"Madame, Ihre Bestellung wurde geliefert."
"Madame, your order has been delievered."
Aber mal ehrlich, wie kam eigentlich der Frauenzimmerschuh in den 1790er Jahren an den Fuß der Dame?
Messen, wie zum Beispiel die oben erwähnte berühmte jährlich stattfindende Michaelismesse in Leipzig im September, und Jahrmärkte waren eine gute Gelegenheit neue Moden kennenzulernen und auch bereits gefertigte Schuhe zu erwerben, aber üblicherweise wandte sich Madame an den örtlichen Schuhmachermeister. Lebte sie in einer größeren Stadt, konnte sie gar bei einem sogenannten Frauen-Schuster ihre Bestellung aufgeben.
Dazu fand sich Madame zumeist vor Ort ein, um zunächst ihren rechten Fuß mit einem papierenen Band und einer Holzschieblehre ausmessen zu lassen. Von ihren Maßen fertigte der Schuhmacher einen einzigen Leisten, welcher nicht nur dem Fuß, sondern auch der neuen Schuhmode entsprach.
Aber werfen wir doch einen Blick in eine solche Werkstatt:
Seriously, how does a shoe made it's way to the foot of a lady in the 1790s?
Trade fairs, for example like the above mentioned famous annual Michaelsmas in Leipzig in September, or other fairs always have been a good opportunity to learn more about the latest fashions and even purchase readymade shoes, but usually Madame would prefer to visit the local shoe maker. If she happened to live in a big city, she could even shop at a specialized shoemaker for ladies.
Generally madame would choose to pay a visit in the shop to have her right foot measured with a paper tape and a wooden calliper. Having her foot's measurements the shoemaker first created a single last, which did not only match her feet, but also the desired fashion.
At this point we might have a peek into the shoemakers workshop:
1791, Johann Peter Voit, Faßliche Beschreibung der gemeinnützlichsten Handwerke und Künste (Quelle/source: googlebooks) |
Dargestellt wird das Maßnehmen des Schuhmachers am schwarzbestrumpften Fuß der Dame. Im Hintergrund an der Wand sieht man die Leisten, wie damals üblich immer nur einer. Frauenzimmerschuhe konnten aus Leder oder "Zeug" (also verschiedenen Stoffen) hergestellt werden, wobei das Schuhblatt gar von der Kundin selbst mitgebracht werden konnte, dazu findet sich auch ein erläuternder Text in den Quellen:
Depicted is the measuring of the black-stockinged foot of the lady. In the background is a shelf with all the lasts, as it was common back then always only one for both feet.
Female shoes could be made of leather or fabric, where the uppers could even be contributed by the female costumer, this is well-described in the following passage:
1791, Johann Peter Voit, Faßliche Beschreibung der gemeinnützlichsten Handwerke und Künste (Quelle/source: googlebooks) |
Transkription:
Gefärbtes Leder wird zu Frauenzimmerschuhen und zu Pantoffeln genommen; dahin gehören nun rother, grüner, gelber, blauer Safian, roth und paillegelb, auch blau und weisses Taffentleder, rauhes Kalbleder von den Weiß-und Sämischgerbern, ingleichen allerhand weisse, farbige und bunte Ledersorten. Jetzt sind reiche, gestickte, barchentne und seidene Frauenzimmerschuhe Mode, wozu man die Blätter im Kramladen kauft.
Translation:
Coloured leather is used for ladies' shoes and mules; as were red, green, yellow, blue moroccan leather, red, straw yellow, also blue and white soft leather, raw calf hide from the tanner, and also plenty white, coloured and painted leathers. Currently rich, embroidered, fustian and silk ladies' shoes are fashionable, where the uppers are bought in corner shops, general stores or rummage shops.
Auf diese Art und Weise wurde ein Schuh zu einem sehr individuellen Stück, das bis ins Detail den Vorstellungen der Kundin entsprechen konnte.
Besonders in England waren lederne bemalte Schuhe zur Mitte der 1790er sehr beliebt, wobei die Muster bisweilen für den heutigen Betrachter äußerst modern wirken: von Blümchen und Punkten über geometrische Muster ist in den Museen beinah alles zu finden, was das Frauenherz vor über 200 Jahren höher schlagen ließ und auch heute noch für Entzückung sorgt.
