Sonntag, 23. Februar 2014

Goldene Zeiten

Wenn es darum geht Ideen zu sammeln und die Kreativität auf Reisen zu schicken, stecke ich mit dem Kopf sehr gern in den Wolken,
denn spätestens am Nähtisch ist dann bei der Umsetzug und Schnitterstellung logisches Denken erforderlich und die rechte Gehirnhälfte wird zu Höchstleistungen angestachelt.
Aber einige wenige Tage im Jahr rangeln beide
Gehirnhälften um die Vorherrschaft zwischen Träumerei und einem höchst aufmerksamen Blick:
ein Besuch auf dem Antikmarkt.
Ich kann mich nur schwerlich an den Auslagen sattsehen und es ist herrlich herumzustöbern und Gegenstände zu untersuchen, die man sonst nur hinter geschlossenen Virtinen findet.
Eine eigentümliche Atmosphäre, ein bisschen entrückt wie ein kurzer Blick über die Schulter in eine frühere Zeit.
Und selbstverständlich eine Fundgrube, wenn es darum geht Nähkästchen und Stoffschränke zu bestücken...und unerwartete Bekanntschaften aus der Zeit um 1800 zu schließen.
I often find myself stuck with the head in the clouds when I gather sewing ideas and my creativity is rambling,
as by returning to the sewing table and assembling a pattern it's back to necessary logical thinking and the right side of the brain is at it's peak.
But there are a few days each year, when both sides of the brain struggle for leadership between dreaming and wide awake senses with a very sharp eye:
a visit to an antique market.
I'll never get tired of the vendor's displayes spread at their booths and it's amazing to be able to examine things, which are usually merely displayed behind locked glass cabinets.
A peculiar atmopshere, and it feels like taking a peek over the shoulder back into the past.
And certainly it is a repository when it comes to restock the sewing boxes, and fabric stashes...and to make unexpected aquaintances from bygone days around 1800.

Zwei wunderbare Baumwollstoffe in ausreichender Menge und von einer Qualität, wie sie heute leider nur sehr selten zu finden ist. Und eine fein bedruckte Bordüre, die vielleicht mal einen Beutel zieren wird oder ein Ärmelbündchen.
Two beautiful cotton fabrics in sufficient yardage and of such quality, which today's unfortunately hard to find. And a printed band, which might embellish a bag or a sleevecuff.

Nach diesem frühen "Jagdglück" hatte ich kaum noch mit einem weiteren Fund gerechnet,
aber der nächste Gang hielt bereits eine weitere Überraschung bereit.
Inmitten einer Schachtel mit Modeschmuck, blinkte mir die Vergangenheit entgegen.
After this fortune in "hunting", I didn't expect even more luck, but the next aisle
surprised me with another find.
Among costume jewelry, spread in a cardboardbox, I received a bling from the past.

Ja, die Dame war unbestreitbar in einem bemitleidenswerten Zustand, aber sie raffte all ihren goldenen Glanz zusammen, um mich zu betören...
...und ich konnte ihrer Schönheit nicht widerstehen und fischte sie mitsamt unterlegter Pappe aus den Wogen des Schmucks.
Well, admittedly the lady was in a pity plight, but she quickly gathered all her golden luster to bewitch me...
...and how could I resist her stunning beauty, I immediatley fished her out of the troubled waters of jewelry.

Das harte Los der letzten Jahre ist nicht spurlos an ihr vorübergegangen, sie hat eine Wunde an
der Schulter davongetragen, aber kaum hielt ich sie in den Händen, fand sie zu ihrer früheren Haltung zurück und erstrahlte in goldener Zuversicht, wissend, dass die Unbilden nun vorrüber sind.
The past year's doom has left it's marks on her, and she was even wounded at the shoulder, but the moment I held her in my hand, she was back to her prior demeanour and sparkled in golden confidence, knowing that the former inconveniences are passed.

Oben rechts erkennt man noch den Schnitt des Glases, auf dessen Rückseite die Farben aufgetragen wurden.
Die Hinterglasminiatur stammt aus der Zeit um 1810.
Ihre Frisur wird an der Stirn von einer Spange gehalten, während das Haar in einem geflochtenen
Kranz um den Hinterkopf gelegt wurde.
Die Hinterglasmalerei ist so fein, dass man selbst ihre Wimpern erkennen kann.
In the right corner the cut raw edge of the glas is shown, the colours were added from the reverse side.
The glass miniature silhouette was made around the year 1810.
Her hair is held with some jewelry at the forehead, while the rest is gathered in a braid around the head.
The painting is of such fine quality that we can see the flutter of her eyelashes.

