Mittwoch, 25. September 2013

Dichtung und Wahrheit?

Heute muß ich für den Titel den berühmten Johann Wolfgang von Goethe bemühen.
Während ich nichtsahnend auf der Suche nach einigen Modekupfern für mein derzeitges Ensemble auf dem Nähtisch suchte, ließ ich mich ablenken und stolperte über die
 'Göttingischen Taschenbücher zum Nutzen und Vergnügen',
 die im späten18./ frühen 19. Jahrhunderts von Heinrich Dietrich in Göttingen herausgegeben wurden.
Ich entdeckte einen wunderschönen - mir bis dahin unbekannten - Modekupfer aus dem Jahr 1811, der mich erst faszinierte und dann - bei genauerer Betrachtung - nahezu sprachlos machte!
Aber, meine werten Leser mögen sich selbst ein Bild machen:
Today's title refers to the famous biography of Johann Wolfgang von Goethe, which can be translated as 'ficton and truth'.
While I was searching for fashion plates for my latest ensemble on the sewing table, I got distracted once again and stumbled upon the journals 
'Göttingisches Taschenbuch zum Nutzen und Vergnügen', 
which have been published in the late 18th/early 19th century by Heinrich Dietrich in Göttingen.
I've found a lovely - and unfamiliar - fashion plate of the year 1811, which at first fascinated me and then without doubt made me speechless!
My dear readers surely will decide for themselves:
1810, Göttingisches Taschebuch zum Nutzen und Vergnügen für das Jahr 1811, Costumes de Bal (Quelle/source: über ZVAB)

Meine Sprachlosigkeit bezieht sich auf den Modekupfer auf der linken Seite. Die erste Dame ist uns allen bestens aus den 'Costume Parisien' Kupfern bekannt.
Vorzugsweise wird ihre Abbildung in der heutigen Nacharbeitung herangezogen, wenn Belege für Korsetts (Unterwäsche!) benötigt werden.
My speechlessness refers to the fashion plate on the left. The first lady is familiar to most of us from the 'Costume Parisien' fashion plates.
Preferable it is referred in modern re-creation to this plate when sources are needed to prove a certain shape of corsets (underwear!).

1810, Costume Parisien 'Corset de Tissu de fil en X' (Quelle/source: SceneInThePast)

Auf dem Modekupfer des Originals wird das Kleidungsstück als 'Corset de Tissu' vorgestellt.
Bislang wurde das Kleidungsstück daher in der heutigen Reproduktion von Kleidung im Sinne von Unterwäsche behandelt.
Laut dem deutschen Journal aus dem selben Jahr (1810 verfasst) handelt es sich aber nicht um Unterwäsche, sondern eine Modebesonderheit, die über dem eigentlichen Kleid bzw Ballkleid getragen wird.
Leider findet sich kein Text des 'Journal des Dames et des Modes', der Aufschluß über die Trageweise des 'Corset de Tissu' gibt, allerdings wird das Original den Herausgebern des Göttingischen Taschenkalenders vorgelegen haben, nach dem der Kupfer gestochen wurde. 
(Kopien von Modekupfern waren damals eine durchaus gängige Praktik: Abgekupfert)
Unterwäsche? 
Oberbekleidung nach der neusten Mode?
Haben die Herausgeber und Kupferstecher des deutschen Magazins in ihrer Recherche nachlässig gearbeitet?
Haben heutige Leser das Bild/Begrifflichkeit falsch aufgefasst?
In the original fashion plate the garment is labelled as 'Corset de Tissu'. So far this garment was dealt with as 'underwear' in nowadays fashion re-creations.
According to the German journal of the same year (written in 1810) it wasn't underwear however, but a latest fashion to wear over the actual dress, e.g. ball dress.
Unfortunately there's no text from the 'Journal des Dames et des Modes' available, which could give a hint on how this 'Corset de Tissu' was worn, but probably the publishers of the Göttingischen Taschenkalender have had the texts after which they have done their plates.
(Copies of fashion plates have been a common method: Abgekupfert
Underwear?
Latest fashion in outer wear?
Have the publishers and engravers of the German journal been careless in their research?
Have today's readers got a wrong picture/term?

Ich bin geneigt, letzterem Punkt zuzustimmen, wenngleich es für jede in Frage kommende Betrachtung ein durchaus plausibles 'Für' und 'Wider' gibt und eine erschöpfend Auskunft uns wohl eher vorenthalten bleibt.
Werfen wir gemeinsam einen Blick auf den Begriff 'Corset' in dem Französisch/Englischen Wörterbuch von Thomas Nugent.
Noch in der Ausgabe von 1817 (ebenso wie in der früheren Ausgabe von 1808) wird das französische 'Corset' mit 'jumps' oder 'bodice' übersetzt (Dtsch, etw. 'Mieder')
I'm likely to go for the latter, although each consideration offers 'pros' and 'cons', and undoubtly it's unlikely we'll might find the right answer.
Let's take a closer look at the term 'corset'  in the French/English dictionary of Thomas Nugent.
In the 1817 print (like in the earlier publication from 1808) the word is still translated with 'jumps' or 'boddice'

