Montag, 29. Januar 2018

Journal Journey 1801: Januar 'Journal des Luxus und der Moden'


Der Januar 1801 wird als beständig kalt beschrieben (Ph.Stieffel, Witterungskunde, 1842) und wir können uns vorstellen, wie die zumeist weiblichen Subskribenten in ihren warmen Stuben immer wieder ungeduldig den Blick durch die Eisblumenberankten Fenster taten und die Ankunft der morgendlichen Post herbeisehnten. Gegen Ende des Monats wurde das Journal des Luxus und der Moden in die Haushalte verschickt.
Heute darf ich meine Leserschaft dazu einladen, gemeinsam mit den Damen einen Blick in das neue Heft zu werfen und Modeneuigkeiten aus Paris und Frankfurt zu bestaunen. Nachdem das Journal des Dames et des Modes in Paris bereits ausführlich über Haydns Schöpfung berichtet hat, möchte ich den Bericht des Journals des Luxus und der Moden nicht wiederholen, sondern gleich mit den Pariser Moden beginnen. Wir werden dabei Kuhpocken und Bäuerinnen mit unebenen Bärten begegnen.
January 1801 was described as constantly cold (Ph.Stieffel, Witterungskunde, 1842) and we might imagine how the mostly female subscriber peek through the icy windows, impatiently waiting in their warm chambers for the arrival of the daily mail. At the end of the month the latest issue of the Journal des Luxus und der Moden was sent.
Today I may invite my readers to take a glance into the January issue and marvel over the  latest fashions from Paris and Frankfurt, just like our ancestors probably did. After the Journal des Dames et des Modes already reported in depth about Haydns oratory The Creation, I won't share the revision of the Journal des Luxus und der Moden, but begin with the Parisian fashion news. We will encounter cow pox and female peasants with uneven beards.

Journal des Luxus und der Moden
Januar 1801
(Herausgeber/Verleger Friedrich Justin Bertuch, Weimar) 
 (Quelle/source: Heinrich Heine Universität Düsseldorf Universitäts- und Landesbibliothek)
VIII. Modenbericht
1. Aus Paris 
http://digital.ub.uni-duesseldorf.de/ihd/periodical/pageview/2002977 
Transkription:
[...]Die Kälte hat endlich doch über die halben und ganzen Nacktheiten gesiegt. Man hat endlich die Douilletten (*1) und Winterüberröcke vorgesucht. Auch die Palatinen (*2) sind wieder erschienen. Aber bis zu den Müffen verirrte sich keine unserer Schönen vom neuen Datum. Neben den Demi-Capotes und Demi-turbans, Tocken und anderen Hauptzierden zeichnet sich eine Art allerliebster Hütchen aus, welche bei Mme Lorey (die nächste der berühmten Lisfranc) a la corbeille galante, im Palais des Tribunats N.202 wo sie ihr Magazin hat, zuerst zu kaufen gewesen sein sollen, und was selten der Fall ist, eine gewisse Allgemeinheit erhalten haben, ohne doch sogleich in den oberen Regionen verrufen zu werden. Sie bestehen aus schuppenförmig ausgeschnittenen und übereinander geleimten Atlasschnitzeln, die, bei Lichte Abends, recht viel Ähnlichkeit mit Perlmutter haben. Man nennt sie a la Anadyomené der Venus zu Ehren, die einst aus dem nassen Reiche der schuppigen Seebewohner emporstieg. An den Sautoirs oder großen Halsketten trägt man unten in den Medaillons häufig goldene und brillantierte Uhren. Die Schnällchen an den Schuhen und Gewändern sind ganz verschwunden. Aber noch erhielt sich die Rautenform (en losenges) besonders auch in den aufgeleimten Verzierungen, Kanten und Bordüren von Samt und Atlas, die man jetzt allgemein unter dem Modenamen Applications verfasst. 
Die große und menschenfreundliche Erfindung der Kuhpockenimpfung, die, seit der wackere Londoner Arzt Woodward frisches Kuhpockengift mit nach Paris gebracht hat, so große Fortschritte machte, dass selbst die Ungläubigsten dieser Erfindung ihre Huldigung nicht mehr verweigern, ist nun auch in den Mund der Modisten und Costumiers übergegangen. An der Stelle der geriffelten und raupenförmig gewundenen (canlées, chenillées) Bänder sind wieder die gemuschten (*3) getreten. Diese heißen nun aber allgemein von der Kuhpocke (Vaccine) oder mit Kuhpocken getüpfelte (vaccinés). So nennt man auch die Hüte von weißen oder farbigen Atlas mit schwarzen Samtmuschen a la vaccine. Tortz des schlechten Wetters wollen die Schuhe mit hohen Absätzen (a talonnieres) nicht wieder in Aufnahme kommen. Dagegen fängt man weit allgemeiner an, in den niederen Stande der englischen Pattens sich zu bedienen.[...]
VIII. Fashions
1. From Paris
http://digital.ub.uni-duesseldorf.de/ihd/periodical/pageview/2002977 
Translation:
[...]The cold finally has defeated the whole and half nudity fashion. Eventually the douillettes (*1) and winter redingotes have returned. Also the palatines (*2). But the muffs did not find back the popularity among the modern ladies. Next to the demi-capotes, demi-turbans, toques and others another kind of lovely little hat made it's appearance first at Mme Lorey (the next famous Lisfranc) a la corbeille galante, at Palais des Tribunats No.202, and they became quite popular, amazingly enough without being decried by the upper classes in return. They are made of fish scale shaped pieces of satin, cut out and glued on overlapping, which results in an illusion of mother of pearls in the evening light. They are called a la Anadyomené in honour of Venus, who once rose from the watery kingdom of the sea.
The sautoirs or long neck chains now sport a little gold or brilliantine watch in the medaillon. Buckles at the shoes or on garments are entirely out of fashion. Still the lozenge shape  (en losenges), especially in glued-on decorations, borders and edges of velvet and satin, now commonly called applications, are very fashionable.
The great and philantrophic invention of the cow pox vaccination, which, after being introduced by the London Doctor Woodward, has made huge progress even among non-believers, now also entered the hungrey mouths of milliners and costumers. The furrowed and catarpiller-like (canelées, chenillées) ribbons, have been again replaced by the plushed ones. They are now called cowpox (vaccine) or dotted cow pox (vaccinés). The same name is chosen for hats of white or coloured satin with black velvet plush a la vaccine.- Despite the bad weather shoes with heels (a talonnieres) remain out of fashion. Instead even the lower classes use English pattens.[...]

