Besagte Erdbeeren aus der Überschrift verließen am 02. Juli 1778 Goethes ummauerten Garten hinter seinem Haus am Weimarer Frauenplan mit einer kurzen Nachricht, um Charlotte von Stein mit fruchtiger Süße zu erfreuen.
Etwa ein Vierteljahrhundert später in Paris im Hitzemonat des Sommers 1802 (der nach dem Französischem Revolutionskalender den klingenden Namen Thermidor trug), hatten die Erdbeeren nichts von ihrer Gunst eingebüßt, im Gegenteil, die kleine rote Beere fand sich sogar in einem Modekupfer wieder: gefroren im Glas! Denn nicht nur die Erdbeere hatte die Gaumen der Damen und Herren erobert, sondern auch Gefrorenes.
"I send you strawberries from my garden..."
Said strawberries from today's headline left Goethes walled garden behind his house at the Weimarian Frauenplan on 2nd July 1778 with a short note, to delight Charlotte von Stein with their fruity sweetness.
About a quarter of a century later in Paris during the heat month of the summer of 1802 (which was called Thermidor after the French Revolutionary Calendar), the triumphal procession of the strawberries has been still carried on, the tiny red berry even entered a fashion journal: frozen in a glas! Not only the strawberry has tickled ladies' and gentlemen's fancy, but also frozen desserts.
|
1802, Journal des Dames et des Modes, Costume Parisien (404) (Quelle/source: bnf Gallica) |
Was hält die Dame mit den rosigen Wangen denn in der Hand? Ein früher Coffee-to-go? Mitnichten! Im Thermidor verlangte man nach Abkühlung!
What is it that the lady with the rosy cheeks is holding in her hands? An early version of a coffee to go? Not at all! During Thermidor people were craving for chilling!
|
1802, Journal des Dames et des Modes, Costume Parisien (404) (Quelle/source: bnf Gallica) |
Ein Erdbeersorbet, auch Erdbeer Scherbett genannt.
Selbstverständlich ist es eine Mutmaßung, denn der dazugehörige Text im Journal des Dames et des Modes gibt uns keinerlei Anhaltspunkt und ich verlasse mich einfach auf den Umstand der Hitze des Julis und einer doppelten kulinarischen Mode, die im ausgehenden 18.Jahrhundert immer mehr an Beliebtheit gewonnen hat.
A strawberry sorbet.
Well, I have to admit that it is merely a guess, because the Journal de Dames et des Modes does not reveal anything about the glas, but I simply rely on the circumstances, the heat of July and the ever gaining popularity of strawberries and frozen desserts since the late 18th century.
|
1804, Der Deutsche Obstgärtner, Weimar, Industrie Comptoire (Quelle/source: googlebooks) |
Im frühen 18.Jahrhundert waren in Deutschland lediglich die kleinen aber köstlichen Walderdbeeren (auch Monatserdbeeren) verbreitet, erst
mit der Einführung der amerikanischen Scharlacherdbeere (fragaria virginiana) und der Fragaria Chiloensis oder chilenischen Erbeere und deren späterer Kreuzung (Fragaria Ananassa, auch als Gartenerdbeere bekannt), erzielte man größere Beeren und rasch fand die Erdbeere Verbreitung in den Gärten.
I the early 18th century only the small, but sweet Forest Strawberries (also called months strawberries) were known in Germany, once the american strawberries fragaria virginiana and fragaria chiloensis were introduced and fragaira ananassa was bred from these, the berries were bigger and the strawberries conquered the gardens.
|
1801, Der Teutsche Obstgärtner, Weimar, Industrie Comptoire (Quelle/source: googlebooks) |
Sehr schön nachzulesen ist die beginnende Vielfalt (um 1820 gab es bereits 70 Erdbeersorten) im folgenden Text von 1805:
A lovely read about the growing popularity of new breeds (in 1820 there were already 70) gives the following text from 1805:
|
1805, Naturgeschichte mit Hinsicht auf Brauchbarkeit im gemeinen Leben (Quelle/source: googlebooks) |
Transkription:
Beerenfrüchte
1) Die Erdbeeren (Fragaria) davon bei uns die kleinen rothen, in America aber auch die verschiedenen Garten-Erdbeeren wild wachsen. Die gemeine Garten-Erdbeere hat größere Blätter, Blüten und Beeren; die Scharlach Erdbeere, hellrothe, eiförmige, zugespitzte Beeren, von weinsäuerlichem Geschmacke; die Ananas-Erdbeere ein wenig rothe aufrecht stehende Früchte von vortrefflichem Geschmack.
