Eigentlich war für diese Woche ein anderer Beitrag vorgesehen, aber es fehlte noch ein Accessoire und während ich mich unterdessen zum Zeitvertreib mit einer Recherche beschäftigte, stieß ich unvermutet auf einen wirklich sonderbaren Fund.
Wie spanne ich also den Bogen, ohne selbigen zu überspannen?
Ich glaube, es war vor zwei Jahren, als der Gatte auf einem Trödelmarkt ein sehr zerlesenes Buch entdeckte und wortlos an mich weiterreichte:
Eine wirklich spannende Lektüre aus dem Jahr 1993, welche im Kapitel "Weibliche Kleiderexperimente zur Zeit der französischen Revolution" über Frauen in Hosen berichtete.
Dieses Kleidungsstück wurde den Frauen in kriegerischen Zeiten leidlich gestattet, aber gegen Ende des Jahres 1793 besann man sich, ein Verbot der sogenannte Frauenclubs, Einschüchterungen und Verhaftungen führten schließlich dazu, dass dieses männliche Kleidungsattribut aus den Schränken der Frauen - und der Erinnerung - verschwand.
Actually I've had planned a different blogpost this week, but an accessory was still missing and while I spend my time wisely with research, I suddenly faced a quite amazing find.
Where to begin this story without getting lost?
I remember it has been two years ago, when my husband and I were on a fleamarket and he passed me a well-thumbed book without a word:
Gundula Wolter: Hosen, weiblich - Kulturgeschichte der Frauenhose (Trousers, female - a cultural history of the female trousers)
An interesting read from 1993, which first chapter was about some women wearing pantalons during the French Revolution. This garment was fairly tolerated during the revolution, but by the end of 1793 minds were changing, so-called women's clubs were closed, public intimidations and imprisonments occured and eventually led to a dissappearance of this male fashion attitude from female closets - and the public memory.
Alexandrine Barreau, Grenadier, 1793 (Quelle/source: Images D'Art) |
Neben einigen wenigen Darstellung während dieser Zeit in Frankreich, tauchten Hosen eher selten sichtbar an Frauenbeinen auf. Zumeist sind sie Mittelpunkt des Spottes wie in dem folgenden satirischen Blatt:
Next to the very few depictions during this time in France, we rarely see pantalons adoring female lages. Usually they are something to ridicule the female wearer, like in the following satirical print:
1816, S.W. Fores, My brother's breeches, No.1935, 0522.7.177 (Quelle/source: British Museum Online Collection) |
Begeben wir uns ein paar Jahrzehnte zurück, stoßen wir auf eine Darstellung von Hosen als Reitkleidung. Auf dem lesenswerten Blog "Fashion is my Muse" erfahren wir mehr über Marie Anoinettes Beinkleider.
Beim Ausreiten waren diese unter dem Rock zwar erlaubt und verbreitet, genossen aber keinerlei guten Ruf. Verdeckt, versteckt, nicht für die Öffentlichkeit angedacht.
Hosen an Damen wurden scheinar allerorts mit einem Naserümpfen abgetan, umso erstaunlicher ist der folgende Fund in Joseph Georg Trasslers Allgemeinem Europäischen Journal (von dem ich bereits vor ein paar Wochen berichtet habe: hier entlang bitte).
Gleich in der ersten Ausgabe im Juli 1794 wählte der Herausgeber einen wagemutigen Modekupfer nach englischer Mode und hier handelt es sich nicht etwa um Satire.
Der Modekupfer No.I gelangte von Brünn aus in die Haushalte der Leserinnen.
Wie man den Kupfer wohl aufgenommen hat?
Take a few decades back from there and we'll find a painting, which shows pantalons as a part of a riding habit. On the lovely blog "Fashion is my Muse" is an interestig article on Marie Anoinettes pantalons.
While riding these were sometimes worn covered by the actual skirt, but they never established any good reputation. Covered, hidden, not for the public eye.
Pantalons seemed to provoke just one expression: a sniff. Keeping that in mind, the following find in Joseph Georg Trasslers Allgemeinem Europäischen Journal (I've introduced him in a previous post: click here please) is even more surprising.
In his very first issue in July 1794 the publisher has chosen a bold fashion plate following the English Fashion and this time it's no satire.
The fashion plate No.I spread from Brünn into the households of the female readers.
How was this plate received?
1794, July, Kupfer No.I, Allgemeines Europäisches Journal, J.G. Trassler, Brünn (Quelle/source: New York Library via Hathi Trust Digital Library, digitalized by google) |
Und natürlich gibt es auch einen ausführlichen Text dazu, wie es für die Modeneuigkeiten der Journale damals üblich war.
And certainly there was a detailed article about it, like it was common with the fashion journals back then.
794, July, Kupfer No.I, Allgemeines Europäisches Journal, J.G. Trassler, Brünn (Quelle/source: New York Library via Hathi Trust Digital Library, digitalized by google) |
Transkription:
Modenneuigkeiten.
No.I Stellt eine englische Dame in Reithabit vor. Den Kopf ziert eine Art Helm von himmelblauem Atlas reich mit Gold gestickt; vorn sind in einer Art von Schild zwei lange weiße und eine schwarze Schwungfeder befestigt, die sich über den Helm nachlässig zurück schlagen. Der Helm selbst sitzt ganz leicht auf einer Frisur von kleinen Locken; über der Stirne theilt sich das Haar, und fällt seitwärts bis an die Augenbrauen zurück. Rückwärts ist das Haar ganz leicht zusammen geflochten, und wird nach Art eines Chignons unter dem Helme befestig. Der Hals ist unbedeckt; doch trägt man auch ein kleines stehendes Gekröse herabwärts bis an die Brust, das von Schleier oder Flor, ein - oder buntfärbig ist. Meine Dame trägt ein Reitkollet (1) mit sehr kurzer Taille von himmlblauem Atlas, Taffent oder feinem Tuche mit rosafarbenen Rabatten, hochstehendem Kragen und Aufschlägen mit Goldgestickerei. Auf der rechten Schulter ein Erolett (2) von Gold, und auf der linken einen Dragon, der über die Brust geschlagen und in der linken Seite befestigt wird. Unter dem Kollet ein Gillet von buntgestreiftem Wallis (3) sehr breit über einander geschlagen mit einem Untergilet; um den Leib eine schwarzatlassene Binde.
