at the past antique fair.
Das kleine Blatt hat die Größe einer Postkarte. Leider wurde im Laufe der Geschichte der obere Teil der Karte abgetrennt und man kann nur erahnen, wie schön und detailreich das komplette Blatt war.
Geblieben ist der Baum auf einem Sockel und der innige Spruch auf blauer Seide.
The paper has the size of a postcard. Unfortunately the upper part was cut off in the course of the centuries and we can only imagine how beautiful the complete paper must have been.
We're still able to marvel the tree on a column and the quote printed on silk.

Ich hoffe, ich finde in nächster Zeit (lange Winterabende nahen) genügend Muße, um mich weiter in die Symbolik einzulesen. Das Blatt ist mit Tinte aufgemalt und mit Aquarellfarbe ausgemalt.
I do hope that I'll find time (the long winter evenings will come) to delve deeper into the symbolism of the era. The drawing is done with ink and then filled with watercolour.

Der Rand in tiefem Rot schimmert im Licht. Leider bin ich kein Experte auf diesem Gebiet, aber ich nehme an, der Farbe wurde Eiweiß untergemischt oder eine andere Substanz. Vielleicht kennt sich ein Leser in dieser Materie besser aus?
The decorated edge shimmers in the light. Unfortunately I have little knowledge in period painting, but I suppose it is some kind of colour with egg white crystals or something similar. Maybe one of my readers is more knowledgable in this regard?

Mittelpunkt des Blattes ist allerdings der Spruch, der auf ein Stück hellblauer Seide aufgedruckt und dann zwischen die zwei dünnen Lagen Papier gelegt wurde. Anhand der Linien - und Schnittführung erkennt man rasch, dass es keine professionelle Arbeit war, sondern tatsächlich von einem Bruder oder einer Schwester für die leibliche Schwester oder liebe Freundin gefertigt wurde.
Die Zeilen haben nichts von ihrer Innigkeit verloren.
The center of the paper undoubtly is the inscription, printed on a light blue piece of silk fabric and then inserted between two thin layers of paper. Regarding the drawn and cut lines we can conclude that this hasn't been a professional work, but that of a brother or sister to his/her sister or friend.
The lines haven't lost any of their sincerity. (It's a wish to the sister, that her life may run free of sorrow and suffering)

In diesem Sinne herzliche Grüße an meine Schwester und meine lieben Freundinnen und Freunde.
In this sense best wishes always to my sister and my dear friends.

Montag, 24. August 2015

Hüten Sie sich, theuerster Freund, diese Bagatellchen ja nicht mehr Ridicules zu nennen!

Viele Artikel des Journal des Luxus und der Moden sind von einem solch köstlichen Humor geprägt, dass es bedauerlich wäre, sie nicht zurück ins Rampenlicht zu holen. Auch wenn es sich bei meiner Bühne möglicherweise nur um ein kleines Provinztheater handelt, hoffe ich, dass der folgende Artikel über Taschen dem geneigten Publikum gefällt.
Many texts from the Journal des Luxus und der Moden are of such awesome humour, that it would be a pity to not push them back into the limelight. Although my stage might only be a provincial theater, I do hope that the audience will enjoy the following article about bags.

Der Textauszug stammt aus dem Heft des Journal des Luxus und der Moden, Juli 1804 (Jahrgang 19), III. Modenbericht und Miscellen - Modenbericht aus Paris, 12.Juli 1804:
The excerpt is taken from the issue of Journal des Luxus und der Moden, July 1804 (year 19),
III. Fashion and Miscellany - Fashions of Paris, 12th July 1804:

In den Arbeitsbeuteln existieren hier, wie überall im Gebiete der Laune und Mode, die Extreme der Kleinheit und Größe – les extremes se touchent.
Die kleine nettere Form enthält bloß das kleine Taschentuch, in das eine Ende den Schlüssel zum Bureau der geheimsten Geheimnisse gebunden, - in das andere Ende einige Geldstücke geknüpft. Über alles wird natürlich der begleitende treue Ami als Großsiegelbewahrer gesetzt.
Concerning bags we do see here, like everywhere in the area of fancy and fashion, the extremes of tiny and huge – les extremes se touchent.
The small, more appealing shape only contains a handkerchief, on one end the little key to the box of most secretly secrets is knotted, - the other end holds a few coins. Everything guarded by the accompanying faithful ami (attendant), being the lord keeper.
Ein kleines ̶R̶̶i̶̶d̶̶i̶̶c̶̶u̶̶l̶̶e̶̶  Caprice mit Taschentuch, Schlüssel und verknoteten Münzen
A small ̶r̶̶i̶̶d̶̶i̶̶c̶̶u̶̶l̶̶e̶̶  caprice with a handkerchief, key and knotted coins

Hüten Sie sich, theuerster Freund diese Bagatellchen ja nicht mehr Ridicules zu nennen, sie würden als Conspirateur gegen den guten Geschmack angesehen werden, und ohne dass man Ihnen vielleicht etwas überwiesen hätte, würden Sie sogleich aus dem Damenkreis deportiert werden. – Doch treten Sie näher, Bester, ich zischle Ihnen leise die heutige Parole unserer Damen in das Ohr: An die Stelle der verbannten Ridikules räumen unsere Schönen jetzt den Capricen (so heißen die neuen Kunstsäcke) vollen Spielraum ein – von der Morgenpromenade bis zur nächtlichen Wanderung nach Frascati ist Caprice der stete Begleiter. (Wer mehr über das sagenumwobene Frascati erfahren möchte, sollte unbedingt dem Pavillon de la Paix einen Besuch abstatten!)
Schiefe Beobachter wollen zwar bemerken, dass bloß der Name erneuert wäre, die Form, die Sache dieselbe bliebe – doch diese Kurzsichtigen stürze Göttin Pandora nur auf kurze Zeit in den Fond einer solchen Caprice – bald wird der Arme zwar bemerken, dass der alte Schnitt des Ridikule zum Grunde liegt, allein bald wird er auch in den hundert kleinen neuen Fältchen und Anhängseln, wo nur hie und da der alte Ridikule durchblickt, die neue Schöpfung des Caprice erkennen.
Be aware, my dear friend, to not call these bagatelles ridicules, as you then would be seen as conspirer against the good taste, and without any further notice, you’d be denied company of the circle of fashionable ladies.- But come a little closer, dear, I quietly whisper today’s parole of our ladies in to your ear: Instead of the abandoned reticules our beauties now favour the Caprices (that’s the very name of the new bags) – from morning’s promenade to the walk tot the Frascati in the wee hours the Caprice is their constant company. (If you'd like to learn more about the famous Frascati in Paris, please pay a visit to the Pavillon de la Paix!)
Some observer are said to have noticed that only the name is new, whereas the shape remained the same – but these short-sighted fools will be put into the very bag of a caprice by the goddess Pandora – sooner or later this poor fellow will admit that it’s the same pattern as that of the ridicule, but sooner or later he will also learn that within all the many pleats and additions, through which the ridicule might reveal itself, it’s in fact the new creation of the caprice.

Die andere gigantische Form der Arbeitsbeutel, die den Gegensatz zum vorigen macht, wird Refectoire des Dames genannt. Sie haben die Größe kleiner Mantelsäcke, und dienen um bei Parthien auf das Land, eine kleine Toilette, Nähkästchen, Etui, Brieftasche, Schere, Geldbeutel u.s.w. aufzunehmen.
The other gigantic shape of the working bag, which is different to the former, is called Refectoire des Dames. They have the size of small coat bags and serve for jaunts to the countryside; and they contain the toilette, a sewing kit, purse, letter case, scissors, etc. …

1798 (An 7), Journal des Dames et des Modes, Costume Parisien No. 77 (Quelle/source: via pinterest)


