Der August ist da und im Jahre 1811 scheint ganz Weimar in die Sommerfrische verschwunden zu sein, denn abermals bedient sich das Magazin bei seinen Modeberichten ausschließlich
an der Vorlage des Pariser Journal des Dames et des Modes (vom Juni des Jahres).
Wo im Monat zuvor noch ausführlich das bekleidete Haupt der Herren beschrieben wurde,
sind es nun die Damenhüte, die beim Publikum beworben werden...
...mitsamt einer Fülle wunderschöner Blumen.
Wir alle tragen sicher noch das überwältigende Florakleid der Leipziger Messe in Gedanken
(und ich bin immer noch auf der Suche nach Hinweisen dazu),
umso erfreuter bin ich heute, dass Flora erneut mit ihren Reizen bezaubern darf.
Also wenden wir uns ihrem Füllhorn zu!
Finally August is here and in 1811 everyone in Weimar seems to be gone enjoying the summer, because the magazine once again solely relys to copy the french Journal des Dames et des Modes (of June).
While a month before the focus was on the well dressed heads of the gentlemen, now lady's hats are advertised to the audience...
...with an abundance of flowers.
As we hopefully still carry the image of the flora dress from the Leipzig Fair in our thoughts,
(I'm still trying to find more hints of this dress),
Flora may once again shower you with a wealth of her charms.
Let's now pay attention to her cornucopia!
Journal des Luxus und der Moden
August1811
(Herausgeber/Verleger Friedrich Justin Bertuch, Weimar)
1811, August, Journal des Luxus und der Moden
(Quelle/source: Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB))
XIII.
Erklärung der Kupfertafeln
Tafel. 22 1. Eine Pariser Dame im Strohhut mit Spitzen und Blumen garnirt. Dazu trägt sie ein Mantelet und Canezou von Perkale
2. Drei Strohhüte mit untergelegtem seidenen Zeuche aus der Modenhandlung der Madame Hoffmann in Leipzig
XIII. Explanation of the copper plates
Plate 22. 1. A Parisian Lady wearing a straw hat, decorated with lace and flowers. She also wears a mantelet and a canezou made of percale
2. Three straw hats covered with silk fabric from the millinery shop of Mme Hoffmann, Leipzig
XII.
Pariser Modeberichte
XII. Parisian Fashion report
Vom 20.Junius 1811
Bei den Haaraufsätzen zum vollen Anzug (1) sieht man fast keine Blumenbouquets mehr. Bald ist ein Bandeau, bald ein Diadem von Blumen, bisweilen sieht man außer dem Bandeau noch am Hinterkopfe eine Guirlande, oder ein Netz, welches einen Theil des Kopfes verdeckt.
Hierzu wählt man Blumen aller Art, oder wenigstens von allen Farben. Viele Diamanten sind in Form von Aehren gefasst. Vergangenen Sonntag hatten fast alle Toquen weiße Federn. Zum gewöhnlichen Anzug erhält sich noch der weiße Bast. Die Bänder von jeder Art sind gebognet (festonnés) und gefranzt.
Of 20th June 1811
There are hardly any flower bouquets on the hair with full dress (1). It’s rather a bandeau, a tiara of flowers, or a kind of small festoon with the bandeau at the back of the head, or a hair net, which covers part of the head.
Flowers of all kinds are chosen, or at least of all colours. Lots of diamonds are put into the shape of wheat ears. Last Sunday almost all toques sported white flowers. White bast still is worn with the half dress. Ribbons of all kind are scalloped and fringed.
den 25.Junius
den 25.Junius
Nichts ist zum Negligé passender als ein gelber Strohhut, zumal wenn ihn weiße Federn zieren. Die neueste Lieblingsblume bildet eine grüne Kugel und heißt Fragarine (2). In den Mode=Magazinen, wohin diese Blume noch nicht gekommen ist, nimmt man Orangenblüten mit Jasmin untermischt, blühende Myrthen, weiße Nelken, weiße Rosen. Die Bänder, noch immer breit, noch immer ausgebognet und gefranzt, werden jetzt entweder großwürflich (rayés a grande carreaux) oder glatt getragen. Im letzten Fall sind sie weiß von Farbe. Weiß ist die herrschende Farbe.
the 25th of June
Nothing fits better to the undress than a yellow straw hat, especially when it’s adorned with white feathers. The new favourite flower is forming a green ball and is called Fragarine (2). The fashion magazines, which didn’t have catch up with this trend, show orange blossoms mixed with jasmine, blooming myrtle, white carnations, white roses. The ribbons, still wide, linger on being scalloped and fringed, are now either have a check pattern (rayés a grand carreaux) or are plain. In the latter white is preferred. White is the dominant colour.
ca. 1790, Kunstblumen aus der Bertuchschen Manufaktur
artificial flowers from Bertuch's manufactury
In die Ränder der weißen Strohhüte werden zwei schräge Streifen von Mousselin=Gaze gesetzt, welche zwei Schnuren bilden; der Schirm ist noch immer weit vorspringend und der Hut sehr hoch.