Die Rückseite ist schwarz. Die Farbe dort ist stark verkrustet. Die Miniatur kam mit einer zeitgenössischen Pappe, um die Farbe zu schützen.
Das kleine Kunstwerk hat einen Durchmesser von 8 Zentimetern.
The back is pitchblack. The paint has become kind of caked. The miniature has a period backening made of cardboard to protect the paint.
The little piece of art measures 3 1/4 inches in diameter.

Ihr Kleid wird in der typisch hohen Taille von einem schmalen Gürtel gehalten.
Rund um den Kragen läuft eine Bodenkante und der Ausschnitt ist zusätzlich mit einer Verzierung besetzt.
Ich werde in nächster Zeit ein wenig die Bücher wälzen, um mehr über diese faszinierende Technik der Hinterglasmalerei zu erfahren.
Bis dahin verbleibe ich in außerordentlicher Freude über ihre Bekannschaft und genieße ihre Gesellschaft in unserem bescheidenen Heim.
Her dress has the typical high waist and is closed with a small belt.
The collar has lovely scallops and there's some more decoration at the very edge.
I'm going to peruse a few books next, to gain more knowledge on this fascinating glass miniature technique.
Until then I remain in utter delight about this unexpected aquaintance and enjoy her company in our humble home.

Mittwoch, 19. Februar 2014

1799 - 1802, Mme Gérard Dress 'Le petite Déjeuner du Chat' (...sans le chat)

Ab und an erscheint ein Kleid auf den ersten Blick recht mühelos, 
doch bei näherem Hinsehen entpuppt sich der flüchtige Eindruck schnell als Fehleinschätzung.
Gerade diese Kleidungsstücke führen mir vor Augen, dass ich noch unendlich viel zu lernen habe...und mir in diesen wenigen Jahren von 1795 - 1820 gewiss nicht so rasch langweilig wird.
(Das ist übrigens eine häufig gestellte Frage, "Nur eine einzige Epoche? Das muß doch irgendwann langweilig werden?" - Ich kann meine Leser beruhigen, die Frage verneine ich stets schmunzelnd)
hat mir mit ihrem wunderschönen Gemälde
"Le Petite Déjeuner du Chat", das unseren felinen Begleitern huldigt,
wieder mal ein solches Lehrstück beschert.
 Sometimes a dress seems to be quite facile on first glance,
but on close examination the first impression quickly reveals as false interpretation.
Exactly these garments show me how much there's still to learn...and that I'll probably won't be bored with this short period from 1795 - 1820 any time soon.
(By the way, that is the most frequently asked question, "Just one era? That surely will get boring pretty quickly?" - I allay my readers concern with shaking the head and a knowing smile)
has bestowed me with such a lecture with her beautiful painting
"Le petite Déjeuner du Chat", which renders hommage to our feline friends.

Viele Pfeile - viele Fragen!
Many arrows - many questions!

Zunächst zum Rockteil mit lediglich zwei Pfeilen!
Links erkennt man deutlich eine Naht, aber die über dem Knie?! Ein deutlicher Hinweis, dass der Rock aus vier Bahnen besteht, wovon eine Naht vorn unter den Falten sitzt.
Stoffe wurden oftmals auf kleinen Rahmen gewebt und hatten eine geringere Breite als heutige Meterware.
First to the skirt with just two arrows!
On the left we see a seam line, but what about the one across her knee?! An evidence, that the skirt was made out of four pieces of fabric, and one seam was right there at the front, hidden in the pleats at the waistline.
Fabrics were often spun on smaller frames than today's yardage.

Und dann das Oberteil! 
Seitlich ist keinerlei Hinweis zu erkennen, dass es sich um ein Frontklappenkleid handeln könnte, also wurde es vorn geöffnet, aber wie?!
Ich konnte am Ausschnitt keinerlei Hinweis entdecken...schließlich suchte ich mir Hilfe bei Originalen und Modekupfern der Zeit.
And then the bodice!
At the side are no hints for a side closing like in the bib dresses, hence it was closed at the front, but how?!
At the front piece is no evidence for a closure, the edge runs very smooth...finally I searched for help from original dresses and fashion plate.