1798 (An 7) Journal des Dames et des Modes, Costume Parisien No.81 (Quelle/source: via pinterest)
Diese schlichte Form des Arbeitsbeutels (Vgl. dazu eine aufwändige Variante: Arbeitsbeutel aus Seide) sieht man - wie soeben erfahren mit wechselnden Bezeichnungen - während der Frühromantik immer wieder auf Modenkupfern des Journal des Dames et des Modes und auch des Journal des Luxus und der Moden. 
This plain shape of the working bag (Compare to the elaborate shape: working bag of silk) is seen - as learnt from the text above, with changing names - in many fashion plates of the Journal des Dames et des Modes and also the Journal des Luxus und der Moden during the Early Romanticism.

 Passt alles rein, was aus einem Arbeitsbeutel ein Refectoire des Dames macht:
Toilette, Nähkästchen, Schere, Geldbörse, Briefe...
Everything at hand and fitting, what turns a working bag into a Refectoire des Dames:
toilette, sewing box, scissors, purse, letters...

Der Beutel ist aus einem hübschen karierten Baumwollstoff gefertigt. Er misst 50 x 35 Zentimeter.
Am oberen Rand ist ein Kanal eingenäht der mit einem gestreiften Seidenband versehen ist.
The bag is made of a pretty checked cotton. It measures 50 x 35 Centimetre.
The opening has a channel sewn in, which holds a striped silk ribbon.


Das Refectoire des Dames hat ungefähr die Größe eines kleinen Mantelsacks oder einer modernen Juteinkaufstasche...
The refectoire des Dames has approxmately the size of a small coat bag (portmanteau) or a modern shopping bag...

 ...und es versprüht ein wenig Pariser Charme.
...and it's somehow quite french.

Eine einfache Konstruktion, aber dennoch eine schönes Accessoire und sehr praktisch.
A most simple construction, yet a lovely accessory and very practical.

Dieses Stück erhält in Kürze eine neue Besitzerin und es wird sie auf einer "Parthie auf das Land" begleiten und seinem Namen als "Speisesaal für Damen" gerecht werden.
Ich freue mich schon sehr auf unser Picknick in Weimar und einen gut gefüllten Beutel mit Brot, Kuchen und Mandelmilch! Hoffentlich freust Du Dich auch schon, Kerstin.
This bag soon will be given to a dear friend, where it will serve on "a jaunt to the countryside" and do justice to it's name as Lady's refectory.
I'm looking forward to our pique-nique in Weimar with a bag full of bread, cake and almond milk. Hope you're also looking forward to it, Kerstin.

Montag, 17. August 2015

Never go anywhere without the proper underwear!

Einige meiner Leser haben sich sicherlich schon gewundert, was denn dieser link in meinem Sidebar bedeutet, der zu Beginn des Jahres plötzlich dort aufgetaucht ist.
Some of my readers probably have wondered about the link on my sidebar, which appeared at the beginning of this year.

Ich freue mich sehr, dass ich Teil dieses großartigen internationalen Projekts bin, in dem binnen eines Jahres die Ensembles aus Carle Vernets Modekupferreihe "Merveilleuses & Incroyables" nachgearbeitet werden.
Auf unseren Blogs dürfen wir ausführlich über unsere Arbeit berichten, allerdings wird weder verraten an welchem Kupfer wir arbeiten (für alle mit einer Kombinationsgabe eines Sherlock Holmes dürfte es dennoch nicht schwer sein, das Rätsel zu lösen), noch wird ein Bild des kompletten Ensembles vor dem großen Finale im Dezember veröffentlicht.
Mehr zu dem Projekt und den Teilnehmern findet sich hier:
I'm beyond happy that I'm part of an amazing international project, in which - in the course of a year - the ensembles from Carle Vernet's fashion plate series "Merveilleuses & Incroyables" are recreated.
We are allowed to give indepth insights in our working process, however we neither should tell on which ensemble we work (if you have sherlockian qualitis you might find out anyway), nor show a picture of the entire outfit befor the great finale in December.
More about the project and it's participants can be found here:

Da ich nie müde werde zu betonen, wie wichtig die passende Unterwäsche für ein Kleidungsstück ist, stand es außer Frage, dass ich mit einer Chemise und einem Schnürleib beginnen wollte.
Da über beides aber bereits sowohl in einigen meiner vergangenen Blogbeiträgen, als auch auf den Blogs anderer Teilnehmer berichtet wurde, beschränke ich mich auf einen Arbeitsgang, der oft als kniffelig empfunden wird.
Über die Chemise hat Jen bereits für das Vernetprojekt auf Festive Attyre "Regency Chemise" einen Artikel geschrieben.
As I never get tired emphazising the importance of proper undergarments, it was out of question that I would start this project with a chemise and a pair of stays.
As there are plenty of references and tutorials on both here on my blog and the blogs of the other participants, I'm going to focus on a part of sewing, which usually seemed to be a bit tricky.
Jen already made a lovely blogpost Festive Attyre "Regency Chemise".

Auch über den Schnürleib nach J.S. Bernhardt habe ich bereits ausführlich in dem Beitrag "Schnürleibstudien" berichtet. Dort finden sich verschiedene Modelle und wie man das Patron dazu erarbeitet.
Ich habe mich abermals für das Modell "C" entschieden.
Nachdem ich den Schnitt nach der Formel berechnet habe, wurde er zunächst ausgedruckt.
I've also already written in depth about the short stays after J.S. Bernhardt in the post "Short stays studies". There are three different models and an explanation how the pattern is calculated and made up.
I decided once again to assemble pattern "C".
After calculating the pattern with the formula, I've printed it out.
Da keine Nahtzugabe im Schnitt enthalten ist und er an einigen Stellen angepasst werden mußte, habe ich meinen endgültigen Schnitt nochmals übertragen. 
As there's no seam allowance added in the pattern and I had to adjust a few parts, I made the final pattern on another piece of paper.

Außerdem habe ich die Zwickel und Träger auf meine Maße und Bedürfnisse angepasst.
I also adjusted the gussets and shoulder straps to my measurements and needs.

Ganz wichtig: das Schnittmuster wird im Querverlauf des Stoffs ausgeschnitten, wobei die Kante mit der Rückenschnürung dem Stoffverlauf folgend gelegt wird. Ich habe mich für einen Baumwollstoff in Leinwandwebung entschieden, der zweilagig verarbeitet wird.
Most important: the pattern is cut out on the bias of the fabric, therefore the edge with the lacing follows the selvedge. I decided on a cotton in plain weave for the two-layer garment.

Das Einsetzen der Zwickel stellt bei den Schnürleibern oftmals eine Herausforderung dar.
Um das Schnittteil einzusetzen, werden zunächst die Linien im Stoff eingeschnitten und dann knapp nach innen umgebügelt (etwa 0.5 cm)
The gussets on the stays often seem to be a challenge.
To sew in the piece, the fabric is cut along the marked lines first, then these are neatly folded to the inside and ironed (approx. 0.5 cm)



Die Kanten sind nach innen eingeschlagen...
The edges are folded to the inside...

...und die Ansicht von Außen.
...and the view from the right side.


Der Zwickel wird von der Rückseite aufgelegt und festgeheftet. Die Nahtzugabe entspricht hier der, von den umgeschlagenen Kante.
The gusset is attached from the back and pinned in place. The seam allowance is the same measure as the folded edge.

Der Zwickel wird von außen mit kleinen Rückstichen festgenäht.
The gusset is topstitched with running stitches.

Ein Blick auf die Rückseite.
The view from the back.

Die vollendeten Zwickel.
The finished gussets.