 1817, The New Pocket Dictionary of the English and French Language, Thomas Nugent
(Quelle/source: googlebooks)

Erst im Jahr 1821 wird der Eintrag korregiert, hingehend, dass es nun mit 'stays' (Dtsch, 'Schnürleib', später 'Korsett) übersetzt wird.
It takes until 1821 to correct the word into 'stays'
1821, The New Pocket Dictionary of the English and French Language, Thomas Nugent
(Quelle/source: googlebooks)

Ein weiteres Mal beweist sich, dass Moden und Begrifflichkeiten, die damals in Gebrauch waren, aus heutiger Sicht stets mit Vorsicht betrachtet werden sollten.
 Yet another proof, that fashion and it's terms, which have been in use back then, should always be dealt with utmost care.

EDIT: (Februar/February 2014)
Im Zusammenhang mit unserem Projekt "Journal Journey into the Year 1811" stieß Alessandra in der Februarausgabe des Journal des Dames et des Modes auf einen Leserbrief,
welcher der Feder des Hersteller des 'Corset de Tissu en X' entstammte. Aus seinem Text geht eindeutig hervor, dass das Corset im Sinne von Unterwäsche zu verstehen ist.
Nachzulesen: hier!
While doing research for our project "Journal Journey into the Year 1811" Alessandra digged out a reader's letter in the February issue of the Journal des Dames et des Modes. The writer happened to be the inventor of the 'Corset de tissu en X', which he clearly described as underwear.
Please read : here!

Dienstag, 10. September 2013

Weimarer Wochenende


In den dunklen herbstlichen Tagen des vergangenen Jahres, wünschten sich die bezaubernde  Alessandra und ich an einen sonnigen, anheimelnden Sehnsuchtsort: 
Weimar!
Die Idee war geboren, aber es sollte noch beinah ein Jahr voller Planung verstreichen, ehe wir auf diesen fabelhaften Einfall vor Ort in illustrer Gesellschaft anstoßen konnten.
In der gleichnamigen Biographie über Dorothea Schlegel (1764 - 1839) heißt es 
'Ich möchte mir Flügel wünschen', sie lebte einige Zeit in Jena, traf dort auf Goethe, ob sie je weimarer Boden betrat entzieht sich meiner Kenntnis...
...aber dort, an jenem elektrisierenden Ort, hätt' sie beflügelt werden können.
Uns ist's jedenfalls gelungen.
Drei Tage, in denen ich kaum zum Atemholen kam (und leider auch nur selten, um auf den Auslöser meiner Kamera zu drücken!), denn die Zeit verstrich wie im Fluge, Gespräche bahnten sich unentwegt an und das herrlichste Sommerwetter im September rang uns mitunter einiges ab,
doch nie...niemals möcht ich dieses Wochenende missen.
Ein Kaleidoskop an wunderbaren Charakteren, ein heiteres Durcheinander der Sprachen, gepaart mit der herrlichsten Garderobe, die man sich an Frauenzimmern und Mannsbildern nur denken kann, und gekrönt von Höflichkeit, einem Höchstmaß an Sympathie und munterer Geselligkeit, 
kurz: es war ein unbeschreibliches Vergnügen!
In the dark autumnly days of the past year, the lovely Alessandra and I dreamt of a sunny and homey Sehnsuchtsort (place of nostalgia):
Weimar!
The idea was formed, but one year of forging plans has had to pass until we could raise our glasses, surrounded by the most amazing company, to cheer on this locally.
There's a written biography about Dorothea Schlegel (1764 - 1839) with the title 'Ich möcht mir Flügel wünschen' ('I'd like to yearn for wings'), she lived a few years in Jena, met Goethe there, but it's unknown to me wether she ever set a foot onto weimarer ground...
...the place where she might have found her wings to soar.
Well, we've been sucessful in that regard.
Three days, in which I could hardly find time to take a deep breath (or to take many pictures, I'm afraid), because time dashed by, chats never ceased and the incredible late summer sunshine sometimes made us feel exhausted,
but I don't want to ever...never ever have missed this weekend!
A kaleidoscope of delightful characters, a happy mix of languages, together with the most amazing wardrobe ladies and gentlemen could ever be dressed in, and all these treats crowned with courtesy, utmost mutual sympathy and merry companionability,
in short: it was an incredible delight!

Am Freitag Nachmittag bezogen Kerstin, eine weitere Freundin und ich unser Quartier in der Nähe des Goethehauses.
Das wunderschöne Gebäude fiel mit seinem Baujahr 1823 zwar ein wenig aus dem Zeitrahmen, aber es war ein Ort zum Wohlfühlen und alle Sehenswürdigkeiten und die Unterkünfte, in denen die Mitglieder unseres Weimarer Salons residierten, lagen nur einige wenige Minuten entfernt.
On Friday afternoon Kerstin, another friend of mine and I arrived at our accomodation not far away from Goethe's home.
Our lovely house, which fell a bit out of the time frame being built in 1823, was a cosy place to stay and close to all sights and the accomodations of our fellow members of the Weimarer circle.