Translation:
Berries
1) Strawberries (Fragaria) here we have the small forest berries, in America different sorts of fragaria virginiana in the wild. The common garden-bred berry has bigger leafs, blossoms and fruits; the fragaria virginiana, light red, egg-shaped, pointy berries of slightly sweet sour taste; the fragaria ananassa a bit red and raised fruits of excellent taste.
Ich muß sicherlich nicht betonen, dass mir mein Gaumen bereits nach dieser anfänglichen Recherche signalisierte, unbedingt fortzufahren, was mich zunächst in den eigenen Garten trieb.
I do not need to emphazise, that my tastebuds already signalled to track further research on this, which led me directly into my garden.
Aber meine Gartenerdbeeren denken noch nicht daran ihre süßen Früchte anzusetzen, das wird sicherlich noch ein paar Tage dauern. Die älteste Sorte in meinem Garten ist Mieze Schindler (1925), die übrigens auch auf die fragaria ananassa zurückgeht.
But my garden strawberries are still a bit sleepy in their beds and it will take a few more days to bring on the blossoms and berries. The oldest breed in my garden is Mieze Schindler (1925), which was bred from fragaria ananassa.
Auch bei den Walderdbeeren im Schatten neben dem Haus herrscht noch Zurückhaltung.
Aber nachdem der Erdbeerappetit erstmal geweckt und die Tempraturen an diesem Wochenende plötzlich eifrig in die Höhe geklettert waren, hoffte ich auf eine kleine Gabe, wie sie Goethe eingangs an Charlotte von Stein geschickt hatte.
In der Zwischenzeit hatte ich auch ein Rezept für ein Sorbet entdeckt. Von Francois Le Goullon, dem Mundkoch aus Weimar. Ob er auch einmal Goethes Erdbeeren verarbeitet hat?
The forest strawberries growing in the shade of our house also act with reserve.
After the appetite for strawberries was sparked and the temperatures suddenly climbed high quickly this weekend, I hoped for a small gift like Goethe gave to Charoltte von Stein in the text at the beginning.
In the meantime I've found a recipe for a sorbet. Written by Francois Le Goullon in Weimar. Has he ever received strawberries from Goethe's garden, too?
|
1801, Francois Le Goullon, Der elegante Theetisch, 9.Auflage Weimar (Quelle/source: googlebooks) |
|
Transkription:
Drei Maas (1 Maas = 1 Kilo) rechte reife Erdbeeren werden gewaschen und auf ein Sieb geschüttet, damit sie wieder abtrocknen, alsdann durch ein Haarsieb gedrückt und der Saft von zwei Zitronen dazu getan. Man läutert drei viertel Pfund Zucker mit einem Nösel (1 Nösel = 500 ml) Wasser, thue, wenn solcher verkühlt, die Erbeeren hinein, passiert solche durch ein Haarsieb, und gießt, ehe man es friert, einen halb Nösel guten Muscatensekt oder Malagawein dazu.
Translation:
6 pounds of ripe strawberries are washed and put on a sieve to dry, then pressed through a very fine sieve with the juice of two lemons. three quarters of sugar are purified in 500 ml water and once it has cooled down the strawberries are pressed through a sieve again and added, before freezing 250 ml malagawine are added.
Soweit zum Rezept. Beim Lesen der Mengenangaben, dürfte dem ein oder anderen schon schwanen, dass man unter Umständen mit sehr viel Sorbet gesegnet ist.
Verfolgt man nicht die Absicht das
Frascati um 1800 wieder zum Leben zu erwecken oder möchte man nicht enden wie der Herr im folgenden Text, tut man gut daran, die Menge zu reduzieren.