Auf meinem Nähtisch liegt bereits der Unterrock von meinem Ensemble, der überraschend aufwändig ist, denn er verschwindet nicht etwa unter dem Kleid, sondern wird ein richtiger Hingucker, an dem auch Carle Vernet seine Freude gehabt hätte.
I already started with the petticoat, which is amazingly detailed, because it won't be hidden under the dress, instead it will be a real eye catcher, which Carle Vernet surely would have fancied.

Montag, 10. August 2015

My little pink ̶s̶̶o̶̶c̶̶k̶ stocking

Für den heutigen Beitrag möchte ich vorausschicken, dass ich ein paar wirklich verrückte, liebenswert verrückte Zeitgenossen zu meinen Freunden zähle, die sich vor ein paar Wochen entschlossen haben, mich mit einem großartigen Lesewerk zu überraschen. 
Nichtsahnend nahm ich ein Paket entgegen, in dem sich die dreibändige bibliographische Ausgabe der Klassikstiftung Weimar über das Journal des Luxus und der Moden befand. Für mich so etwas wie die Bibliothek von Alexandria in Sachen Mode um 1800.
Seitdem stöbere ich bei jeder Gelegenheit durch dieses gedruckte Füllhorn und tauche ein in die schillernde Welt vor über zweihundert Jahren.
Der erste Band ist bereits zur Hälfte durchgearbeitet und mit zahlreichen Lesezeichen versehen.
Wie zum Beispiel das Lesezeichen in der Falz vom März 1804. Dort ist die Rede von einer Modetorheit, welche gegen Ende des Jahres in London von sich Reden machte und auch in Deutschland für Aufsehen sorgte: rosarot(h)e Strümpfe!
Mein erster Gedanke ging schmunzelnd an die wundervollen Comics aus der Muttsserie und den Kater Mooch, der voller Wonne mit einer rosaroten Socke spielt...über diesen Modetrend mußte ich einfach mehr erfahren!
Before I share today's blogpost I would like to mention, that I have some crazy, some dear crazy friends, who have decided to surprise me with an amazing book volume a few weeks ago.
One day I received this huge parcel in the mail, containing the three volumes of the Klassikstiftung Weimar about the Journal des Luxus und der Moden. For me it felt like getting the key to the library of Alexandria, fashion history department 1800.
Ever since I spend a whole lot of time perusing these volumes of knowledge and plunge in to the dazzling world around 1800.
The first volume is already half read and full of bookmarks.
For example the bookmark placed at the page of March 1804. There's the mention of a fashion folly, which happened in London by the end of the year 1803 and also spread among the German ladies with quite an uproar: pink stockings!
My first thought upon reading about it, reminded me of the cute comic strips of the Mutts series and the cat Mooch, who loves to play with his little pink sock...I desperately needed to gain more knowledge about this trend!
März 1804, Jahrgang 19, Modenbericht, Journal des Luxus und der Moden (Quelle/source: thulb Uni Jena)
 Transkription
Gesammelter englischer Witz über die in der Mode seyenden Rosefarbenen Strümpfe
London, im Dezember 1803
Die rosefarbenen Strümpfe mit durchlöcherten Zwickeln werden aller Tage stärker getragen. Vor zwei Monaten machten nur die Hetären Auffsehen damit, jetzt sind sie bei allen Damen zu finden. Es ist aber ein sehr ergiebiger Stoff für den geselligen und öffentlichen Witz. Es erscheint keine Zeitung, die nicht ihr Müthchen an den Pink Stockings kühlte; dies macht aber wenig Eindruck, und so wie man es sich zur Ehre rechnet, eine Caricatur zu zieren, so ist dieses Rufen und Schreien das wahre Mittel, die roseseidenen Strümpfe allgemein zu machen. Hier theile ich Ihnen einige Fragmente des öffentlichen und Privatwitzes über den Gegenstand mit.
Translation
Collected English jokes about the fashion of pink stockings
London in December 1803
The pink stockings with clocked design are more and more fashionable each day. Two months ago merely prostitues would have caused an uproar with them, now it's fashionable among all ladies. Hence it is issue of  many jokes ever since. There's hardly any paper, which does not report about this peculiar trend with shaking head; however this not seems to cause the desired effect, instead - like it's been fashionable to be subject of caricatures - these cries are an appropriate way to promote the fashion of pink stockings. I'd like to share some of the jokes here.

