Montag, 12. August 2024

Als die Kattundrucker Farbe ins Spiel brachten...

 Gegen Ende des 18.Jahrhunderts gewannen die bedruckten Kattunstoffe in Europa immer mehr an Beliebtheit und viele Journalherausgeber der Zeit taten das ihrige, indem sie ihren Publikationen Stoffproben beifügten. Neue Produktionsstätten entstanden um der Nachfrage gerecht zu werden und "Dessein=Zeichner" übertrafen sich mit farbenfrohen Mustern, die auch heutige Augen noch zu begeistern wissen! Glücklicherweise sind Journale, Musterbücher und vor allem Kleidungsstücke selbst als Zeitzeugen der unglaublichen Vielfalt an bedruckten Stoffen (und auch Papieren) erhalten.
Betrachtet man diese Erzeugnisse der Vergangenheit, erwacht nicht selten der Wunsch sie wieder auf dem Nähtisch liegen zu haben und verarbeiten zu können.
1807, The Book of Trades or Library of the useful Arts, Part III, London (Quelle: googlebooks)

Um sich ein Bild vom Umfang der Produktion machen zu können, hilft ein Blick in die Jahrbücher und Journale, welche diesen neuen Industriezweig und die fortschreitende Mechanisierung festgehalten haben.
Die Kattundruckerei Johann Achatius Hartner gewährt uns Einblick in die Belegschaft einer solchen Manufaktur im Jahr 1792:
1798, Jahrbücher der Preussischen Monarchie unter der Regierung Friedrich Wilhelm des Dritten, Dritter Band, Berlin, Unger (Quelle: googlebooks)

Transkription:
[...]Außerdem sind auch noch einige beträchtliche Kattundruckereien in Erlang. Hr. Johann Achatius Hartner hatte in seiner Fabrik im J.1792
32 Drucker mit ebensoviel Streich=Jungen
3 Dessein=Zeichner
6 Formschneider mit ihren Gesellen und Jungen.
12 Glätter
30 andere Arbeitsleute und Tagelöhner
150 Zitz.und Kattun=Mahlerinnen an verheiratheten und ledigen Weibspersonen.
42 an den Verwandten der Formschneider und Streich=Jungen.
275 Personen in Summa.[...]

Auf Messen und in entsprechenden Journalen werden immer neue Maschinen vorgestellt, welche die Arbeit der Formschneider und Drucker verbessern und erleichtern.
Der Siegeszug der bedruckten Baumwollware ist nicht mehr aufzuhalten.

Und in eben dieser unaufhaltsamen Geschwindigkeit formte sich bei mir der Wunsch, einige der Muster, die mir in den vergangenen Jahren immer wieder aufgefallen waren, wieder auf Stoff zu drucken.
Im Sommer/Herbst 2022 war es soweit und ich übte mich wie die einstigen Dessein=Zeichner darin geeignete Druckvorlagen nahe am Original herzustellen und die fleißigen Bienchen von Cotton Bee setzten meine Ideen schließlich für mich um.

Als Anregung dienten mir Kleidungsstücke aus verschiedenen Museumssammlungen, Barbara Johnsons Buch A lady of Fashion (1746-1823), die Stoffmuster der Fa.Christoph Burckhardt Basel und die Stoffmuster der Journale um 1800.
1797, Journal für Fabrik, Manufaktur, Handlung und Mode, Band 12, Mai, Leipzig (Quelle: Universitätsbibliothek Heidelberg - Heidelberger Historische Bestände digital)


Fotocopyright: Kerstin Klotsche



Die Muster wurden auf verschiedenen Baumwollstoffqualitäten realisiert, um für unterschiedliche Kleidungsstücke vom Musselinkleid zum Caraco bis hin zum Spenzer zu dienen.
 



Besonderes Augenmerk fiel bei meiner Suche auf ein Muster, welches 1793 im Journal für Fabrik, Manufaktur, Handlung und Mode vorgestellt wurde. Es handelte sich nicht um ein beigefügtes Stoffmuster, sondern ist auf Papier gedruckt.
 
1793, Band 2, Journal für Fabrik, Manufaktur, Handlung und Mode, Januar, Tab.II, Leipzig (Quelle: googlebooks)

Der dazugehörige Text des Journals stellt die Muster für Tücher genauer vor:
1793, Band 2, Journal für Fabrik, Manufaktur, Handlung und Mode, Januar, Leipzig (Quelle: googlebooks)

Transkription:
[...]Unter den Druckwaaren auf Mousselines und Kattun sind vorzüglich die Frauenzimmer=Tücher einer der vorzüglichsten Artikel, welcher sich durch seine Gemeinnützigkeit und Muster=Verschönerungen sehr erhält. Tab.2. fig.1. stellen zwey der neusten Dessins davon dar, man verlangt sie mehrentheils 8 bis 10/4 groß.
Ein diesem nahe kommender Artikel sind die Shawls, welche vorzüglich in paille und chamois Grund mit puce Kanten, sowohl gedruckt als gestickt, gesucht werden.[...]

Oh! Gleich dreimal liest man "vorzüglich", die Begeisterung der Herausgeber konnte ich nachvollziehen. Ich setzte mich also dieses Jahr endlich daran, aus dem kleinen Muster eine Vorlage zu fertigen und entschied mich für ein kleines Frauenzimmer=Tuch auf Chamois Grund in der Größe von 75 x 75...und da mir das Muster, das mit den Federn an die Heraldik "Ich dien" des Prince of Wales, und mit den Medallions an Wedgwood erinnert, so sehr gefiel, fertigte ich gleich ein paar mehr für liebe Freundinnen, denn Tücher kann man nie genug haben!

Die Kanten sind von Hand fein versäubert und das Frauenzimmer=Tüchlein fertig zum Erfreuen!

Es bedeckt Hals und Busen ebenso schön wie es den Kopf schmücken kann!


Wer gerne mehr über das Thema der Kattundrucker erfahren möchte, dem sei der Link zu der Publikation Journal für die Zitz=Kattun oder Indiennedruckerei, die Seiden=und Zeugdruckerei, auch Wollen=Seiden=Baumwollen=und Leinenfärberei und Bleicherei von Johann Gottfried Dingler von 1806 empfohlen.

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