 Nachrichten und Neuigkeiten machten auf briefliche Art und Weise die Runde. Und Dank der Zuverlässigkeit des Postillions, versammelte sich unsere Gesellschaft wie vereinbart vor dem Haus des Geheimrats Goethe am Frauenplan.
Der Freitag stand im Zeichen des Kennenlernens bei einem gemütlichen Bummel durch die Gassen, einem spontanen Tanz auf der Esplanade (heute: Schillerstraße), einem Besuch der Meissen Porzellanhandlung und der herrlichen Hoffmannschen Buchhandlung.
Wir ließen Goethe, Schiller und die Hofgesellschaft wissen, dass wir vor Ort sind, wurden aber noch nicht vorstellig.
Messages and news were sent via letters. And due to a most reliable postillion, we all gathered on the agreed time at Goethe's house at the Frauenplan.
Friday was devoted to getting to know each other during a stroll through the streets, a sudden dance on the Esplanade  (today: Schillerstrasse), a visit to the Meissen porcelain shop and the stunning Hoffmann's bookstore.
We gave note to Goethe, Schiller and the court, that we've arrived, yet we did not pay a visit, yet.

Am folgenden Tag warteten wir beladen mit Körben voller Köstlichkeiten vor dem Hotel Elephant auf unsere beiden Kutschen, um Weimars Straßen zu kreuzen und schließlich im Ilmpark unser Picknick abhalten zu können.
On the following day we waited (packed with baskets full of delicious food) for our two coaches at the Hotel Elephant, to get through the streets and finally have our picknick at the Ilm Park.
Bei herrlichstem Sonnenschein ging es über das Kopfsteinpflaster durch die Stadt, bis unser Kutscher uns letztendlich an der berühmten Herzogin Anna Amalia Bibliothek absetzte, von wo aus wir zu Fuß durch den Park zu Goethes Gartenhaus schlenderten.
Dort im Schatten der alten Bäume mit Blick auf das berühmte Gartenhaus und die Ilmauen, ließ es sich aushalten.
We've had the most beautiful sunshine, while the coach clattered along the cobbled streets, until the coachman eventually stopped at the famous Duchess Anna Amalia Library, from which we took a stroll through the Ilm park to the famous Goethe's gardenhouse.
We settled in the shade of two old giant trees next to the house and the river Ilm.

Im Hintergrund ist eine der beiden Pforten zum Garten zu sehen. Nach dem Schmaus, nutzten einige von uns die Gelegnheit das Gartenhaus zu besuchen, zu dösen, zum Vergnügen aller ein Gedicht zu zitieren oder Blindekuh zu spielen...
The white gate leads to the garden. After the feast some of us visited the house, took a nap, quoted a poem or played blindman's buff...


...oder man unterhielt sich über Goethe.
...or chatted about Goethe.

Gänzlich konnten wir uns der Muße dann aber doch nicht hingeben, denn am Nachmittag waren wir zu Besuch im Bertuchhaus (Stadtmuseum), um mehr über Friedrich Justin Bertuch und das berühmte 'Journal des Luxus und der Moden' zu erfahren, ehe wir abends in das Gasthaus 'Zum weißen Schwan' unmittelbar neben dem Goethehaus einkehrten.
But we couldn't devote ourselves entirely to idleness, as we've had an appointment to pay a visit to the Bertuchhaus (Stadtmuseum) in the afternoon, to learn more about Friedrich Justin Bertuch and the famous 'Journal des Luxus und der Moden', before we settled at the 'Zum weißen Schwan' for supper.

Den allgegenwärtigen Schuhfotos setzten wir ein Hutfoto entgegen. 
Ich bitte meine Leser den etwas verwackelten Zustand des Bildes zu entschuldigen, aber ich denke, so wird sich Goethe beim abendlichen Verlassen des 'weißen Schwanes' auch manches Mal gefühlt haben...
Instead of the common 'shoe shot' we deliever a proper 'hat shot'.
I may ask my dear readers to apologize the blurry picture, but I guess this gives a good impression of how Goethe sometimes felt after leaving the 'Zum weißen Schwan' for home...

Der Sonntagvormittag stand dann zur freien Verfügung, ehe wir uns gegen Mittag in der Anna Amalia Bibliothek trafen. Einige besuchten das Schillerhaus, einige das Haus des Dichters Goethe...und einige beide Häuser.
Wir entschieden uns für die morgendliche Stimmung im Goethehaus.
On Sunday morning we've had no program, til we've met at 1pm to visit the Anna Amalia library.
Some paid a visit to the Schillerhouse, some went to Goethe's house...and some managed to visit both.
We decided on a visit to Goethe's house. 


Viel zu schnell rückte das Ende unserers gemeinsamen Wochenendes und damit auch der Abschied näher.
Es war ein unvergessliches Wochenende!!!
 All to quickly our lovely weekend approached it's end and it was time to say farewell.
It was an unforgetable weekend!!!

DANKESCHÖN - THANKS A LOT - MERCI BEAUCOUP


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