1802, Costume Parisien (Quelle/source: via pinterest)

Eine erster Hinweis, wie die Kleider zur Zeit der Jahrhundertwende geschlossen wurden, aber für Mme Gérards Kleid erweist sich der Faltenwurf als zu üppig.
A first hint how the sleeveless dresses at the turn of the century were closed, but for
Mme Gérard's dress the front closing proofed to have too many pleats.

1795 - 1805, Musselinkleid mit Goldstickerei
Muslin Dress with gold embroidery Invent: CE000566A

Die Öffnung ist kaum sichtbar, weil sie auf Stoß gearbeitet wurde.
The opening is hardly visible as it wasn't overlapping or ruffled.
Aber es sind ja durchaus noch ein paar mahnende Pfeile übrig!
Diese beziehen sich auf die Nähte am Rücken bzw der Seite. Dort ist ein kleiner Versatz zwischen der Rocknaht und der Seitennaht des Oberteils zu erkennen.
But there are still some arrows left!
Those show to the seams at the back. There's a small displacment between the skirt seam and the side seam of the bodice.


Und da wir nun bei der Konstruktion des Kleidungsstückes angekommen sind, gleich noch ein paar weitere Einblicke.
And as we're finally take a look at the construction of the actual dress, here are some more peeks.

Die Vorderseite von Oberteil, Taillienlinie und Rock
The front of the bodice, waistline and skirt

Die Innenseite des Oberteils, das mit Baumwolle gefüttert ist. Die Naht zwischen Oberteil und Rock bleibt unversäubert.
The inside of the bodice, which is lined with cotton. The seam between the bodice and skirt remains with raw edges.

Blick auf die Innenseite des Rückenteils mit einem eingnähten Kanal für ein regulierendes Band, der Mittelnaht und einer Verstärkung am Ausschnitt, um ein Einreissen des Stoffes zu verhindern.
A view of the insdie of the back with a sewn-in tunnel for adjusting ties, the back seam and a fabric swatch for backening to prevent the seam at theedge from tearing.

Der Kanal (aus einer Länge Nahtband - mittig gefaltet) läuft entlang der Taille und wird vorn geschlossen.
Die Nahtzugabe am oberen Rand wird zweimal untergeschlagen und mit Überwendlichstichen angenäht.
The tunnel (from a lenght of ribbon - folded in the middle) is following the waistline and closed at the front.
The seam allowance at the upper edge is folded in twice and then stitch down with whip stitches.

An das Nahtband sind Ösen eingenäht, durch die eine Kordel gezogen wird, um das Kleid zu schließen. Außerdem verstärkt das Nahtband die Kante.
There are hooks sewn to the cotton ribbon, cords are running through it for closure. The ribbon also reinforces the front.
Hier erkennt man hoffentlich, wie der Rock in eine Falte gelegt wurde, ehe er and das Oberteil angenäht wurde.
Hopefully it shows how the skirt was pleated at the front, before attaching it to the bodice.

Auch ein Rücken kann entzücken.
The back view's lovely, too.

Der eigentliche Hingucker ist allerdings mal wieder der Rocksaum.
Der eigentliche Saum mißt etwas über 2.50m, die angenähte Dekoration hat in etwa die dreifache Länge.
Der Streifen ist nur etwa 7 Zentimter schmal und an beiden Seiten umgenäht.
Of course the skirt's hem is the eye catcher.
The circumference of the hem is around 100 inches, the hem decoration measures around three times that lenght.
The hem decoration is quite small with only 2 1/2 inches height, both sides have finished seams.
Die Innenseite mit einer Schmutzblende, die bei der Länge des Rockteils durchaus Sinn macht.
Gut erkennbar auch die Stiche, mit denen die Dekoration angenäht wurde.
The inside with the dust band, which makes sense with such long skirts.
The stitches of the decoration show on close examination.