That's the recipe. Studying the quantities soon rings a bell, that whole lot of sorbet seems to be in the making.
If it's not your aim to re-open the Frascati around 1800 or have a sad ending like the poor guy in the following text, you better reduce the recipe.
|
1842, Oettinger, Onkel Zebra. Memoiren eines Epicuräers (Quelle/source: googlebooks) |
Transkription:
Ich erinnere mich dabei an den österreichischen Kammerherrn, Grafen von Frankenberg, Bruder des Erzbischofs von Mecheln, der, nach einem Wiener Zeitungsberichte vom 13.Juni 1790, einmal vierzehn Becher Gefrorens gegessen und gleich darauf das Zeitliche gesegnet hatte.
Translation:
I remember an austrian chamberlain, Count of Frankenberg, brother to the arch-bishop of Mechlen, who, according to a news paper from 13th June 1790, had fourteen cups of frozen sorbet and then all of a sudden died.
Für eine ausreichende Menge für 2 bis vier Personen für ein sonniges Wochenende reicht es, wenn man das Originalrezept viertelt:
750 gr Erdbeeren
1/2 Zitrone
90 gr Zucker
125 ml Wasser
60 ml Malagawein (Ja, richtig geschaut, aus Mangel an Malagawein im Haus, habe ich auf einen lieblichen Dessertwein zurückgegriffen!)
For two to four persons and a sunny weekend it's sufficient to quarter the quantities of the original recipe:
750 gr strawberries
1/2 lemon (juice)
90 gr sugar
125 ml water
60 ml Malaga wine (Yes, right! Instead of the Malaga wine I unfortunately had to go for a sweet dessert wine)
Die Zubereitung geht im Handumdrehen. Man setzt Zucker mit dem Wasser auf, lässt es abkochen und wieder abkühlen, während man die Beeren durch ein Sieb drückt (und hier werdet ihr froh sein, wenn ihr nicht drei Kilo genommen habt!)
Nach dem Hinzufügen aller Zutaten, kommt die Masse in den Eisschrank, wo sie stündlich umgerührt werden muß, sie sollte keinerlei Ähnlichkeit mit einem Eisberg bekommen, sondern soft ins Glas gleiten.
Über Eishäuser, Eiskeller und Eisbehälter um 1800 gibt es übrigens ausführliche Literatur, aber das würde an dieser Stelle zu weit führen, einen wunderbaren Eindruck bekommt man hier:
Georgian Ices.
The preparation is done in a flash (almost). Bring the sugar and water to boil and then let it cool down, while you press the berries through a sieve (now you'll be very thankful for having to deal with just a quarter of the original recipe!)
After adding all the ingredients, the sorbet goes into the fridge, where it should be turned and scratched every hour until it's soft (avoid that it becomes hard as an iceberg).
There's much more research on ice houses, sabotiers, ice molds in literature, you find a good summary here: Georgian Ices.
In einem solch schönen Gefäss kam das Sorbet oder auch Rahmgeforenes schließlich auf den Tisch.
In such a beautiful porcelain piece the sorbet or ice cream was served at the table.
Das Sorbet oder Rahmgefrorene kam in die Schale links, das Eisgefäß selbst und der Deckel wurden mit Eis zur Kühlung gefüllt.
The sorbet or ice cream was put in the bowl to the left, while the cell and the lid are filled with crushed ice for cooling.
Ein solches Eisgefäss besitze ich leider nicht, weshalb wir das Erdbeergefrorene rasch verzehren mußten, aber bei einem sonnigen Maitag (der den Tagen im Thermidor nicht unähnlich war), war das ein Leichtes!
Unfortunately I do not own such a beautiful ice bowl, hence we had to eat the strawberry sorbet quickly, but that wasn't a challenge on such a sunny May day (which truly resembled the days of Thermidor)!
Macht Appetit, oder?
The tastebuds are teased, aren't they?
Der nächste sonnige Tag kommt und bald gibt's auch Erdbeeren aus dem eigenen Garten.
Genießt den Frühling, liebe Leser :)
The next sunny day will come and soon the strawberries in the garden are ripe.
Enjoy the spring, dear readers :)