Die letzten Wochen in meiner eher unfreiwillgen Eremitage mit unserer kranken Katze, haben mir leider nur wenig Zeit und Muße zum Nähen beschert, dafür aber viel Kurzweil beim Lesen und Recherchieren.
Einige Fundstücke sind hoffentlich auch für den interessierten Leser von Bedeutungen, weshalb ich sie nicht vorenthalten möchte.
Wie so oft nahm eine Suche eine unerwartete Wendung und führte mich abseits der bekannten Journale zu der Publikation Allgemeines Europäisches Journal, welche monatlich in den Jahren 1794 bis 1798 erschien.
Der Herausgeber war Joseph Georg Trassler (1759 - 1816), der zu jener Zeit als Buchdrucker, Buchhändler und Verleger in Brünn tätig war.
Was die Kupfer betraf, bediente er sich gerne (wie damals durchaus üblich) bei anderen Journalen der Zeit, wobei seine Publikation vom Aufbau sehr viel Ähnlichkeit mit dem Leipziger Journal für Fabrik, Manufaktur, Handlung und Mode hat. Neben Neuigkeiten aus ganz Europa sind zwei Modekupfer und Stoffproben fester Bestandteil seiner monatlichen Schrift gewesen.
Wirklich wunderbar sind die Texte, die es zu den herrlichen Modekupfern gibt.
What would a bride wear upon the ringing of the wedding bells in 1795?
The past few weeks of my unintended hermiatge with our recuperating cat, left me with only little time and leisure for sewing, instead I thoroughly enjoyed reading and studying.
Some of my finds are probably also valuable for the interested reader, hence I'd like to share them.
Like many times before I was actually searching for something completely different, when I went down a road less travelled by the common journal finds to a publication named Allgemeines Europäisches Journal, which was publish monthly between 1794 to 1798.
The publisher was Joseph Georg Trassler (1759 - 1816), who worked as a printer, book-seller and publisher in Brünn.
Regarding the plates, he would often derive them from other journals (as it was common back then), while the composition of his journal has lots in common with the Journal für Fabrik, Manufaktur, Handlung und Mode in Leipzig. Beside from news all over Europe, he delievered two fashion plates and a fabric sample page.
The descriptions of these are truly an amazing read, beautifully expressed.
Ein besonderes Schmückstück ist sicherlich der Modekupfer samt Beschreibung einer Hochzeitsgarderobe vom Dezember 1795. Auf diese Weise hatte ich das zuvor in keiner anderen Quelle gelesen.
A true gem is the fashion plate and description of a wedding ensemble from December 1795. I've never read a detailed source about that before.
1795, Dezember, XII, Tafel I, Allgemeines Europäisches Journal, J.G. Trassler, Brünn (Quelle/source: New York Public Library via Hathi Trust Digital Library, digitalised by google) |
Ein herrlicher Modekupfer von einer Dame und einem Herrn. Dank des Begleittextes erfahren wir, hier handelt es sich um ein Hochzeitspaar - und es ist selbstredend nach der neusten Mode gekleidet.
A stunning fashion plate of a gentleman and a lady. The description reveals, we do look at a wedding couple - and it is certainly dressed in the latest fashion.
1795, Dezember, XII, Moden, Allgemeines Europäisches Journal, J.G. Trassler, Brünn (Quelle/source: New York Public Library via Hathi Trust Digital Library, digitalised by google) |
Transkription:
No. I Am Tage der Hochzeit erscheint der Bräutigam bei seiner Braut, um sie zur Trauung zu führen. Beide sind in vollem Anzuge. Er trägt einen Frack von modefarbigem Tuche mit Knöpfen von Perlmutter, ein weißgesticktes seidenes Gillet, schwarzseidene Beinkleider, weiße Strümpfe und silberne Schnallen. Der ehemalige Zwang ist von der Mode auch hier entfernt. Die Braut ist in ungepuderter Frisur mit einem großen Kranz von Myrthen, Orangenblättern und Blüthen geschmückt. Das Kleid ist weißer Flor (auch Gaze, die dünnste aller Zeugarten, aus Seide, Baumwolle, Leinen oder Wolle (J.C. Bohn, Bohns Waarenlexikon)), unter demselben weißer Tafft. Die Turque ist mit kurzer Taille, wo die Nähte mit goldener Rundschnur und Quasten besetzt sind. Die Schleppe von demselben Flor zum Kleide gehörend, ist sehr lang, mit goldenen Schnüren und Quasten aufgebunden; der Rock mit einem gestickten Falbel (Saumrüsche) besetzt; die Schärpe von einem neuen ganz breiten Bande, a Guirlande singulaire, ist unter der Turque durchgenommen; die Garnierung des Kleides und Halstuches ist von breiten Blonden (besondere Spitze). Ein großes Bouquet und kleine Armschnallen vollenden den Anzug.
Translation:
No. I At the day of the wedding ceremony the groom arrives at the bride's home, to lead her to the wedding. Both are in Full Dress. He is waering a tailcoat (dresscoat, fraque) of fashionably coloured cloth with mother-of-pearl buttons, a monchrome white embroidered silk gilet, black silk breeches, white stockings and silver shoe buckles. The former restraint of fashion has also dissappeared here. The bride wears her hairdo unpowdered adorend with a wreath of myrtle, orange leafs and orange blossoms. The dress is white gauze, worn over white taffeta. The turque has a high waist, where the seams are embellished with golden ribbons and tassles. The train is also made of gauze, sewn to the bodice, it's very long, gathered and tied up with golden ribbons and tassles; the skirt is hemmed with an embroidered ruffle; the sash is made of a new wide ribbon, a Guirlande singulaire, and it's lead underneath the turque's bodice; the dress and the fichu are adorned with wide laces. A big bouquet and small arm rings complete the dress.
Der Begriff "Turque", der in dem Text verwendet wird, ist als Robe de Turque bereits im 18.Jahrhundert in Mode gewesen. Es handelt sich in der Zeit der Frühromantik um ein Kleidungsstück, das heute gemeinhin als "open gown" oder "open robe" zu finden ist. Ein - zumeist kurzärmeliges - Kleidunsstück aus Oberteil und angesetztem, offenem Rock, welches über dem eigentlichen Kleid getragen wird. Die vordere(n) Rockbahn(en) fehlt/fehlen (d.h es ist vorn offen und das Rockteil ist eher schleppenartig nur nach hinten ausgestellt). Das Oberteil wird zumeist durch einen Gürtel geschlossen oder unterhalb der Brust mit Nadeln zusammengesteckt.
Bemerkenswert ist der Hinweis auf die "kurze Taille", die sich zu jener Zeit allmählich durchsetzte.
The term "Turque", which is used in the description, has already popped up in the 18th century as Robe de Turque. During the period of Early Romanticism it's a garment that is often called "open gown" or "open robe". An - most often short sleeved - garment, made of an open bodice and an attached open skirt, worn on top of another dress. There's no skirt front piece (the front is open and the skirt's back falls like a train). The bodice is closed with a belt or pinned under the bust at the high waist. Remarkable is the mention of the high waist, which gradually starts to spread at that time.
Ich bin mir sicher, die modischen Hochzeitsgäste im Jahr 1795 zeigten sich begeistert!
I'm convinced the fashionable wedding guests would have approved this ensemble cheerfully!