Der Titel des heutigen Beitrags ist einem Brief von Caroline Schelling vom 18.Mai 1801 entliehen.
Eine kürzlich zurückliegende Konversation mit dem Autor der englischsprachigen Seite über Caroline Schelling betraf eben diese Textstelle und war unter anderem Anlass mir die Hutmode der Zeit genauer anzusehen...zudem juckte es mir in den Fingern ein neues frühromantisches Kleidungsstück für die spätsommerliche Fahrt nach Weimar im Gepäck zu haben.
Meine Wahl fiel auf einen Pariser Hut.
"...bring a bouquet of white flowers of the sort one puts on a cap."
Today's blog title is taken from a letter of Caroline Schelling written on 18th May 1801 (Please follow the link and peruse not only the entire letter, but the whole website!)
Due to a recent conversation with the author of the english website about Caroline Schelling, which was based on said text excerpt, I focused more on the headwear of the year...another reason was that I'd love to have a new garment in my luggage for our weekend in Weimar in Autumn.
I've chosen a Parisian hat.
Jahrgang 16, September 1801 Journal des Luxus und der Moden
Tafel 25
(Quelle/source: urmel-thulb Jena)
Ich habe mir die französische Capote unten im Bild ausgesucht. Um einen besseren Eindruck zu bekommen habe ich den Text zu dem Kupfer hinzugezogen.
I went for the french capote. To get more information I also read the accompanying text to the plate.
Jahrgang 16, September 1801 Journal des Luxus und der Moden
(Quelle/source: urmel-thulb Jena)
Transkription:
Dagegen trägt (Fig.2) einen Pariser Hut von gelbgestreiften Seiden-Bast mit gelb und weißen Krep-Puffen, zur Rechten ein Bouquet Narcissen von feinem gelben Krep.
Translation:
Whereas (Fig.2) is wearing a Parisian hat made of silk-bast with yellow and white striped crepe poufs, on the right a bouquet of daffodils of yellow crepe.
Die erste Frage, die der Text aufwarf betraf die Bedeutung von "Seiden-Bast".
Was konnte sich hinter diesem Begriff verbergen?
Ein Blick in Bohns Waarenlager war dabei eine große Hilfe und förderte einen weiteren Begriff zutage:
Fottalongées
The first question on my mind was about the meaning of "silk-bast".
What on earth could that be?
Again Bohns Waarenlager was a great help to find more about a term, while leading to another:
Fottalongées
1805, Bohns Waarenlager (Quelle/source: googlebooks)
Transkription:
Fottalongées, Ostindische aus einem Bast und Seide gewebte Zeuge mit Streifen
Translation:
Fottalongées, ost indian woven fabric with stripes made of bast and silk
Eine Dekade später findet sich der Begriff noch in einem weiteren Buch, erwähnt wird Schweizer Seidenbast von glatter Beschaffenheit, der vor allem für Sommerkleider verwendet wird:
A decade later there's another hint in a book about the fabric, there's a smooth Swiss silk mentioned as 'silkbast', which is often used for summer dresses:
1819, Poppe, Lehrbuch der speciellen Technologie
(Quelle/source: googlebooks)
Also handelte es sich um eine Art Seide. Die erste Hürde war genommen, aber so simpel das Hütchen auf den ersten Blick auch erscheinen mag, das war nur der Beginn einer Reihe von Fragen.
An dieser Stelle wurde mir klar, dass ich bislang kaum etwas über den Ansatz meiner Arbeiten geschrieben hatte.
Grundsätzlich versuche ich glaubwürdige Nacharbeitungen anzufertigen, dabei sind einem natürlich häufig die Hände gebunden. Vielfach sind einige Stoffe nicht mehr erhältlich oder ihre Beschaffenheit nicht entschlüsselt - ein Blick durch Bohns Waarenlager eröffnet die unglaubliche Fülle an Stoffen, die in der damaligen Zeit in Gebrauch waren, um irgendwann von der Bildfläche zu verschwinden (oft ohne Abschiedsbrief).
Leider habe auch ich keinen Goldesel im Garten weiden, was bedeutet, dass ich oft auf andere Stoffqualitäten ausweichen muß.
Und nicht immer habe ich Einblick in alle Konstruktionsweisen.
Mein Ansatz ist es daher mit möglichen Mitteln zu arbeiten, wobei ich bevorzugt Modekupfer nacharbeite, denn hier hatte es auch F.J.Bertuch bei seinem Journal des Luxus und der Moden im Sinn, den Frauen ein Bild und einen Text an die Hand zu geben, den sie mit ihren Mitteln umsetzen konnten.
Hence it is a kind of silk. The first obstacle was taken, but as simple as the hat seems on first glimpse, this was meant to be just the beginning of further questions.
At this stage I suddenly realized that I never wrote about my approach of my work.
In principle I try to do a faithful re-creation, while I often have to face certain restrictions. Often certain types of fabric aren't available anymore or we have no clue of their texture - a thorough look into a dictionary like Bohns Waarenlager reveals the huge variety of fabrics, which were used back then and then simply vanished (without leaving any note).