Und ja, ich hatte eigntlich nicht genügend von dem grau-blauen Baumwollsatin, also mußte ich am hinteren Rockteil ein wenig stückeln.
Um, yes, I evidenttly was running short of that blue-grey cotton sateen, hence I had to do some piecing at the back panel.
 Der Saum der Stückelung. Rechts erkennt man, dass ich mir die Webkante des Stoffes zu nutzen gemacht habe.
The seam of the piecing. On the right it reveals that I made good use of the selvedge of the fabric.

Zu dem Kleid trage ich ein Fichu Chemisette, einen Unterrock, einen Schnürleib nach Bernhardt, eine Chemise, 
ein paar Baumwollstrümpfe und flache Schuhe.
With this dress I'm also wearing a fichu chemisette, a petticot, a  pair of Bernhardt's short stays, a chemise, a pair of cotton stockings and flat slippers.

...und natürlich meine neue Tasche!!!
...and certainly my latest bag!!!

Mit einem passenden Spenzer wird das Ensemble dann auch rasch ausgehfein!
With a matching spencer the ensemble quickly is completed for a stroll!

Und natürlich darf die neue Kapotte nicht fehlen...
And of course the new capote shouldn't be left out...
Dank der ausladenen Frisur hat sie nun auch den perfekten Sitz.
Sie wird mittels zweier Samtbänder geschlossen, die im Futter einghakt werden.
Due to the period hair do the capote finally has it's perfect fit.
It is close with two velvet ribbons, which have hooks to be attached at the lining of the bonnet.

Und zum Schluß bleibt (mit einem kurzen vergleichenden Blick auf Mme Gérards Gemälde) die Frage:
Wo bleibt die Katze?
Leider konnte ich meine beiden schnurrenden Mitbewohner nicht dazu bewegen in Manier des "Le petite Déjeuner du Chat" mit mir zu posieren...nun Katzenhalter dürfte diese Art der Niederlage bekannt sein - und auch, was dann unausweichlich folgt:
klein beigeben ;)
And finally (with a peek to Mme Gérard's painting) one question remains:
where's the cat?
Unfortunately I could neither convince nor coax my fellow feline friends to pose in the manner of "Le petite Déjeuner du Chat" with me...well, cat owners are probably familar with this kind of defeat  - and also do know what follows:
to buckle ;)


Sonntag, 16. Februar 2014

Journal Journey into the Year 1811: Februar 'Journal des Luxus und der Moden'

Im Januar ging es zum ersten Mal auf die Reise in das Jahr 1811, 
um den Moden in Paris, London, Weimar und London nachzuspüren.
Der Januar lässt sich zusammenfassend beschreiben als geprägt von Feierlichkeiten auf dem Kontinent (Kassel), Trauer in England, Dandys in Garrick/Carrick Oberröcken, sowie Felbel und Plüsch bei den Damen.
Farblich war der erste Monat des Jahres von Pasteltönen bestimmt...und von verschiedenen Nuancen in Rot wie Ponceau, Puce, Amaranth und Scharlach.
Dabei ignorierte die Damenwelt gänzlich eine Warnung aus dem Jahre 1805, die in
dem Buch "On education" von G.Nicholson Erwähnung fand:
January was the first month of our journey into the year 1811,
to explore the fashions of Paris, London, Weimar and London.
January can be summarized as being marked by festivities on the continent (Cassel), mourning in England, dandies in garrick/carrick great coats and silk plush in ladies' fashion.
Referring to colour the month was defined by pastels...and various shades of red, like ponceau, puce, amaranth and scarlet.
The ladies of fashion totally ignored a warning given in a book in 1805 by G.Nicholson called "On Education":

1805, G.Nicholson, On Education (Quelle/source: googlebooks)

Was erwartet uns wohl im Februar?
What will await us in February?