This way a shoe turned into quite an individual piece of fashion, as it could be fulfilled very detailed after the customer's delight.
Especially in England painted leather shoes were highly popular in the mid 1790s, while the patterns are still appealing to the modern eye: from flowers and dots to geometrical patterns, a wide range still to find in the museums and with the ability to raise the heart rate as much today as 200 years ago.
Und auch ich bin dem Charme dieser Schuhe erlegen, aber leider konnte ich nicht einfach zum örtlichen Schuster mit meinem Schublatt aus dem Kramladen und mir den Traum erfüllen, also verschwand ich - den heiligen Crispin um Beistand anrufend - in meiner Werkstatt, um zunächst einen Leisten mit dieser markanten Spitze herzustellen. Der Originalleisten in meiner Sammlung, mit dem ich zuvor den Pantoffel hergestellt habe, half mir dabei sehr...dennoch bedeutete es einige Stunden Schleifen und zig Schuhprobestücke aus Papier.
I also succumbed to the charms of these shoes, but unfortunately I could not just visit the local shoe maker with an upper from the next corner shop to realize my dream, hence I went into my own workshop - while calling St.Crispin for guidance - to build a last with the distinctive pointy toe. The original last in my collection, from which I made the mules recently, helped me a lot...nevertheless it meant hours of sanding and quite a number of paper shoe samples.
Der fertige Leisten wirkt recht zierlich und schmal, aber mit der Spitze misst er beinah 26 Zentimeter. Überhaupt führt den Betrachter das Aussehen der Schuhe oftmals in die Annahme, dass die Schuhe (und somit auch die Füße der Damen) äußerst klein waren, und sicherlich galt ein zierlicher Fuß damals als Ideal (dazu an anderer Stelle demnächst hoffentlich mehr), aber dank der detaillierten Auflistung der Museumsbestände ist zu erkennen, dass die meisten Schuhe durchaus heute gängigen Größen entsprachen.
The finished last looks rather dainty and small, but with the pointy toe piece it measures 10 1/8 inch.
Actually the shape of the shoe often misleads to think, that shoes (and the feet of the ladies) commonly have been much smaller, and most certainly a petite foot meant an ideal (more about that hopefully soon in another blog post), but due to precise museum's data it is revealed, that most shoes conform with today's sizes.
Nachdem der Leisten gefertigt war, folgte das Schuhblatt. Wie bei den Originalen kam sehr dünnes Leder zur Verwendung (mein alter Lederblouson aus den 80ern lässt grüßen), welches entsprechend der englischen Vorbilder gefärbt und bemalt wurde.
After the last was finished, I made the uppers. Following the originals I've chosen a very fine and thin leather (taken from my old leatherjacket from the 1980s), which was painted and then coloured according to the museum's pieces.
Wie in historischen Quellen beschrieben, wurde das feine Leder mittels Stärkekleber auf das Leinenfutter aufgeklebt, um dem Schuh mehr Stabilität zu geben. Die Nähte und der obere Rand wurden mit einem Band eingefasst. Im historischen Kontext waren diese Näharbeiten zumeist die Aufgabe für die Frau (oder die Töchter) des Schuhmachers.
Like described in historical sources, the thin leather was added to the linen with glue, to give more stability to the shoe itself. The seams and the upper edge were finished with a ribbon. Historically this sewing was usually done by the wife (or daughters) of the shoe maker.
Die Schuhblätter auf der Innensohle befestigt.
Da ich durch die Verwendung von Kunstledersohlen, die nicht vernäht werden können, vom Original abweiche, gestaltet sich auch die Konstruktion ein wenig anders. Im Netz sind zahlreiche Anleitungen für die Konstruktion im Wendeschuhverfahren zu finden, weshalb ich das an dieser Stelle nicht weiter erläutere.
The uppers are attached to the insole.
As I use faux leather soles, which cannot be stitched, I therefor differ from the original construction. There are plenty of tutorials in the worldwideweb for turnshoe construction, thus I won't go into detail here.