Furthermore I have no cash cow grazing in my back yard, which means, I often have to chose different fabric qualities.
And I have only limited access to period originals and their construction.
Therefor my personal approach is to work with given means, while I prefer working with fashion plates, because these were given by F.J.Bertuch in his Journal des Luxus und der Moden, to provide his readers with ideas via plates and texts, which could be sewn according to their means.
Hier also gab der Modekupfer Seidenbast vor, den ich natürlich nicht meterweise im Schrank liegen hatte, also wich ich auf gestreiften Seidentaft aus, von dem ich noch ein Reststück in meinem Stofflager hatte. Der Stoff war gewählt, aber die Konstruktion stellte mich vor ein großes Problem.
Da war die Rede von Krepp-Puffen, aber ich konnte nur erkennen, dass der Stoff im Kupfer in Falten gelegt war. Sollte ich dem Kupfer folgen oder dem Text?
Und was war das?! Wie konnte der Stoff entlang der Krempe nur auf diese Art verlaufen?
Und was in aller Welt war an der Konstruktion "französisch"?
Was hätte eine Hausfrau damals in diesem Falle getan? Sie hätte sich vermutlich an eine Konstruktion gehalten, die sie bereits erprobt hatte...und wenn diese dann noch von einem französischen Modekupfer kam, war das sicher ein Grund mehr.
Ich fertigte den Hut also basierend auf den Erkenntnissen meiner Kapotte vom Costume Parisien Modekupfer 168 aus dem Jahr 1799/1800.
Here the fashion plate called for silk-bast, which - alas - I have none of, thus I went for striped silk taffeta, of which I had a remnant in my stash.
The fabric was chosen, yet the construction proofed to be a mystery of it's own. There was a mention of silk poufs, yet all I could figure out in the plate was some pleats made of self fabric. Should I follow the plate or the text?
And what about that?! How could the fabric run on the brim the way it did in the plate?
And what was "french" about the construction?
What would a period housewife have done in this case? She would probably have relied on a previous and familiar construction...especially if that particular piece was done following a french fashion plate.
I constructed the hat based on my knowledge of the capote from Costume Parisien fashion plate 168 of the year 1799/1800.
Die Krempe als Schnittmuster (oben) und aus Steifleinen und Draht gefertigt. Außen mit einer dünnen Lage Flanell. Die Krempe bleibt an den Enden geöffnet.
The brim as pattern (top) and the buckram/wire base. I added a layer of thin fannel onthe outside. The brim remains open at both ends.
Mein Stoffrest aus Seidentaft, bereits zu einem Schlauch genäht.
My fabric remnant of silk taffeta, already stitched into a tube.
Der Schlauch wird über die Krempe aus Steifleinen gezogen und mit einigen Heftstichen festgenäht. Auf diese Art und Weise laufen die Streifen nahezu wie in dem Modekupfer senkrecht entlang der Krempe.
The buckram is covered with the silk tube and staystitched with baste stitches. Choosing this construction provides that the stripes run vertical around the brim like in the fashion plate.
Die Innenseite. Am oberen Rand sieht man den Stoffüberstand, der später in Falten am Hinterkopf zusammengefasst wird.
The inside. The upper side shows the fabric excess, which is later gathered in pleats.
Das Futter aus Baumwolle
The lining made of cotton
Entlang der Kante wird ein Streifen angenäht
A stripe of bias cut fabric is sewn along the edge
Die obere Kante des Seidenschlauchs wird mit Rückstichen zugenäht
The upper edge of the silk tube is closed with back stitches.
Innenansicht. Und nun beginnt der kreative und langwierige Teil, den Stoff so zu drapieren, dass auf dem Kopf zwei Puffen entstehen. Das hat mich einiges an Zeit und Geduld (und Nerven) gekostet, weshalb ich gar nicht ans fotografische Dokumentieren gedacht habe, sondern gänzlich mit Fluchen beschäftigt war...
Inside view. And now it's the beginning of the creative and tedious part, to drape the fabric in a way, that it has two poufs on top. This did cost me some time and patience (and nerves), hence I did not thought of photo documenting this process, because I was caught up in swearing...
Die zuvor lose Rückseite wurde in Falten zusammengefasst
The loose back side was gathered in creases
Und dann schaut er doch ein wenig anders aus als auf dem Modekupfer...darüber seufzen Hausfrauen sicherlich schon seit über 200 Jahren.
Ich denke, ich hatte einfach zu wenig Stoff zur Verfügung um die Rückseite noch voller zu gestalten.
And then it looked a bit different than in the plate...I hear housewives sighing about this for the past 200 years.
I guess, I just had too little silk, otherwise the back would have been formed a bit fuller.
Die Rückseite mit der Naht.
The back side with the seam.
Die im Titel erwähnten Blumen. Es sind keine Narcissen aus gelbem Krepp geworden, sondern ein kleines Sträußchen aus hangeschöpftem, faserigen Papier, dazu eine zweite Schleife aus Seide.