An 9, Journal des Dames et des Modes, Costume Parisien, No.263 (Quelle/source: Rijksmuseum Collection)
An 9, Journal des Dames et des Modes, Costume Parisien, No.263 (Quelle/source: Rijksmuseum Collection)
Der im Text des Modenberichts erwähnte Chapeau a la Anadyomené, im Costume Parisien Kupfer No.263 schlicht als "2. Chapeau de Satin" bezeichnet.
The mentioned hat from the Fashion news Chapeau a la Anadyomené, in the Costume Parisien print simply named as "2. Chapeau des Satin"

VIII Modenbericht
2. Aus Frankfurt
 Transkription:
[...]Sehen sie zu, was Ihnen unter den folgenden Mustern am besten gefällt. Statt der Schneeflocken, die diesmal der Christmonat nur sehr spärlich ausgestreut hat, fielen aus seinem Horne allerlei Fantasiegestalten neuer Aufsätze, Toquets und Hüte zu Concerts und Winterassembleen für unsere schönen Leserinnen. Ich bin so glücklich gewesen, einige davon im Fluge aufzufangen, und teile nun von meinem Fang so viel mit, als sich auf gut Glück auffassen ließ. Sie sehen auf beifolgender Mustertafel (Taf.1) zwei Büsten und vier Muster. Die Büste No.1 hat eine Haube von feinem Linon (eine Paisane) Bandschleifen, Besetzung von schmalem Atlasbande mit Ausschnitte a la van Dycke. Halstuch von Lilla-Flohr mit breiten schwarzen Spitzen besetzt. Die zweite Büste trägt eine Haube (Negligé) von Gaze mit doppelten gelben Band-Puffen (en tulle oder en coque) garniert, die Enden (oder die Spitzenflügel) gehen unter dem Kinn weg und werden zur Linken mit einer kleinen Schleife gebunden. Kleines einfaches Halstuch von Rosa-Flohr - oder Taft - mit silbernen Schnüren besetzt, an den Enden silberne Quasten. Gehen Sie nun auch noch mit mir die einzelnen Aufsätze durch. Sie finden hier No.3 eine Morgenhaube von Lilla-Atlas, Besetzung und Schleifen von schmalen schwarzen Samtbändchen; diese Haube kann hinten mit einem Zug gerichtet und fest gesetzt werden, vorn herum wird sie mit einer breiten, ins Gesicht fallenden schwarzen Spitze besetzt.
No.4 eine Paisane von Linon oder Musselin mit gekepertem (*4) schmalen Band besetzt, durch ein schönes Rosenbouquet geziert, welches zur Rechten angeheftet wird. No.5 eine Capote von weißem Atlas, mit geschwefelten (gaufre) (*5) Band mit Goldfaden besetzt, ein von hinten über den Kopf zur Linken fallendes Flortuch wird eingesteckt, zur Rechten steigt eine breite Schwungfeder empor. Endlich sehen Sie auch noch No.6 eine Capote von weißem Linon, mit gauffrierten (*5) Band besetzt, und mit Bandschleifen geziert.[...]
2. From Frankfurt
 Translation:
[...]Please have a look, what you will favour from the following varieties. Instead of snowflakes, which the past December has hardly offered, the cornucopia of fashion has spread new headwear, toquets and hats for the concerts and winter assemblees for our beautiful ladies. I'm quite happy to have caught some of them and now I'd like to share my catch. On the following fashion print (Taf.1) you'll find two busts and 4 varieties. The bust No.1 shows a cap of fine linon (en paisane), ribbon ties and decoration of small satin ribbon, cut a la van Dycke, a fichu from liliac silk gauze with wide black laced edging. The second bust wears a cap (Negligé) of gossamer with doubled yellow ribbon puffs (en tulle or en coque), the ends (or the wings) come under the chin and are tied on the left. Plain rose coloured fichu made of gauze or taffeta, adorned with silver ribbons and with silver tassels on the edges. Now we have a look at the remaining varieties. No.3 is a morning cap made from lilac satin, the decoration and ribbons are made of black velvet; this cap can be adjusted with a ribbon in the back, the front is embellished with black lace. No.4 a paisane from linon or muslin with a small crimped ribbon and a lovely rose bouquets worn on the right. No.5 a capote of fine satin, with sulphurated (gaufre) (*3) ribbon adorned with gold thread, a gossamer square is attached, which falls to the left front, on the right a big plume. And finally No.6, a capote of white linon, with sulphurated ribbon and small ribbon ties.[...]