Sie trägt ferner einen knappen Pantalon von palliefarbenem oder auch gestreiftem Zeug; einen Reitrock von weissem leichten Zeug, der sich aus einander schlägt. Halbstiefeln mit kleinen Sporen, die nur bis unter die Wade gehen, mit braunem, sehr schmalem ausgeschweiften Überschlage. Zwei Uhren mit Stahlketten, und in der rechten Hand eine Reitpeitsche.
No.I Stellt eine englische Dame in Reithabit vor. Den Kopf ziert eine Art Helm von himmelblauem Atlas reich mit Gold gestickt; vorn sind in einer Art von Schild zwei lange weiße und eine schwarze Schwungfeder befestigt, die sich über den Helm nachlässig zurück schlagen. Der Helm selbst sitzt ganz leicht auf einer Frisur von kleinen Locken; über der Stirne theilt sich das Haar, und fällt seitwärts bis an die Augenbrauen zurück. Rückwärts ist das Haar ganz leicht zusammen geflochten, und wird nach Art eines Chignons unter dem Helme befestig. Der Hals ist unbedeckt; doch trägt man auch ein kleines stehendes Gekröse herabwärts bis an die Brust, das von Schleier oder Flor, ein - oder buntfärbig ist. Meine Dame trägt ein Reitkollet (1) mit sehr kurzer Taille von himmlblauem Atlas, Taffent oder feinem Tuche mit rosafarbenen Rabatten, hochstehendem Kragen und Aufschlägen mit Goldgestickerei. Auf der rechten Schulter ein Erolett (2) von Gold, und auf der linken einen Dragon, der über die Brust geschlagen und in der linken Seite befestigt wird. Unter dem Kollet ein Gillet von buntgestreiftem Wallis (3) sehr breit über einander geschlagen mit einem Untergilet; um den Leib eine schwarzatlassene Binde.
Sie trägt ferner einen knappen Pantalon von palliefarbenem oder auch gestreiftem Zeug; einen Reitrock von weissem leichten Zeug, der sich aus einander schlägt. Halbstiefeln mit kleinen Sporen, die nur bis unter die Wade gehen, mit braunem, sehr schmalem ausgeschweiften Überschlage. Zwei Uhren mit Stahlketten, und in der rechten Hand eine Reitpeitsche.
Translation:
Fashion news.
No.I Shows an English Lady in a riding habit. The head is adorned by a helmet-like
hat made of cerulean blue satin, heavily embroidered with gold; at the front are
two long white and one black ostrich feather formed over a shape of a visor,
which are lifted to the back. The helmet itself sits on a hairdo with
small curls, the hair is parted at the front and falls on the forehead above
the eyebrows. To the back it’s
slightly braided, and then attached in a chignon under the helmet.
The neck is
uncovered here, but it’s also common to wear a starched cravat, which reaches
down to the bosom, and is made of veil fabric or gauze, plain monochrome or
coloured.
My lady wears a riding kollet (1) with a very short waist of cerulean
satin, taffeta or fine wool with pink lapels, high collar and cuffs adorned
with gold. On the right side is an erolett (2) of gold, on the left a dragoon,
which crossed the front and is attached on the shoulder.
Under the kollet we see a gillet of coloured and striped wallis
(3) with the lapels cut quite large, and worn over a second gillet; around the
waist is a sash made of black satin.
She also wears tight pantaloons made of pallie-coloured or
striped fabric; a riding skirt of lightweight white fabric, which opens in the
front. Half boots with small spurs, which reach below the calf with a very
small, brown, shaped top. Two watch fobs, and a whip in her right hand.
Erklärung/explantion:
(1) das Kollet wird oft bei militärischer Kleidung verwendet, es handelt sich um eine kurz geschnitte Jacke, auch Spencer
(2) erolett = Epaulette
(3) Wallis ist ein Wollzeug aus englischen Manufakturen. Es wurde auch in Österreich und im Raum Chemnitz produziert, dort aber aus Baumwolle (Quelle: G.C. Bohns Waarenlager)
(1) the kollet is usually a military term for a short jacket or spencer
(2) erolett = epaulette
(3) wallis is a wool fabric from English manufacturers. It was also produced in Austria and Chemnitz, but there it was made of cotton (source: G.C. Bohns Waarenlager)
Die Beweggründe für die Wahl dieses Kupfers werden wir wohl nie erfahren. Hat der Herausgeber einen satirischen englischen Kupfer für eine Modeneuheit gehalten?
Wollte er einen skandalösen Auftakt?
War es tatsächlich Mode, die man in späteren Zeiten totschwieg?
Außerordentlich bleibt die Wahl allemal...und wer wäre nicht gern dabei gewesen, als die Leserinnen im Juli 1794 die Seite 160/161 aufgeschlagen haben?
The motivation for choosing this print will never be quite clear. Was the publisher fooled by an english satirical print, which he has mistaken as fashion plate?
Was he pursuing a scandalous first issue?
Was it really a fashion, which was later simply hushed up?
Whatever the reason, it was an extraordinary choice...and who wouldn't have liked to see when the readers in July 1794 have leafed to page 160/161?