Auch diese ist nicht im Kupfer zu sehen,aber das Band war ein Geschenk meiner lieben Freundin Natalie und deshalb gehörte sie einfach auf die Mütze!
The flowers mentioned in the title. However these are no daffodils made of yellow crepe, but a small bouquet of handmade paperflowers, and there's a second bow tie.
The additional tie isn't on the fashion plate, but it was a gift from my dear friend Natalie and simply had to be a part of the cap!
Die Innenseite mit Futter aus heller Baumwolle
The inside lined with white cotton
Auf dem Kupfer sieht man lediglich ein Kinnband, aber leider nicht wie es geschlossen wird, also entschied ich mich für eine Lösung mit Haken und Ösen.
Actually only a chin strap is shown in the fashion plate, yet no hint on how to close it. I decided on a hook and eye closure.
Edel- das ist das erste was mir dazu einfällt.Eine wirklich tolle Farbkombination, ich bin schon gespannt auf Bilder im getragenen Zustand :-) Und genau das Richtige, um mich davon abzulenken, daß mein last-minute-Briefpäckchen dank Poststreik wahrscheinlich viel zu spät ankommt :-( aber was soll´s, "nicht zur Strafe, nur zur Übung" heißt es doch...und zur Belohnung mach ich mir irgendwann auch mal einen neuen Hut ;-) LG Hannah
AntwortenLöschenVielen Dank :) Ja, so ein Hut ist immer ein feines & kleines Projekt und gibt jedem Kleidungsstück gleich ein bisschen Veränderung.
LöschenIch hoffe, Dein Brief erreicht uns noch...aber es sind ja auch noch ein paar Tage - mit dem Streik konnte ja nun niemand rechnen...and diser Stelle schonmal ein herzliches Dankeschön für Deine Teilnahme!
Wieder ein Schmuckstück. Chapeau! ;-)
AntwortenLöschenDankeschön :)
LöschenThat is lovely! I wish I could come to your milliner's shop and try on all the pretties - though this one is way too early for that.
AntwortenLöschenThank you! Yes, we will present later fashions at the event, but it would be great fun to have you here :) Maybe next time...
LöschenIch bin immer wieder beeindruckt, wie durchdachte deine Konstruktionen sind! Du findest irgendwie für alles eine passende Lösung! Und der Hut ist wahnsinnig schön geworden!!
AntwortenLöschenLiebe Grüße, Kerstin
Vielen lieben Dank. Ich mag das Hütchen auch sehr gern und es kann auch ein bisschen zusammengekunfft werden im Gepäck ohne Schaden zu nehmen...also eine perfekte Reisegarderobe ;)
LöschenWhat a lovely hat! But I'm even more fascinated by learning more about your process and your research- thanks especially for sharing the link to CarolineSchelling.com. More letters to read!
AntwortenLöschenThank you kindly!
LöschenThe Caroline Schelling website is amazing! I'm sure you will love it and peruse it. It's lovely to see that her letters are finally translated into English, I hope more will focus on German poets, philosophers and persons of the German Fruehromantik - there's still so much to discover (and translate).
I love it Sabine! It's a shape not often recreated, and I appreciate your ingenious way of determining how to construct the shape. Very, very cute!
AntwortenLöschenBest,
Quinn
Thank you very much :)
LöschenDear Sabine,
AntwortenLöschenWhat a nifty hat! It has a lot more presence and charm than I usually afford to soft-crowned hats, which so often seem dumpy, more like a wrinkly dumpling on the head than a confection.
You wondered about bast. Bast fibers are actually a grouping of fibers...jute, flax, ramie., nettle... Been around forever and Europe produced nettle fabric, at least, along with linen, and of course flax becomes linen when spun. You'd have to find out what striped silks were most popular that year and find out which countries were most common for silk imports to France at the time, or if this was a French product. The cellulose fiber would have given the silk good body. The other thought is that this was a silk- like fabric, perhaps in the luster department. Hard to say without knowing what was being sold...Luxus may have this info, or you'd have to dig into customs and trade info.
Anyhow, hugs,
Natalie
Thank you! Meanwhile I've read more on the silk bast and hopefully will find time to do a follow up on this post soon or at least add some annotations to this post!
LöschenAuch ich bin immer wieder beeindruckt, wie du es schaffst die Konstruktion von so einem komplizierten Gebilde auszutüfteln. Ich hab mal so etwas Ähnliches versucht und bin kläglich daran gescheitert. Du hast die Lösung gefunden. Mal abgesehen davon, ist das Ergebnis bezaubernd und sehr geschmackvoll komponiert.
AntwortenLöschenHerzlichen Dank...bisweilen habe ich mich bei dieser Mütze auch sehr nah am Scheitern gewähnt, vor allem, weil der Hut etwas üppiger nach hinten fallen könnte...beim nächsten Mal ;)
LöschenIn Dir steckt eine begnadete Modistin, liebe Sabine!
AntwortenLöschenGruß Constanze
Vielen lieben Dank :)
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