Montag, 18. März 2024

Das von der Leyen Schlafzimmer im Jagdschloss Linn

 Hier geht es im Bezug auf Blogbeiträge in den letzten Tagen beinah zu wie im Taubenschlag. Möglicherweise beflügelt mich der nahende Frühling...oder die vielen Notizen und Erlebnisse der letzten Wochen und Monate.
Nach unserem Besuch in der Ausstellung "Prestigesache - Der bürgerliche Kleiderluxus des 18.Jahrhunderts"  in Krefeld zog es uns ob des herrlichen Tages und dank eines Kombitickets noch in das nahgelegene Jagdschloss Linn.
 
Eines vorweg: die nüchterne Überschrift zu diesem Blogbeitrag trifft bei Weitem nicht das Erlebnis an diesem Sonntagvormittag.


Der Vormittag unserer Ankunft war kühl, der Himmel noch wolkig, aber mit jedem Schritt klarte der Himmel auf und die Sonne schob sich hinter dem trüben Grau hervor.
Meine Gedanken kreisten noch durch die Textilausstellung und ich begab mich ein wenig unaufmerksam durch die Räume, bewunderte hier und da Portraits und Möbel, erfreute mich an der herrlichen Küche, erklomm die Treppe in das zweite Geschoss, wo mich ein Sonnenstrahl im Flur erwartete und mich in eines der Zimmer lockte - ja, und dann wurde es tatsächlich ein wenig theatralisch!
Ein Seufzer der Überraschung:
 
Das von der Leyen Schlafzimmer vereinahmte meine Aufmerksamkeit und Begeisterung im Nu...

...und verzauberte mich binnen Augenblicken!
Dem Zimmer mit den hellblau-weiß gefassten Louis XVI Möbeln (Westdeutschland um 1780) gelang es schon vor dem Eintreten, mich in die Zeit um 1790 zu versetzen.
Die kleine Kammer war sonnendurchflutet und nur über die Treppe stahl sich das Knarren der Dielen in der ersten Etage hinauf. Ein zeitloser Augenblick. Untermalt vom idealisierenden Sonnenlicht...das nennt man wohl zur rechten Zeit am rechten Ort!
 
Der erste Blick durch den Türrahmen an die gegenüberliegende Wand mit großem und kleinen Feuerschirm und zwei entzückenden und etwas freizügigen Portraits im Oval.
 
Das zarte graue Hellblau passt wunderbar zu der gelblichbraun gestreiften Papiertapete und den Pastellmalerei Portraits.
Davor ein Tischfeuerschirm. Rechts oben die eiserne Klappe zum Kamin.
 
Der große Feuerschirm, der die Farben des Zimmers gekonnt aufgreift.


Dreht man sich nach links blickt man in das kleine möblierte Zimmer und durch das Fenster in die Gartenanlage. Davor der einfache Schreibtisch mit Stuhl. Der Dielenboden ist hellblau getüncht.


Links neben dem Schreibtisch das Bett und anschließend eine Kommode direkt neben der Zimmertür, durch welche ich zuvor das Frauenzimmer betreten hatte.


Im gleichen sanft einfallenden Licht die gefasste Louis XVI Kommode mit Uhr und zwei flankierenden Feuertöpfen in herrlichstem antikisierenden Stil.



Wunderbare Simplizität mit Liebe zum Detail. Die Feuertöpfe oder Feuervasen dienen als Kerzenhalter und sind aus gefasstem Holz.



Fehlt das Sonnenlicht, erhellen Kerzen in den Feuertöpfen und eine bestückte Deckenleuchte das Zimmer.


Links neben der Kommode befindet sich die Bettstatt.

[...]Wie süß ist die Ruhe, wenn man mit dem Bewusstseyn, den verflossenen Tag wohl angewandt zu haben, sich zu Bette legen kann[...]
aus: Magazin Häuslicher Scenen und Beschäftigungen, Nürnberg, in der Johann Trautnerischen Kunsthandlung


Das Bett ist ebenfalls im dominierenden Weiß und Hellblau gefasst.