Journal des Luxus und der Moden 
Februar 1811
(Herausgeber/Verleger Friedrich Justin Bertuch, Weimar)
1811, Februar, Journal des Luxus und der Moden


IX. Erklärung der Kupfertafeln

Tafel 4: Diese junge Dame trägt über dem Kleid von Kaschmir einen Spencer von Lila-Levantine mit Zobel besetzt,
welcher auf dem Rücken zugeknöpft wird.
Der Hut von orangefarbigem Sammt ist mit gleichfarbigem seidenen Plüsch garniert.
Vorn fallen drei oder mehrere Federn a la Cendrillon herab.
Tafel5: Eine Dame im Winter-Anzug, welcher aus Sammt oder Levantine mit Hermelin besetzt, besteht. - Aus München eingesendet.
IX. Description of the copper plates
Plate 4: This young lady is wearing a dress made of cashmere, on top a spencer of violet Levantine, trimmed with sable, it’s buttoned on the back. 
The hat made of orange-coloured velvet is decorated with silk plush (pluche de soie) in the same colour.
To the front three or more feathers drop a la Cendrillon.
Plate 5: A lady in a winter dress, which is made of velvet or levantine, trimmed with ermine. - Sent in from Munich
***
Der Zusatz 'a la Cendrillon' entstammt aller Wahrscheinlichkeit nach von der gleichnamigen Oper, die 1810 gleich in zwei verschiedenen Aufführungen dargeboten wurde.
Das Märchen mit dem Namen "Cendrillon ou la petite pantoufle de verre"
(zu deutsch: als Aschenputtel bekannt)
aus der Feder Charles Perrault von 1697
wurde sowohl von Daniel Steibelt (1765 - 1823) in St.Petersburg uraufgeführt, als auch von
Nicolo Isouard (1775 - 1818) mit noch mehr Erfolg auf die großen Bühnen Europas gebracht.
The addition 'a la Cendrillon' probably derives from the famous opera, which was on the stages in 1810 in two different peformances.
The fairy tale named "Cendrillon ou la petite pantoufle de verre"
(in english: known as Cinderella)
published by the story teller Charles Perrault in 1697
was brought to the stage of Saint Petersburg by Daniel Steibelt (1765 - 1823,
as well as by Nicolo Isouard (1775 - 1818), who performed it with even greater sucess on stages across Europe. 


  
Journal des Luxus und der Moden Februar 1811
http://zs.thulb.uni-jena.de/receive/jportal_jparticle_00086256 
IX. Moden

1.
Ueber Bernhardt's neue Theorie der Bekleidungskunst

In diesem Text, den ich nicht wortwörtlich widergeben, sondern lediglich zusammenfassen möchte, geht der Herausgeber des Journals auf den soeben erschienenen ersten Band von J.S. Bernhardts
geplanter zweibändiger Ausgabe
"Anleitung den menschlichen Körper, besonders den weiblichen, nach seinen
verschiedenen Abweichungen nach Grundlagen zu kleiden und zu
verschönern".
Selbiges Buch wurde bereits in der Januarausgabe des
Journal des Dames et des Modes erwähnt.
In dem Buch sind genaue Anleitungen zu finden, wie man Maß nimmt und danach Schnitte fertigt.
Die Lektüre wendet sich vor allem an Anfänger und die Schneiderin daheim.
Einigen meiner Leser wird der Name J.S. Bernhardt im Zusammenhang mit den
'Schnürleibstudien - Short stays studies'
ein Begriff sein.
Für den interessierten Leser: in dem Link zu dem Blogeintrag ist auch ein Verweis auf die Onlineausgabe des Originals
zu finden.

IX. Fashions
1.
Bernhardt's theory on the art of fashion

In this text, which I won't copy here, but summarize, the publisher of the Journal, refers to the recently published first volume of J.S. Bernhardt's planned two volume book
"Manual to measure and beautifully dress the human body, especially that of ladies, according to different measurements and essentials".
The book was also mentioned in the January issue of
The volume explains in detail how to take measure and  assemble paper patterns.
It was written for beginners and seamstresses at home.
Some of my dear readers might remember J.S.Bernhardt from the
Readers interested to learn more about it, may please follow the link.

Journal des Luxus und der Moden Februar 1811
IX. Moden
2.
Pariser Moden
(aus französischen Blättern)

Paris, 05. Januar 1811

Um Voltaire’s Vers:
Le superflu, chose tres- nécessaire (1
wahr zu finden, musste man im Januar die Boutiquen von Paris, wo man vorzüglich in der Rue de Vivienne, im Palais Royal, so wie im Durchgang zu den Panoramen (Passage de Panoramas (2)) tausende solcher angenehmen Überflüssigkeiten ausgestellt findet.
Man häuft jetzt übereinander mit Pelz verbrämte Redingoten, par dessus (3) genannt, Schalls-Fichus (4) und Pelz-Pelerinen, weniger aus Geschmack, als um sich gegen die Kälte zu schützen; bloß der Kopfputz ist geschmackvoll; dieser besteht aus einer Capote von weißem oder Rosa Atlas, weißem oder rosafarbenem Plüsch (5), mit einer großen Schleife verziert, und am Rand mit Tulle besetzt (siehe Journal des Dames et des Modes Januar: tulle production). Weder Grün noch Blauwerden häufig mehr getragen, doch scheint Grau wieder in Gunst zu kommen.