Was war dran an diesem Bericht? Gab es eine solche Mode tatsächlich? Und die Witze in den englischen Zeitungen?
Zunächst verlief meine Suche ziemlich erfolglos, aber dann stieß ich im Lady's Monthly Museum auf einen Modebericht aus dem September 1803.
What was it with this fashion report? Was this fashion trend real? And the jokes in the English papers?
First my research wasn't successful, but then I came across an excerpt of the Lady's Monthly Museum from September 1803.
September 1803, Lady's Monthly Museum (Quelle/source: googlebooks)

 Tatsächlich! Rosarote Strümpfe. Und an dieser Stelle zeigt sich, wie immens wichtig es ist, nicht nur die Modekupfer zu betrachten, sondern - wenn möglich - auch die Beschreibungen selbiger zu Rate zu ziehen, denn der dazugehörige Modekupfer verriet nichts über diese kuriose Mode.
Really! Pink Stockings. And here it's evident, how important it is, to not only take a look at the fashion plates, but - if possible - read the descriptions, because the fashion plate did not reveal this fashion trend.

September 1803, Lady's Monthly Museum (Quelle/source: The Library of Birmingham)
Noch nicht geklärt war die Frage nach den Zeitungsberichten, welche den Stein erst ins Rollen gebracht und den Modetrend forcierten hatten.
Hinweise waren dürftig gesät, aber dann schließlich - wozu hat man als Buchhändler das Bibliographieren gelernt - sah ich mich den Artikeln aus dem Londoner Morning Post gegenüber, die kein geringerer verfasst hatte als Charles Lamb (1775 - 1834). Lamb, selbst berühmter Dichter, war befreundet mit Samuel Taylor Coleridge und William Hazlitt, letzterer war bekannt für eine Scharfzüngigkeit und Beobachtungsgabe (Ein leider eher vergessener Autor, dessen Werke ich aber jedem nur ans Herz legen kann!).
Im September 1803 war Lamb, nach einem Besitzerwechsel der Zeitung, gerade wieder zum Morning Post zurückgekehrt, allerdings blieb er nur wenige Monate, gerade genug Zeit um seine augenzwinkernden Betrachtungen und amüsanten Lästereien über die rosaroten Strümpfe für die Nachwelt zu hinterlassen.
Still unsolved was the riddle of the paper reports, which have actually caused this fashion trend.
There were hardly any traces, but eventually - apprenticed booksellers love to do bibliography - I've found the articles from the London Morning Post, which have been written by none other than the famous Charles Lamb (1775 - 1834). Lamb, a famous poet himself, was friends with Samuel Taylor Coleridge and William Hazlitt, the latter was known for his sharp tongue and wit (Nowadays this author sadly is often overseen - please do read his works!).
In September 1803 Lamb had just returned to the Morning Post after changing proprietorship, unfortunately he wrote only few month for the paper, just enough time to publish his jokes about the pink stockings and leave them for us to marvel about.

Eine kleine Kostprobe vom 03. Oktober 1803
Das einzige Zeichen der Sittsamkeit ist die rosarote Färbung in den Strümpfen der Damen, welche ihre Beine scheinbar erröten lassen, ob der vollständigen Abwesenheit der Unterröcke. 
A sample from 3rd October 1803
The only sign of modesty in the present dress of the Ladies is the pink dye of their stockings, which makes their legs appear to blush for the total absence of petticoats.