1801, Januar, Journal des Luxus und der Moden, Kupfertafel 1 (Quelle/source: Heinrich Heine Universität Düsseldorf)
[...]Ich lege Ihnen auf einer anderen Tafel (Taf.2) noch eine Figur in voller Größe bei, und wünsche, dass auch diese nach Ihrem Geschmack sein möchte. Unsere junge Dame trägt einen weißen Atlashut mit rosa Bandschleifen davon die Enden unterm Kinn weglaufend zur Linken in eine Schleife gebunden sind. Zur Linken steigt ein Bouquet von gelben Rosen empor. Sie trägt kurzgeschnittene, ungepuderte Haare oder eine Perücke mit tief ins Gesicht fallenden Löckchen (crochets). Ihr Anzug besteht in einer Tunika von weißem Musselin mit rosa Band eingefasst. Die obern kurzen Ärmel sind aufgeschlitzt (tailladé) mit rosa Atlas dazwischen. Diese bis and die halben Füße reichende Tunika ist vorn offen; die linke Seite ist in ein langes, spitziges Ende geschnitten, welches in der rechten Seite durch das Band, das unter der Brust wegläuft, durchgezogen wird, an der herum fallenden Spitze hängt eine rosa seidene Quaste. Der Rock ist von weißem Musselin mit einem breiten Saum eingefasst. Sie trägt gelb englische lederne Handschuhe; Rosa seidene Schuhe mit Gold gestickt, und mit rot lackierten Stäben.[...]
[...]I add a full figure print (Taf.2) next and hope, that it will match your taste in fashion. Our young lady is wearing a hat made of white satin with rose-coloured ribbon ties, which ends run around the chin and are gathered in a big tie on the left. On the left a bouquet of yellow roses rises. She has her hair or wig cut rather short, un-powdered with curls (crochets) running deep into the face. Her dress is a tunic of white muslin bound with rose-coloured ribbon. The upper sleeves are cut opened (tailladé) and faced with rose satin. The tunic runs down to the feet and is open in the front; the left side is cut into a narrowing edge, which is tucked under on the right side beneath a band that runs around the high waist, on the tip of the edge is a rose silk tassel. The skirt is made of white muslin bound with a wide hem. She wears yellow English kid gloves; rose silk shoes embroidered with gold and red coloured straps.[...]
1801, Januar, Journal des Luxus und der Moden, Kupfertafel 2 "Paysanne a barbe inegale"(*6/*4) (Quelle/source: Heinrich Heine Universität Düsseldorf)
Anmerkungen:
(*1) Douilletten: ein winterlich gesteppter Oberrock aus Seide
(*2) Palantine: ein wärmender Schulterumhang
(*3) gemuscht: aus (Seiden-)Plüsch
(*4) gekepert entspricht gekreppt
(*5) geschwefelt bezieht sich hier auf den gelben Farbton 
(*6) Paysanne a barbe inegale bedeutet übersetz "Bäuerin mit ungeradem Bart" und nimmt Bezug auf die ungewöhnliche Art, den Zipfel des Kleides an der Taille unterzuschlagen
Annotations:
 (*1) Douillettes: silk outerwear with a quilted warm interior
(*2) palantine: a warm woolen pelerine
(*3) sulphurated solely is meant to be yellow coloured 
(*4) Paysanne a barbe inegale means "Female peasant with an uneven beard" and desvribes the way how the dress is worn with the tucked in front 