IX. Fashions
2.
Parisian Fashions
 (from french journals)

Paris, 5th January 1811

To proof true Voltaires saying
Le superflu, chose tres-necessaire (1
a visit in January to the shops of Paris, preferably rue Vivienne, Palais Royal, and the commercial passage to the panoramas (Passage de Panoramas (2)), revealed a thousand of these redundancies on display.
It’s fashionable to layer different fur trimmed redingotes, called par de dessus (3), Schall-fichus (4) and fur capes, not because of good taste, but to protect the body from the freeze; merely the headwear is tasteful; these are capotes made of white or blush pink atlas (satin), white or blush pink plush (5), adorned with a big bow tie, and the brim embellished with tulle (see: Journal des dames et des Modes, January, tulle production). Neither green nor blue are worn often, but grey seems to come in favour again.


1802, Passage de Panoramas (Quelle/source: wikicommons)

10. Januar 1811
Die Männer, wie unsere Damen, haben ein elegantes Negligé (6), welches sie auf der Promenade, im Theater oder des Abends in vertrauten Kreisen bei Freunden tragen. 
Das Negligé der Damen ändert sich fast jeden Tag. Doch das der Herrn als beständiger nur mit den vier Jahreszeiten. 
Das Negligé der Männer besteht für den Winter in einem Hut a la Robinson (folgendes Bild), in einem oder zwei, über einander geschlagenen Gilets (7), mit Metallknöpfen und mit rothen, blauen, braunen oder grünen Querstreifen, in langen Beinkleidern von hellem Casimir (8), und kleinen Stolpen-Stiefeln (= Stulpen-Stiefel) mit großen Absätzen.
Wir sagten neulich, dass die graue Farbe sich wieder zu heben scheine, und diese Vermuthung hat sich bestätigt; die grauen Capoten vorzüglich mit Einfassungen von rosafarbenem Plüsch, sind sehr häufig. Eine Farbe, von der wir noch nicht sprachen, die aber elegante Damen jetzt zu Hüten tragen, ist Orange. Die weiße Farbe ist noch herrschend. 
Nächst dem Weiß, Rosa. Die Casquets (9), welche anfangs nur ein Kopfputz aus Caprize (10) waren, haben sich so vervielfältigt,
dass die Modehändlerinnen gerathen sind, sich durch Veränderungen einen bleibenden Absatz zu sichern.

10th January 1811
The gentlemen, like our ladies, sport an elegant negligee (6), which they wear on promenades, at the theatre, or in the evening in the company of friends. The negligee of the ladies changes almost daily, that of the gentleman a bit more consistent only with the seasons. 
The gentleman’s negligee this winter consists of a hat a la Robinson (see: picture below) , one or two layered gilets (7) with metal buttons and with red, blue, brown or green horizontal stripes, long pantaloons made of light coloured cashmere (8) and low cuffed boots with large heels.
We recently said, that the grey colour is about to gain favour again, and this speculation has proofed true; grey capotes, beautifully with trims of blush pink plush, are now common. A colour, of which we haven’t talked yet, but which elegant ladies sport for their headwear, is orange. Still white is leading though. Next to white, is light pink. The casquets (9), which formely have just been of caprice (10), have spread, hence the fashion milliners will add little changes to ensure further good sales of this style.
1814, Incroyables, Chapeau Robinson (Quelle/source: V&A, London)