Leider würde es zu weit führen, alle wunderbaren Textstellen widerzugeben, doch glücklicherweise kann ich mit links dienen, um das Schmökervergnügen zu vertiefen:
Unfortumately I can't write down all of the quotes, but luckily I can provide the links for more pleasurable reads:


The Life of Charles Lamb, Vol I 

Zurück zu den skandalösen Strümpfen selbst. Wie musste man sich dieses "roseroth, rosaroth und roth" bzw "pink" der Journale und Zeitungen vorstellen?
Back to the scandalous stockings. How do we have to figure that "pink", which is mentioned in the Journals and papers?

1750-1770 (?) English or French, Frame-knitted salmon pink silk stocking with clocks worked in ivory silk and sprigs (Quelle/source: Kelly Taylor Auctions via pinterest)
Um den Schimmer eines Errötens durch den Musselinrock durchscheinen zu lassen, war schon ein kräftiger Farbton vonnöten. Der Strumpf um 1803 wird wohl große Ähnlichkeit mit dem abgebildeten Exemplar gehabt haben, wenngleich dieses einige Dekaden früher datiert wurde.
To have that slight show through of a blush through a muslin dress, a strong shade was neccessary.
The 1803 stocking probably resembled the shown example, which was dated a few decades earlier though.

Und selbstverständlich findet diese Modethorheit auch keinen Einhalt vor meiner Garderobe.
Certainly this fashion folly found it's way into my wardrobe, too.

Der englische Modetrend.
The latest English fashion trend.

Bringt das Strumpfpaar die Beine tatsächlich zum Erröten?
Does this pair of stockings have the legs blush?

Probieren geht über Studieren...
Let's have a try... 

Ein neus Kleid, Schuhe und die rosarothen Strümpfe.
A new dress, slippers and the pink stockings.

Was für ein ungewöhnlicher Farbrausch!
What an unusual choice of colour!

Aber ja, die Beine erröten tatsächlich und schimmern durch den Batist!
Oh yes, the legs seem to blush through the batiste!

Montag, 3. August 2015

Amathusias Toilette und Salbekästchen

Während der Juli vollkommen im Zeichen der Erholung und Muße stand und mich im kühlen Schatten in die Welt des Schmökerns lockte, unternahm meine liebe helvetische Wegbegleiterin auf den Spuren der Frühromantik eine interessante Reise in die Welt des weißen Goldes in Nyon. Und glücklicherweise hat sie ihre Eindrücke fotografisch festgehalten.
Besonderes Interesse weckte ein kleines Kästchen, welches mit vier Porzellanschälchen bestückt war.
Außen war es liebevoll beklebt und sicherlich vor über zweihundert Jahren ein Schmückstück auf so manchem Toilettentisch.
Auf den Pfaden Amathusias (auch bekannt als Göttin Aphrodite) wandelten die Damen auch während der Frühromantik voller Eifer, wie unzählige Schriftstücke und Bücher über den Nutzen und Schaden der "Schmincken" beweisen. Die Liebe zu dieser Kunst spiegelt sich auch in der Einrichtung der Toilette wider...
July was entirely dedicated to rest and idleness. And while I spend the days with reading in the shade of tall trees in the garden, my dear helvetian fellow enthusiast in all things Directoire and Consulat went on a most exciting journey into the world of the white gold to Nyon. Thankfully she made a lovely documentation of her travel.
I was especially hooked on a beautiful small box, which contained four porcelain bowls.
The outside was finely decorated and it surely must have been an eye-catcher on the ladies' toilette table over two hundred years ago.
During the period the ladies enthusiastically followed Amathusia's (also known as Aphrodite) path, as many books and pamphlets about the gain and harm of cosmetics tell. This kind of art was also displayed in the arrangement of the toilette...