Ein kleiner Einblick in die Moden, welche den Damen in Januar 1801 vom Weimarer Journal vorgschlagen wurden. Wie es in den Straßen von Paris zuging, teilt uns Alessandra mit!
A peek into the fashions, which the ladies were recommened by the Journal des Luxus und der Moden in 1801. The latest fashions from Paris are over at Alessandra's blog!

 

Freitag, 19. Januar 2018

Wandlerinnen über dem Nebelmeer

Die Anleihe an C.D. Friedrichs Wanderer über dem Nebelmeer sei mir gestattet, denn zu meinen liebsten Erinnerungen an Weimar zählt stets der frühmorgendliche Spaziergang durch den Ilmpark.
Noch vor dem Sonnenaufgang liegt der Park in zeitloser Stille, allein das Rauschen der Ilm, das Gezwitscher der Vögel und die knirschenden Schritte über die Kieswege erfüllt die Ruhe.
In der schönen Stadt an der Ilm atmet man auf Schritt und Tritt Geschichte, aber die Illusion im morgendlichen Ilmpark fasziniert mich am meisten und heute habe ich das Vergnügen meine Leser in die Stille mitzunehmen..hier entlang!
Please allow me the use of C.D. Friedrich's famous painting Wanderer above the sea of fog, because one of my favourite memories of Weimar is the very early morning walk through the park at the river Ilm.
Before sunrise the park is shrouded in silence, only the murmur of the river Ilm, the song of birds and the footsteps on the gravelled paths are heard.
There's history in every nook and cranny in beautiful Weimar, but the experience of walking in the Ilm park in dawn fascinates me the most and today I have the pleasure to take my readers with me...please follow!
1808, Plan des herzoglichen Parks bey Weimar, ca. 1:3500 (Quelle/source: Staatsbibliothek zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz)
Goethe selbst schrieb über den Ilmpark 
[...]Ein rechter Gelehrtengarten, nahe genug zur Stadt um ihn leicht erreichen zu können und doch entfernt genug, um dem Staub und Lärm zu entgehen;
groß genug, um den Besitzer zu zerstreuen, doch zu klein, um ihn zu absorbieren;
soviel Land als erforderlich, damit das Auge sich erquicke, der Geist sich ausruhe, soviel Wege als für einen Spaziergang nötig, und so viele Bäume, dass man sie mit Bequemlichkeit zählen kann[...]
Goethe has written the following lines about the park 
[...]A true scholar's garden, close enough to the town to easily reach it and far away enough to stay away from dust and noise;
big enough, to lull the owner, but too small to absorb;
as much space as needed to delight the eyes, soothe the mind, so many routes for a propper walk, and so many trees to count them without challenge[...]