 ***Erklärungen/Anmerkungen***
(1) ‚Das Überflüssige ist eine sehr notwendige Sache’, Voltaire, 1736 Versepistel ‚Le Mondain’
(2) erbaut 1799 im Ile Arrondisment, südlich des Monmatre Boulevard, eine der ersten Einkaufspassagen Europas
(3) übersetzt als ‚oben drüber’
(4) lange Schals
(5) Seidenplüsch, pluche de soie
(6) informelle bzw. legere Kleidung
(7) Weste
(8) Kaschmir, Wollstoff aus dem Haar der Tibetziege
(9) Hüte die rund wie ein Helm geformt sind
(10) vom frz. Caprice = Laune, also: aus einer Laune heraus
  ***Explanation/Annotation***
(1) ‚The redundance is a necessary thing’ Voltaire, 1736, satire ‚Le Mondain’
(2) built in 1799 in the Ile Arrondisment, south of Monmatre Boulevard, one of the first commercial passages in Europe
(3) translated as ‚on top’
(4) long shawls
(5) silk plush, pluche de soie
(6) informal or casual Kleidung
(7) waistcoat
(8) wool fabric made of the hair of tibetian goats
(9) hats which are shaped like a helmet
(10) from french Caprice = mood/caprice 

Der kalte Februar in Weimar kommt sehr französisch daher, aber wie schaut es in den anderen Metropolen aus?
The cold February in Weimar seems quite french, but how has it been in the other metropolises?
 
An dieser Stelle gebe ich ab an Alessandra für die neusten Moden aus Paris vom/
And now I like to direct you to Alessandra for the latest fashions of Paris from
und an Maggie für einen Überblick aus London/and to Maggie for an overview from London via
  "Ackermann's Repository",
sowie an Natalie für die Neuigkeiten vom Londoner Hof/and to Natalie for news from London's court
  "LaBelle Assemblée"

Freitag, 14. Februar 2014

Es ist was es ist, sagt die Liebe...

Der 14. Februar
Zum heutigen Valentinstag habe ich die Worte aus Erich Frieds (1921-1988) Liebesgedicht
 'Was es ist' als Überschrift gewählt.
Und statt schwelgender Zeilen voller Süße meinerseits, möchte ich es heute den folgenden Bildern
überlassen, uns einen Eindruck von der Liebe aus der
 Zeit der Romantik zu vermitteln. Dazwischen die Strophen aus eingangs erwähntem Gedicht.
Liebe spricht für sich: Viel Vergnügen! 
The 14th of February
For  today's celebration of St. Valentine's Day, I've chosen Erich Fried's (1921-1988)
 love poem 'What it is' as a headline.
And instead of a feast of lines full of sweetness from me, I rather leave it to the following pictures
to give an impression of how love was regarded
in the time of Romanticism. In between the stanzas of the aforementioned poem.
Love speaks for itself: Enjoy!
14. Februar 1816, gefalteter Valentinsbrief (Vorderseite)
14th February 1816, folded Valentine's letter (front)

Es ist Unsinn
sagt die Vernunft
Es ist was es ist
sagt die Liebe
It is nonsense
says reason
It is what it is
says love

1816, Caricature Universelle, Le Coeur de l'homme
British Museum No. 1993,0620.21 
(Quelle/source: British Museum)

Es ist Unglück
sagt die Berechnung
Es ist nichts als Schmerz
sagt die Angst
Es ist aussichtslos
sagt die Einsicht
Es ist was es ist
sagt die Liebe
 It is calamity
says calculation
It is nothing but pain
says fear
It is hopeless
says insight
It is what it is
says love

Anecdote Francaise
1814, La Charge d'un Marie
British Museum No.1989,1104.108 
(Quelle/source: British Museum)

Es ist lächerlich
sagt der Stolz
Es ist leichtsinnig
sagt die Vorsicht
Es ist unmöglich
sagt die Erfahrung
Es ist was es ist
sagt die Liebe
 It is ludicrous
says pride
It is foolish
says caution
It is impossible
says experience
It is what it is
says love

Sonntag, 9. Februar 2014

Taschendiebereien

Bei meinen virtuellen Spaziergängen durch das Netz bin ich nicht selten dem Charme des ein oder anderen Accessoire erlegen.
In der Damenwelt ist dies wohl seit alten Zeiten besonders im Hinblick auf Schuhwerk und Taschen von ewiger Gültigkeit.
Und wenn die Zutaten zu solch  'Augenschmaus' dann auch noch ihr stoffliches Gegenstück in meinem Lager finden, ist die Sache so gut wie besiegelt...
...und auch diesmal wurde ich wieder - ich gestehe es - auf den ersten Blick 
zum Taschendieb!
On my virtual strolls through the depth of the internet, I'm often drawn to the charm of period accessories.
It is a truth universally acknowldege that ladies through all times feel (and felt) especially attracted by shoes and bags.
And when the material to such 'eyecandy' is already nesting in my fabric stash, the seal is as close to be set on...
...and again - I admit it - I had to 'steal' a bag!