1795 (September, Kupfertafel 28) Vollständiger Wasch und Nacht Tisch für ein Schlafzimmer
Journal des Luxus und der Moden (Quelle/source: thulb Uni Jena)

...und in den liebevoll gestalteten Kleinigkeiten wie dem Toiletten und Salbekästchen.
Während der Nachbau des Kästchens ein wahres Vergnügen war, gestaltete sich die Suche nach passenden Porzellanschälchen als wenig erfolgreich. Einzig in dem Ausstellungskatalog "Luise. Die Kleider der Königin" stieß ich auf derartige Gefäße und weitere Untensilien aus dem Schmincke-Kasten.
...and in the very detailed accessories like the small toilette and creme box.
While it was bliss to assemble the box itself, my search for matching porcelain bowls was a desaster. The only source were they are also displayed among a whole lot of other cosmetic accessories is the catalog of the exhibition "Luise. Die Kleider der Königin".

1810, Pappschachtel mit Wangenrouge. Königin Luise
(Quelle/source: Stadtmorgen.de)

Für meine Kästchen nahm ich also stattdessen 4 kleine Blechdosen mit einem Durchmesser von etwa 5 Zentimetern.
Auf den Fotos war leider nicht zu erkennen, ob der Kasten aus dünnem Holz oder aus Pappe gefertigt war, daher entschied ich mich für Leimholz (Pappelholz wäre noch besser gewesen), während das Innenleben, wie beim Original, aus heller Finnpappe entstand.
Die Schachtel mißt 20 x 20 Zentimeter bei einer Höhe von 6 Zentimetern. Das Holz ist verleimt und das Papier mit Papierkleber aufgebracht. 
Eventually I used 4 small tin boxes with a diamter of 5 cm for my boxes.
Unfortunately I could not figure out wether the original box was made of thin wood or cardboard, considering the weight I decided on plywood (poplar would have been an even better choice), while the interior was made according to the original from cardboard.
The box measures 20 x 20 Centimetre with a height of 6 Centimetre. The wood is glued and the decoration fixed with paper-glue.

 
Leider konnte ich nicht auf das Originaldesign der Dekoration zurückgreifen, aber ich wählte Motive, welche dem Stil nahkommen. Die erarbeiteten Designs wurden schließlich passgenau auf Papier mit höherer Grammatur ausgedruckt und aufgeklebt. 
Unfortunately I could re-create the original design, thus I tried to stay true to an early 19th century look with my design. The designed papers are printed out on thick paper in the actual size of the box and glued on.

Der Aufbau des Kästchens mitsamt Scharnieren, Innenleben und Verschluss sind dem Original nachempfunden.
The shape of the box, the hinge, the latch and the interior are build true to the original.

Im vorderen Bereich findet sich noch ein kleines Compartment für eine Puderquaste, eine kleine Bürste oder ähnliches.
In the front compartment is enough space for a powder puff, a brush or something similar.

Im Inneren findet sich das Bild eines Cupido, der seinen Bogen spannt. Außen sind die drei Grazien abgebildet. Auf ihrem Schild prangt "Creme Celeste", eine Salbe aus Wachs, Walrat (iiiekkk!!!) und Mandelöl, welche auch schon Königin Luise verwendet hat.
On the inside is a copper plate of Cupido stringing his bow. On the outside the three graces. "Creme Celeste" is written on their raised shield, which is a creme made of wax, cetaceum (eeeekkk!!!) and almond oil. This creme was also used by Queen Luise.

Details des Kästchens... 
Details of the box...
...inklusive Gebrauchsspuren.
...inclusively signs of use.

Die Blechdosen schließen gut und können mit Salben, Rouge oder - wie hier - mit Puder befüllt werden. Die Schachtel kann wunderbar mit auf Reisen genommen werden.
The tin boxes close well and can be filled with cremes, rouge or - like shown - with talcum. The box is sturdy enough to go on travels.

Eine der beiden Schachteln ging als kleines Dankeschön ins Helvetische, das andere Kästchen wird mich fortan auf Reisen begleiten...in der Zwischenzeit schmückt es mein Toilettenzimmer.
One of the two boxes went to Helvetia, the other will come with me on my travels...in the meantime it adorns my cabinet de Toilette.