Eine weitere Anleihe kommt mir in den Sinn, Robert Frosts Der nicht gegangene Weg
Another piece of art comes to my mind, Robert Frost's The road not taken

Selbstverständlich fiel die Entscheidung zugunsten des Weges zu Goethes Gartenhaus
Of course we've chosen the path to Goethe's Gardenhouse

Von dort ging es in gemächlichem Schritt zum Römischen Haus, das sich in seiner Pracht aus dem Nebel schälte, um die Sonne und damit den neuen Tag zu begrüßen
From there we took the road to the Roman House, which stretched out of the fog to greet the morning sun and new day

Eine der vielen Brücken im Park
One of the many bridges in the park

Der Nebelsee unterhalb vom Römischen Haus
The Sea of Fog below the Roman House

Durchatmen und Luftbaden...
Breathing and air bathing...

...gefolgt von einer Tasse starkem Morgenkaffee
...followed by a cup of strong coffee

Ob Goethe wohl schon wach ist? Ein Blick zu seinem Gartenhaus, das noch im lichtverschmähten Schleier liegt.
Is Goethe already awake? A glance to his Garden House, which still slumbers in the mist.

...und dann klettert das Glutrund über die Wipfel.
...and then the golden sun rises behind the trees.

Guten Morgen, zeitloses Weimar!
Good Morning, timeless Weimar!

Die frühe Morgensonne zeichnet unsere Silhouetten an die Mauern des römischen Hauses.
The early morning sun paints our silhouettes against the walls of the Roman House.

Freitag, 5. Januar 2018

Journal Journey 1801 - Let's do the time walk again!

Findige Leser mögen auf der Seitenleiste dieses Blogs eine kleine Ankündigung entdeckt haben, da prangt seit wenigen Tagen ein neues Logo zu einem (bislang) noch nicht verlinkten Projekt:
Attentive readers might already have discovered an announcement on the sidebar of this blog during the past few days, there's a new logo to a - not yet linked - project:


Nach unserem letzten Abenteuer Journal Journey into the year 1811 sind ein paar Jahre vergangen und Alessandra von Pavillon de la Paix und ich waren der Ansicht, dass es an der Zeit ist eine neue einjährige Reise anzutreten. 
Da ich in der Überschrift bereits schamlos die Rocky Horror Picture Show bemüht habe, scheue ich einen weiteren cineastischen Vergleich nicht - kurz: in den kommenden zwölf Monaten werden wir abenteurhungrig unseren Fedora Schlapphut tiefer in die Stirn ziehen, die lange Peitsche schultern und emsig das (Stecken-)Pferd satteln!
 After our last adventure Journal Journey into the Year 1811 a few years have passed and Alessandra of Pavillon de la Paix and I thought it about time to start another one year journey.
As I've already shamelessly used a hint to the Rocky Horror Picture Show in the headline of this post, I'm not afraid to give another cineastic comparison - in short: in the upcoming twelve months we will be hungrey for adventure and pull our Fedora hats deeper into our faces, shoulder our bullwhips and saddle our (hobby-)horses!

Ich denke, Friedrich Justin Bertuch (1747 - 1822), der Herausgeber des Journal des Luxus und der Moden in Weimar, würde dieses Unterfangen sehr begrüßen, denn bereits in Jahr 1798 hinterließ er im 13. Jahrgang seines Journals in der Septemberausgabe (Seite 497f), folgende kluge Zeilen:
I'm convinced, Friedrich Justin Bertuch (1747 - 1822), the publisher of Journal des Luxus und der Moden in Weimar, would love the idea of our journey, as he left us these wise words in 1798 in the 13th year of his journal, in the September issue (page 497f):
Transkription:
[...]Unser deutsches Moden-Journal wird mit Recht auf einigen öffentlichen Bibliotheken gehalten. Denn nach Jahrhunderten, wenn vielleicht unsere Nation in das Chaos der Allgemeinheit einer Universalnation geschmolzen seyn wird, kann es noch manchem Geschichtsschreiber ein willkommener Fund seyn, um Sitten, Moden und Gebräuche der Jetztwelt daraus zu schöpfen[...]
Translation:
[...]our german fashion journal is rightfully offered in the public libraries. Maybe after centuries, when our nation long will be melted into a chaotic universal nation, these journals might be a much welcomed find for historians, to learn more about conventions, fashions and traditions of our present[...]