Die beiden Hinterglasschattenrisse auf blauem Grund über dem Kopfteil zeigen die Portraitsilhouetten von Nicolaus und Agnes Molenaar. Die Familie Molenaar stammt aus dem friesischen Workum. Im 18.Jahrhundert wurden zwei Mitglieder der Familie Prediger in der Mennonitengemeinde in Krefeld.
Nicolaus Molenaar indess war einer der beiden Mitbegründer des ersten Krefelder Bankhauses.
Auf dem Baldachin befindet sich eine Hutschachtel aus Span.

Der Baldachin vom Bett aus liegend betrachtet, mit einer Falballa ringsum und einem Stoffdach mit gefasster Stoffrose.

 
Der Blick aus der Bettstatt zur Tür zum Flur an einem sonnigen Vormittag.
 
Detail des Baldachinfries in Weiß und Hellblau, darüber ein kleines Sturmlicht.
 
Der Blick vom Schreibtisch neben dem Bett in den Raum hin zur Tür zum Flur...

...und der Blick zurück.

Die zweite Tür im Zimmer zur Raumflucht in das nachbarliche Zimmer. Dahinter eine niederrheinische Wellenkommode aus der Mitte des 18.Jahrhunderts, dem Stil der Einrichtung folgend ist sie weiß getüncht.

Auf der Kommode eine Devotionalie und die Mitglieder der Krefelder Familie Scheuten.

Ach, wie herrlich die Vorstellung hier über der Korrespondenz gebeugt Platz nehmen zu können...

...und dabei ab und an einen Blick hinaus durch das Fenster zu werfen.

Oder auf die wirklich bemerkenswerte gegenüberliegende Seite des Schlafzimmers.


Wohl einer der beeindruckensten Rokoko Waschtische, die man sich vorstellen kann!
Der Toilettenschrank aus einem Krefelder Bürgerhaus wurde in Neuwied gefertigt und stammt vermutlich aus der Werkstatt von David Röntgen (1743-1807).
Die polychrome gestaltete Arbeit zeigt die mythologische Darstellung des Raub der Europa.
Man stelle sich die vielen kleinen Ablage bestückt und von Kerzen umrahmt vor.
Im flackernden Licht mit grüßendem Blattgold ist das zweifellos ein unvergesslicher Anblick.

Der Kontrast zum Weiß, Hellblau und Grau des Schlafzimmers könnte nicht wirkungsvoller sein.
Im Raum die farbenfrohe, fantasievolle Mythologie, draußen vor dem Fenster die sich stets ändernde Natur mit ihren bewegenden Lichtern. Ich hätte noch Stunden in dem Zimmer bleiben und den Stimmen der Vergangenheit lauschen können...

...aber irgendwann heißt es Abschied nehmen.
Ein letzter Blick zurück in ein Zimmer, welches die Magie hat, einen für einen kurzen Augenblick in eine andere Zeit zu versetzen.
Vielleicht lässt sich meine Leserschaft auch vor Ort verzaubern?
Das Jagdschloss Linn in Krefeld hat täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet.

Freitag, 15. März 2024

Der Stoff aus dem die Träume sind: Die Ausstellung "Prestigesache" im Krefelder Textilmuseum

 Unter dem verheißungsvollen Titel "Prestigesache - Bürgerlicher Kleiderluxus im 18.Jahrhundert" lädt das Deutsche Textilmuseum in Krefeld vom 05.November bis 16.Juni 2024 zur Ausstellung. 
Vorab stimmten einige Videos - über die Website des Hauses verlinkt - aus der Textilrestauration auf die Ausstellung ein.
Die virtuellen Amuse Gueule taten ihre Wirkung und vor ein paar Wochen ging es endlich in die Textilstadt Krefeld.
um 1830, Unbekannter Künstler, Ansicht von Krefeld von Norden über Friedrichsplatz

Die Ausstellung selbst stellt Kleidungsstücke und Accessoires auf zwei Etagen vor, der Fokus liegt auf Seidenerzeugnissen, Stoffen und der Seidenverlegerfamilie von der Leyen. Alle Ausstellungsstücke sind gut zugänglich in freistehenden Vitrinen, einzig das Fotografieren ist durch die Spiegelung des Glases etwas schwierig.
Die Auswahl der Stücke ist ansprechend, es wird Wert auf Qualität statt Quantität gelegt, was dabei hilft sich auf alle Details einzulassen.
Die begleitenden Infotafeln sind ausführlich.
 
ca.Mitte 18.Jahrhundert, Unbekannter Künstler, Heinrich von der Leyen (1708-1782)


Im Mittelpunkt steht der Krefelder Seidenverlag, der 1730 von Heinrich von der Leyen (1708-1782) und  seinem Bruder Friedrich (1701-1778) gegründet wurde.

