Donnerstag, 15. Februar 2024

Der Kult der Freundschaft: Frauenzimmer Stammbücher

 Beinah zehn Jahre ist es her als ich mir erstmalig die Frage Quis leget haec stellte und meine Leidenschaften für die Zeit um 1800 auf den Prüfstand hob.
Mit der Frage verbunden war die Entscheidung über die künftige Ausrichtung meiner Internetseiten.
Ich hatte früh festgestellt, dass es die Recherche und das Handwerk selbst waren, die mich für die Beschäftigung mit der Mode begeisterten und ich war mir sicher, dass ich von der Mode in den Alltag um 1800 vorstossen wollte.
Für mich war und ist die Mode immer Ausdruck der Zeitgenossen: Kleidung, nie Kostüm und durch Quellen wollte ich ihr mehr Dimensionen schenken und den Menschen von damals näher kommen.
Dabei konnte und kann ich nie verleugnen, dass ich ursprünglich aus dem Buchhandel komme und mich  die Literatur in die Zeit um 1800 geführt hatte.
Ich bin mir gewiss, dass das Auffächern nicht in Richtung anderer Mode-Epochen oder Berichte über Veranstaltungen wie Bälle, Reenactments etc., sondern hin zu den schriftlichen Nachlässen, bereits einige Leser verbrämt hat, aber vielleicht konnte ich in den letzten Jahren auch eine neue Leserschaft gewinnen, die nicht unbedingt Kleidung im Fokus hat.
Während der letzten Jahre hat mich immer wieder der Freundschaftskult des ausgehenden 18.Jahrhunderts beschäftigt und seine mannigfachen Ausdrucksweisen. 
Die eigene bibliophile Neigung führte irgendwann zum ersten Stammbuch, dem Poesiealbum des 18.Jahrhunderts, dem Inbegriff der Freundschaft.
Oftmals tragen die kleinen Büchlein in Goldlettern geziert den Titel "Denkmal der Freundschaft" oder "Der Freundschaft gewidmet".
Mein erstes Album Amicorum, das ich nachfolgend vorstellen werde, stammte aus dem Besitz einer jungen Frau, Tochter eines Geistlichen aus Weissenburg.
Fortan ließen mich die kleinen Alben nicht mehr los und meine Sammlung wuchs, wobei es ausschließlich "Frauenzimmer-Stammbücher" um das Jahr 1800 sind, denn zu jener Zeit verbreitete sich dieser Ausruck der Freundschaft auch unter den gutbürgerlichen jungen Damen, man könnte behaupten: 
es wurde Mode!
 
1792, Rosine Alexandrine Freiin von Korff-Schmiesing im Park, gemalt von Johann Christoph Rincklake (Bildquelle: wikipedia)

Für mich eines der berührendsten Freundschaftsbilder, das mit den Attributen der Freundschaft, wie die "Brücke", der Tempel der Freundschaft, das flammende Herz als Wetterfahne auf selbigem, die Rosen und Vergißmeinnicht, nicht spart, ist Rincklakes Gemälde von der Freiin Korff-Schmiesing.
Rückseitig beschriftet ist es wie folgt: 
Rosina Alexandrina Chanoinesse in Freckhorst hat sich 1792 so malen lassen, denkend an ihre gute Freunde und Freundinnen, wo unter Gewiß ihre Geschwister gehören und empfiehlt sich ihren werthen andenken bestens.
In dem Buch Johann Christoph Rincklake - ein westfälischer Bildnismaler um 1800 von Hildegard Westhoff-Krummacher wird das Büchlein, welches die Freiin in den Händen hält, dank Aufschrift als "Silhouette Cheries" identifiziert.
Diese Silhouetten finden sich auch häufig in Stammbüchern, neben Haarlocken wohl die persönlichsten Nachlässe der Einträger.
Innige Zeilen der Freundschaft, Gedichte, kleine Stickereien, ein buntes Allerlei der Zuneigung, wer würde da nicht in Sammelleidenschaft geraten?
 
Nach wie vor halte ich es mit Helmina von Chezys Freude am Entdecken und Ethik des Teilens, daher möchte ich meine kleine Sammlung nach und nach der interessierten Leserschaft, Bibliographen, Biographen und Forschenden zugänglich machen.
Aus diesem Grund strebe ich an, die betreffenden Blogbeiträge auch über das RAA Repertorium Alborum Amicorum verknüpfen zu lassen. 

Auf meiner Startseite führt im Sidebar rechts ein Link mit Bild  "Album Amicorum Bibliographie" zu einer Auflistung, welche laufend mit Basisdaten/Bibliographie und später mit Verlinkung zu Digitalisaten ergänzt wird.

Der derzeitige Stand der Sammlung an Frauenzimmer Stammbüchern

Unter der Sammlung befinden sich sowohl gebundene Alben als auch Kassetten mit losen Blättern


Aufbewahrt werden die kleinen Schätze in eigens dafür gefertigten Schachteln aus säurefreier Pappe

Folgend findet sich das Digitalisat des Stammbuchs der C.Sophie Freyer aus Weissenburg, geführt 1789-1791










Blatt 1 Vorderseite

Blatt 1 Rückseite

Blatt 2

Blatt 3

Blatt 4

Blatt 5 Vorderseite

Blatt 5 Rückseite

Blatt 6

Blatt 7

Blatt 8 Vorderseite

Blatt 8 Rückseite

Blatt 9 Vorderseite

Blatt 9 Rückseite

Blatt 10 Vorderseite

Blatt 10 Rückseite

Blatt 11

Blatt 12

Blatt 13

Blatt 14

Blatt 15

Blatt 16

Blatt 17


6 Kommentare:

  1. Dearest Sabine! Can you clarify what these actually are? Are they similar to what we call Commonplace books - collections of prose, verse and images that people use to keep for themselves? I am fascinated. Thank you for sharing your latest passion.

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    1. Thank you for your interest, Angela. The Album Amicorum is a memory or friendship book, which includes entries made by friends and family aof the owner. The entries often come with poems, silhouettes, embroidery etc.

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  2. Wie wundervoll! Und was für eine stolze Sammlung! Ich freue mich schon auf diese Vorstellungen! Leider fällt es mir sehr schwer, diese Schreibschrift zu lesen. Ich übe, aber naja jeder schreibt ja doch etwas anders, wie auch heut nicht anders!
    LG Kerstin

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    1. Vielen Dank, liebe Kerstin. Ja, wirklich, manche Einträge lassen sich flüssig lesen, einige kommen eher widerspenstig daher und ich brauche etwas länger um sie zu transkribieren...aber es lohnt sich immer!

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  3. Dear Sabine,
    What a gift to readers and research communities these friendship books are. It will be a labor of love, and so appreciated.

    C. Sophie Frayer's book says a great deal in itself. First, there is the slipcase. It may have been modish but may also attest to how precious the little volume was to its owner.

    There are friendship books known in the United States, but I do no know when they started to be popular. I associate them with the Victorian period, during which young ladies wrote in each others' books. They could be decorated with drawings, paintings, or "scrap", little highly colored cutouts, often quite sentimental.

    There's an English-language book about them on Amazon: https://www.amazon.com/Women-Friendship-Collection-Victorian-Traditions/dp/1556702426.

    Hoping all is well,

    Natalie across the pond


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    1. Thank you very much for your message, Natalie! I am glad I've received so much positive feedback about this new niche of research on my blog. I was pondering about branching out to ephemera from that time for quite a while and I think it's a wonderful addition to clothing. It will take a while to photograph all the albums, but they are so beautiful and some contain such interesting details, and some album holders are connected to others, so it will be very interesting for research, too.

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