Im Gegensatz zu der wöchentlichen Publikation des Journal des Dames et des Modes erschien das Journal des Luxus und der Moden (das 1786 als Journal der Moden erstmals erschien) einmal monatlich jeweils zum Ende des Monats. An diese Vorgabe werde ich mich halten und meinen Aufsatz in der letzten Woche eines jeden Monats veröffentlichen.
In contrary to the weekly publications of the french Journal des Dames et des Modes the Journal des Luxus und der Moden (which started out as Journal der Moden in 1786) was published monthly by the end of each month. I will chime in and also publish my article in the last week of each month.
1786 J.W. von Archenholz, Litteratur und Völkerkunde (Quelle/source: googlebooks)
Transkription:
[...]Wir kündigen also hierdurch vorerst das Journal der Moden an, welches mit Anfange des Jahres 1786 beginnet. Zu Ende jedes Monats erscheint davon ein Stück im Großoktav, auf schönem weissen Schreibepapier, mit drei Kupfer auf starkem hollandischen Papier, sauber illuminiert oder schwarz nach Bedürfnis der Gegenstände, und in einen Umschlag geheftet.[...]
Translation:
[...]We announce the Journal der Moden, which starts at the beginning of the year 1786. At the end of each month a single issue is published in gr8°, on white writing paper, with three engraving prints on strong dutch paper, carefully illuminated or in black following the requirements of the items, bound in a cover[...]

Als Primärquelle werden mir dabei die digitalisierten Ausgaben des Journal des Luxus und der Moden in der Heinrich Heine Universität Düsseldorf und der ThULB Jena dienen. Diese und alle anderen Primärquellen werden jeweils zu den Artikeln, in denen ich auf sie zurückgreife, bibliographisch verlinkt.
Zur Vorbereitung und Einstimmung unserer Reise diente mir folgende Sekundärliteratur über das Journal des Luxus und der Moden:
Stiftung Weimarer Klassik Herzogin Anna Amalia Bibliothek, Doris Kuhles, Journal des Luxus und der Moden in 3 Bänden (2003)
Caroline de la Motte Fouqué, Geschichte der Moden 1785-1829, Union Verlag Berlin (1987)
Gerhard Wagner, Von der galanten zur eleganten Welt, Bockel Verlag (1994)
Christina Kröll/Jörn Göres, Heimliche Verführung, Goethe Museum Düsseldorf (1978)
Martha Bringemeier, Ein Modejournalist erlebt die Französische Revolution, F.Coppenrath Verlag (1981)
As a primary source I will use the digitalized issues of the Journal des Luxus und der Moden from Heinrich Heine Universität Düsseldorf and ThULB Jena
These primary sources and other period sources will always be linked in my articles for further study.
In preparation for our journey I also read several secondary sources (books), which unfortnately are only available in German (these books are listed above)

Zu Beginn eines jeden Jahres veröffentlichte das Industrie Comptoir in Weimar in der Januarausagbe jeweils noch einen Neujahrsgruß Kupfer, im Jahr 1801 war das nicht anders.
Zur Einstimmung auf unseren Journal Journey 1801, der zum Ende des Monats beginnt, möchte ich meinen Lesern diesen scharfzüngigen Beitrag nicht vorenthalten.
At the beginning of each year the Industrie Comptoir in Weimar published a special New Year's greeting print in the January issue, which was also the case in 1801.
Before we start the Journal Journey 1801 by the end of the month, I'd like to share this sharp tongued article with my readers.
1801, Journal des Luxus und der Moden, Neujahrs Modekupfer (Quelle/source: Heinrich Heine Uni Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf)
Januar 1801. X. Erklärung der Kupfertafeln