Die ausgestellte Kleidung schlägt den Bogen vom 18.Jahrhundert bis in die 30/40er Jahre des 19.Jahrhunderts. Damenkleidung, Herrenkleidung und Kinderkleidung sind ausgestellt.

um 1770/80 Robe a la Piemontaise, später mehrfach verändert, Pekin mit leinwandbindigem Grund


um 1760/70 Damenschuhe, Europa, Seidendamast

Die Kleidung des späten 18.Jahrhunderts und frühen 19.Jahrhunderts wird durch Ausschnitte aus den damals herrschenden Modejurnalen begleitet, allen voran das Weimarer Journal des Luxus und der Moden, aber auch das Leipziger Journal für Fabrik, Manufaktur, Handlung und Mode
 
links ca.1810, Chemiasenkleid, rechts ca.1815 Pelisse mit Wattierung, Frankreich (?)


 
Während die erste Etage sich vornehmlich der Damenkleidung und großen Stücken von Seidengeweben widmet, herrscht in der zweiten Etage die Herrenkleidung vor.
 
3.Viertel 18.Jahrhundert, Herrenweste, Seide

 
letztes Viertel 18.Jahrhundert, Herrenweste aus Seidenlamé

3.Viertel 18.Jahrhundert, Hausmütze Ajourstickerei, Deutschland (?)

Der Schwerpunkt liegt neben weiteren Ensembles und vielen Accessoires auf dem Angebot und der Zirkulation seidener Textilien in Krefeld im 18.Jahrhundert und frühen 19.Jahrhundert.
Die zahlreichen Seiden-und Samtmuster spiegeln die große Angebotspalette der europäischen Seidenproduktionen allgemein und des Seidenverlags von der Leyen im Besonderen eindrücklich wider.

1790er Jahre, Halbfertigware für eine Herrenweste, England


Die vorgestickte Halbfertigware mit verschiedenen Stickereien (Plattstich, Schrägstich, Strahlenstich, Knötchenstich und Stielstich) auf Seide aus den 1790er Jahren war selbstverständlich mein Favourit.

Besonders spannend waren im Folgenden die Musterbücher und Stücke aus Krefelder Produktion.
Die schiere Viefalt an Geweben und vor allem Farben ist beeindruckend und zeichnet ein lebendiges und buntes Bild aus dem nicht gar so grauen Alltag um 1800. 
Farbenfroh präsentiert sich die Auswahl an Samtmustern aus dem Auftragsbuch des Seidenverlags Friedrich & Heinrich von der Leyen um 1807-1809









Nach dem wunderbaren Farbenrausch der Samtmuster, ließ ich mich eine ganze Weile von den Samt-und Seidenmuster des Krefelder Seidenverlags aus den 1770er bis 1810er Jahren verzaubern.



Herrliche Muster, die einen vor dem inneren Auge bereits die Nähnadel zücken lassen.
Zu der Ausstellung gibt es erfreulicherweise einen sehr ausführlichen Begleitkatalog, in dem weitaus mehr Kleidungsstücke vorgestellt werden, als es mir die spiegelnden Virtinen erlaubt haben hier wiederzugeben.
Das gleichnamige Buch "Prestigesache" behandelt alle Ausstellungsstücke ausführlich und ermöglicht zum Teil auch Blicke in die Kleidungsstücke und viel Detailswissen rund um den Handel mit Textilien im ausgehenden 18.Jahrhundert am Niederrhein.
Das Buch wurde herausgegeben von Isa Fleischmann-Heck, erschienen im Nünnerich-Asmus Verlag.
Der 216-seitige Katalog ist über das Textilmuseum oder den Buchhandel für 30 Euro erhältlich.