1800-30, Bag, United Kingdom
Accession Number 1957-180-12 Object ID 18417849 
(Quelle/source: Cooperhewitt Collection)

In besagtem Stofflager schlummerte noch ein kleines Stück beiger Baumwollsamt, außergewöhnlich kurz geschoren und sehr dicht gewebt. Ich bin mir sicher, er hat genau auf diesen Augenblick gewartet!
Doch - oh Weh - es stellte sich als langer und mühsamer Weg heraus!
Bei dem Original ist von einem "Druck" auf Samt die Rede, aber wie ging das vonstatten?
Und welche Alternative blieb mir?
Unglücklicherweise fiel mir ein Textilstift in die Hände. Die Arbeit ging flink voran,
aber der Samt und die Farbe wollten sich nicht vertragen und der ehemals beige Samt erhielt einen unschönen grauen Schleier...
...und um meine Augen bildete sich bereits ein zaghafter Anflug von Tränen!
Ich hatte keinen Samt mehr für einen zweiten Versuch und eine Tasche, die trotz Bügeln ihre Farbe nicht behalten wollte!
Bilder von verschmierten Kleidern und Spenzern stiegen in meinen Gedanken auf.
Und schließlich kam mir der rettende Gedanke!
Ich griff zu Feder und Tinte und zeichnete artig alle Linien nach - 
mit Erfolg!
In said fabric stash a piece of cream cotton velvet was dormant, which had an unusually short and thick nap. I'm sure, this was the moment it waited for the whole time in the stash!
But - oh dear - it became a quite cumbersome episode!
The original object was described as 'print' on velveteen, but how did it work?
And how should I copy that process?
Unfortunately at that very moment I grabbed a textile marker. The progress was quick, but velvet and the textile maker didn't agree and the once cream velvet took a turn to a dull grey cream...
...and I was truly close to shed some tears!
I hadn't had any velvet left for a second attempt and a bag, which wouldn't keep it's colour no matter how much ironing I did.
Images of smeared and stained dresses and spencers popped up into my mind.
And then I finally had an idea!
I fetched real ink and my quill pen and repainted all the lines - 
with success!

Die Tasche mißt - wie das Original - 19cm x 23 cm (ohne Henkel)
The bag measures - like the original - 9 1/16 x 7 1/2 ins (without handle)

Statt der tief dunkelgrünen Seide des Originals, griff ich auf vorhandenen schwarzen Baumwollchintz zurück.
Instead of the dark green silk of the original, I went for black cotton chintz.

Die Tasche ist von beiden Seiten bemalt.
The bag is printed on both sides.

Ein Blick ins Innere. Es lässt sich erstaunlich viel darin verstauen.
A view of the inside. It's amazing how much I'm able to put inside.

Im Saum ist ein Tunnel mit Seidenbändern.
There's a tunnel through the upper seam with silk ribbons.

An drei Seiten ist der Samt von Innen mit Rückstichen vernäht, ehe die schwarze Chintztasche entlang der oberen Kante mit sichtbaren Stichen eingenäht wurde.
The velvet is stitched together with running stitches on the inside, before adding the chintz bag at the upper edge with visible point stitches.


Auf dem Henkel sind Eichenblätter und Eicheln zu sehen.
The handle shows oak leaves and acorns.

Die Tasche wir sehr vage auf 1800 bis 1830 datiert. Taschen, welche Körbe mittels Materialwahl nachempfinden sind bereits seit Ende des 18. Jahrhunderts in Mode und behielten ihre Beliebtheit lange Zeit.
The bag is dated quite vague to 1800 to 1830. Bags, which imitate baskets through a certain choice of material already have been in fashion in the late 18th century and remained in favour for a long time.

Ein Größenvergleich - ich bitte meine tintenfleckigen Hände zu entschuldigen!
A comparison of the size - please excuse my ink stained hand!