Transkription:
[...]Moden von 1801. Nun tritt unser elegantes Paar der neuen Zeit auf. Die junge Dame, am Arme eines modernen Incroyables, - der, anstatt der Handschuhe, die Hände sehr zierlich in den Pluderhosen sichert - schwebt so zephyrlich (1) in rothen geschnürten griechischen Sandalen einher, den ganzen Contour ihres schönen, oder nicht schönen Körpers, umhüllt so wenig Stoff, dass man glauben sollte, sie sei nur in gewebte Nebel und Farben der Morgenröte gekleidet, und kenne wenigstens das Bedürfnis eines Hemdes, worauf unsere Mütter und Großmütter noch etwas hielten, ganz und gar nicht. Ihr ganzer Anzug, die Straußenfeder und Bandeaux (2) auf dem Kopfe mitgerechnet, wiegt nicht mehr als 18 Loth (3), und wahrscheinlich gibt auch die goldene Kette um den Hals und der daran hängende Hoffnungsanker mit draufgelegt, der Waagschale keinen beträchtlichen Anschlag.
Sie ist so ganz von allem iridischen befreit, da sie durchaus die schöne Contour des Halbnackten durch keine angehängte Tasche unterbrechen will, dass sie gar nichts von den Taschenbedürfnissen der alten Zeit bei sich führt, sondern ihr Schnupftuch beständig in der einen Hand und ein halb Dutzend der 65 neusten Almanache und Taschenbücher, womit das neue Jahrhundert Deutschland beschenkte, in einem eleganten Ridicule, in der anderen trägt. Öfters führt auch dieselbe Hand, mit fleischfarbigen Pamina-Tricots (4) bis an die Achseln überzogen anstatt des Möpsgens der Urälter-Mutter, einen großen herzhaften Presto (5) oder Bayard (6) am rosenfarbenen Bande.
So sorgfältig die moderne Priesterin der Mode alle Umrisse ihres Körpers zu enthüllen strebt, so sorgfältig sucht der fine gentleman hingegen seine Contours zu verhüllen. Schenkel und Beine stecken in schlappen Engl. Halbstiefeln und weiten Pluderhosen, die hinab bis in die Stiefel und hinauf bis in die Herzgrube gehen, und den Händen gewöhnlich zur Herberge dienen.
Das kurze offenstehende Gillet zeigt ein glattes Hemd, ohne Jabot, auf welchem ein goldener Stern funkelt. Oben drüber schwillt von der Brust bis zu Mund und Ohren hinan die dickgepolsterte Halsbinde, von weißem oder buntem Musseline, auf welcher sich entweder ein geschorener Tituskopf, oder ein wilder Verhau von hereingezogenem Haar, das die ganze Maske versteckt, bedeckt von einem runden Hütchen mit fingerbreiter Krempe, herumdreht. Um diesen Elegant herum hängt ein weiter kaum bis auf die halben Schenkel herabreichender Frack, von dunkelblauem tuche, mit einem tief zur Brust herabsinkenden schwarzen Wulstkragen und Klappenaufschlägen an den Ärmeln, welche bis an die Fingerspitzen hervorgehen, und zum Arbeiten sehr vorteilhaft sind.
Da er von vielen Anstrengungen der Augen kurzsichtig geworden ist, so trägt er gewöhnlich eine Doppel Lorgnette (7) auf seinem Crochet oder Ecoutez (8) geschraubt in der Hand, um nicht ungalant gegen die Damen, und das was sie bemerkt wissen wollen, zu sein.[...]
Anmerkungen:
(1) Zephyr, ein Vergleich der klassischen Antike: griechische Windgottheit
(2) Kopfschmuck, Kopfband
(3) Loth/Lot, um 1800 beschreibt man das Gewicht dieser Maßeinheit mit etwa 14 gr - 18 gr
(4) Schmale, gestrickte Trikot Ärmel (und Hosen) in Fleischfarben waren sehr beliebt. Sie schmiegten sich eng an und unterstrichen den Wunsch halbnackt zu erscheinen. Wahrscheinlich geht der Name Pamina-Ärmel auf die weibliche Figur der Pamina in der beliebten Aufführung "Die Zauberflöte" von Mozart zurück.
(5) Das italienische "Presto" (schnell) avancierte zu einem beliebten Namen für Windhunde. In Christian Felix Weißes 1726 - 1804) Gedicht "Der Hase, der Windhund und die Katze" begegnet uns Presto literarisch festgehalten.
(6) Bayard, der Chevalier de Bayard (1476 - 1524) war ein französischer Feldherr, der als "Ritter ohne Furcht und Tadel" noch heute bekannt ist. Im Jahr 1801 veröffnetlich August von Kotzebue (1761 - 1819) ein Stück über ihn. Bayard war der Name für furchtlose Molosserhunde.
(7) Über Lorgnetten habe ich erst kürzlich referiert: "Sieh mal an! Ganz ohne Spott: Lorgnetten"