Die Hüte von Tulle oder von weißen seidenen Zeuche schmückt man jetzt mit der neuseeländischen Distel, als der neusten Modeblume.
Die Hüte von Taffent, Tulle und gelbem Bande haben zum Bouquet fünf Rosen von verschiedener Farbe: ponceau, lilas, rosenroth, jonquille gelb und weiß.
Die Mützchen von rosa Crepp sind mit Blondne garnirt und werden unter dem Kinn zugebunden.
the 30th June
Into the rim of the white straw hats two sloped strips of muslin are set in, which form two strings; the brim is still prolonged and the crown quite high.
The hats of tulle or white silk are embellished with the New Zealand thistle, the latest fashion flower.
Hats made of taffeta, tulle and yellow ribbon sport five roses in the following colours: ponceau, violet, pink, jonquilla yellow and white.
The caps of blush pink crepe are decorated with blondes (fringe) and closed under the chin.
***Erklärungen/Anmerkungen***
***Erklärungen/Anmerkungen***
(1) Der volle Anzug bedeutet, die Kleidung, die zu formalen Anlässen getragen wird, wie z.B. die gehobene Abendkleidung, die Ballkleidung und höchst formell: die Hofkleidung
Der gewöhnliche (oder auch halbe) Anzug hingegen beschreibt die Kleidung, die man tagsüber in Gesellschaft trägt oder auch zu weniger formalen Abendgesellschaften, sie ist weniger formell, jedoch nicht leger.
Der Begriff Negligé steht für informelle Kleidung, die man morgens im und außer Haus trägt, und auch tagsüber, aber niemals am Abend oder in formaler Gesellschaft. Es ist legere und bequeme Kleidung oder auch alltägliche Kleidung.
(2) Der Begriff ‚Fragarine’ ist ein Kunstbegriff. Ein wenig deutet er auf die botanische Bezeichnung der kleinen Erdbeerblüten (es ist Juni!), aber diese werden von grün eingefasst zu einer Kugel geformt. Es ist anzunehmen, dass es sich bei allen Blüten um sogenannte Kunstblumen handelt. Hier liegt wohl auch der Grund, warum F.J. Bertuch besonderes Augenmerk auf Hüte bzw Blumen aus Paris im Augustheft des Journals lenkte, denn zu seinem Betrieb in Weimar gehörte auch die berühmte Kunstblumenmanufaktur. Eine der berühmtesten Beschäftigten dort war Christiane Vulpius (Geheimrath Goethes spätere Ehefrau), die dort bis Anfang der 1790er Jahre Kunstblumen verfertigt hat.
***Explanations/Annotations***
(1) The full dress describes clothes, which were worn to formal events, like evening dresses, ball dresses and the highly formal court dress.
The term common or half dress was used for less formal clothing, which was worn during the day in public or even to less formal evening dinners or the theatre. It was less formal, but still never casually or comfy.
Negligé or undress) finally was the casually and comfortable dress, worn in the morning or during daytime to informal occasions, but never in the evening out or to formal events.
(2) The word ‘Fragarine’ is an art term. It gives a minor hint to the botanical term of the strawberry/strawberry flowers (it’s June!), but these are described as being adorned by green and formed into a ball. It’s highly likely that the mentioned flowers are artificial flowers. That might be the reason that F.J. Bertuch highlights the hats and flowers from Paris in his August’s issue of the journal, because his family had a manufactory for artificial flowers in Weimar. The most famous employee was Christiane Vulpius (later Goethe’s wife), who worked there until the early 1790s.
Der Sommer steht sozusagen in voller Blüte in Weimar. Schwelgt Paris auch noch im Blütenmeer und wie sieht es in London aus?
Summer's literary in full bloom. Is Paris also a sea of flowers and what about London?
An dieser Stelle gebe ich ab an Alessandra für die neusten Moden aus Paris vom/
An dieser Stelle gebe ich ab an Alessandra für die neusten Moden aus Paris vom/
und an Maggie für einen Überblick
aus London/and to Maggie for an overview from London via
"Ackermann's Repository",
sowie an Natalie für die Neuigkeiten
vom Londoner Hof/and to Natalie for news from London's court"Ackermann's Repository",
"LaBelle Assemblée"