(8) Crochet (frz. für Haken) und Ecoutez (frz. für "Hör zu!") waren Stöcke, deren Sinn darin bestand, den Incroyables noch mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen, sei es, mit den Haken Zuschauer/Gesprächspartner heranzuziehen oder mit dem Ecoutez aufzustampfen.
Translation:
[...]Fashions of 1801. Now we see our elegant couple of modern times. The young lady, hooked to the offered arm of the modern Incroyable, - who, instead of gloves, has tucked his hands into his wide baggy pantalons - floats zephyr-like (1) in her red, ribboned greek sandals. The whole contour of her beautiful, or not beautiful body, is covered in so little fabric, that one could presume she's only dressed in fog and dawn light, and did not even has knowledge about a shirt, which was held high by our mothers and grandmothers. Her entire dress, the ostrich feathers and bandeaux (2) on her head counted in, weighs no more than 18 Loth (3), and probably the golden chain around her neck with the golden anchor of hope, would not change the scale. She's completely free of everything earthly, that she has no desire to break the image of the half-naked with pockets, hence she does not carry any items her ancestors would have with them in the old times, instead she holds her handkerchief in one hand and half a dozen of the latest almanacs and journals, which the new century bestowed on Germany, in her ridicule in the other hand. Often the same hand leads, covered in skin-coloured pamina tricots (4) up to over the armpits, instead of the old fashioned pugs, a big Presto (5) or Bayard (6) on a rose-coloured ribbon.
As carefully as the new priestess of fashion tries to reveal the contours of her body, the fine gentleman tries to cover them. His thighs and legs are stuck in baggy english half boots and pantalons, which reach down into the boots and up around the heart, usually the hands are placed in the pantalons. The high open gillet shows a plain shirt without a jabot, on which a golden star twinkles. On top of this bursts from the chest up to the mouth and ears a padded cravat made of white or coloured muslin, on top of that a titus head or a savage mess of hair, combed into the face, again covered by a small hat with a brim only as wide as a finger. around this elegant we see a fraque down to his thighs, made of dark blue wool, with a wide sloppy black collar and cuffs on the sleeved, which reach to the tips of the fingers, very comfortable at work. As his eyes are tired and short sighted from all strains, he usually wears a lorgnette (7) on his crochet or ecoutez (8) up in his hand, to not give the impression to be inattentive for the ladies' fashions.[...]
Annotations:
(1) Zephyr is taken from the classic, it's a greek God of the winds
(2) a fashionable head band
(3) a Lot/Loth around 1800 weighs about 14 Gramm to 18 Gramm
(4) Snug, knitted tricot sleeves (and pantalons) in a skin colour were the latest fashion and added to the impression of being half naked. Probably the term Pamina is taken from the female figure of Pamina in the famous and very popular Mozart's "The Magic Flute"
(5) The Italian "Presto" (quick/fast) has been a popular name for greyhounds. In Christian Felix Weißes 1726 - 1804) poem  "Der Hase, der Windhund und die Katze" we find a dog named Presto.
(6) Bayard, Chevalier de Bayard (1476 - 1524) was a famous knight and still known under the title "Knight without fear" today. In 1801 August von Kotzebue (1761- 1819) published a play about him. Bayard was the name of fearless molosser dogs
(7) I recently wrote about lorgnettes: "Sieh mal an! Ganz ohne Spott: Lorgnetten"
(8) Crochet (french for hooks) and Ecoutez (french for "Listen!") were names for canes, which purpose was to gain even more attention either by pulling people with the hook or stumping it on the ground to make bystanders listen.

Und was ist derweil in Paris los? Dort tobt das Haydn-Fieber. Alessandra berichtet ausführlich darüber (ihre Artikel sind mit dem Logo "Journal Journey 1801 gekennzeichnet): Journal des Dames et des Modes
And what happens in Paris meanwhile? The outbreak of the Haydn-Fever. Alessandra gives detailed info (her articles are marked with the logo "Journal Journey 1801): Journal des Dames et des Modes