Nachdem die Schuhe auf die Innensohle aufgeklebt wurden, habe ich zwei verschiedene Sätze Absätze gefertigt, welche anschließend mit Leder bezogen wurden. Da das Fertigen der Absätze bisweilen eine Kunst für sich war, gab es in größeren Städten auch Stöckelmacher, die sich auf die Herstellung spezialisiert hatten.
After attaching the uppers to the insole, I've done two sets of heels, which were then covered with leather. As the process of heel making is rather an art of it's own, there also have been heel makers (Stöckelmacher) in larger cities, which have specialized in this craft.
Die Entscheidung fiel schließlich auf die linke Absatzvariante. Nachdem diese an beiden Schuhen befestigt war, folgte schließlich noch das Anbringen der Laufsohle und der beliebten Pompons...
The decision was made for the left heel style. After these were attached to the shoes, finally the outer sole was assembled and the popular pompom decororation...
...und dann konnten die Schuhe, wie eingangs im Bild gezeigt, abgeholt oder geliefert werden.
...and then the shoes were ready to be fetched or delievered, like shown in the photo at the opening of this blogpost.
J.D.Felgenhauers Novität: bemalte rosa Frauenzimmerschuhe. Kein Wunder, dass die Deckel von den Schachteln gerissen wurden - ob begleitet von dem heute verbreiteten Kreischen sei dahingestellt.
J.D. Felgenhauer's novelty: coloured pink lady's shoes. No wonder that the lid was ripped of from the box - whether with a sigh or squeeze, we do not know.
Gut, ein bisschen geseufzt hat Madame dann schon bei dem Anblick von diesem Traum in rosa.
Well, a bit of a sigh was heard from Madame, when she first glanced at this pink dream.
Gut besohlt und geschmückt.
Well soled and adorned.
Auch die (Kunstleder-)Sohle ist ein Hingucker.
The (faux leather) sole is eye candy as well.
Selbst beim Umdrehen und Abschiednehmen macht Madame fortan Eindruck.
Even with turning around and walking away Madame will leave a lovely impression.
Auf Felgenhauers Modelle ist modisch einfach Verlass.
You can always rely on Felgenhauer's fashionable shoes
Ich bin wirklich sehr zufrieden mit meinem ersten Paar Schuhen und sie waren ein gutes Lehrstück. Beim nächsten Paar weiß ich genau, worauf ich zu achten habe und wo Verbesserungen vonnöten sind. Zum Beispiel ist dieses feine, weiche Leder sehr viel nachgiebiger als man es von modernen Schuhen gewohnt ist und es schadet nicht die hintere Naht kurviger zu schneiden, ein Band in die obere Kante einzufügen (wie man es auch bei vielen Originalen sieht).
Während man beim modernen Schuhkauf eher eine halbe Nummer größer wählt, ist es hier umgekehrt, denn das feine Material und dazu der gleiche Leisten geben dem Fuß gut nach.
Überhaupt sind und waren diese Schuhe zumeist nur ein Saisonvergnügen, denn die feine Spitze stößt schnell an und es empfiehlt sich auf dem Kopfsteinplaster Überschuhe zu tragen.
I'm truly happy with my first pair of shoes and they've been a good teacher.
With the next pair I now know what to consider and improve. For example this fine leather is much more pliable than we are used from modern shoes and it is recommended to have a more curved back seam and a ribbon along the top (like seen in original shoes).
While it's usually good to choose half size up in modern shoes, it's quite the contrary here, because the thin and smooth material on a straight last widens.
Actually these shoes are and were always meant as a seasonal fun and fashion, as the pointy toe is prone to get in trouble, hence wearing overshoes on cobbled streets might be reasonable.
Dennoch kann ich es kaum abwarten sie zu tragen, auch wenn man sie unter den herrlichen Kleidern vielleicht nicht immer sieht!
Nevertheless I can't wait to wear them, although they're usually hidden under the huge dresses.
Aber Felgenhauers Schuhe machen die Füße einfach schöner!
But Felgenhauer's shoes make feet so pretty!
Und wer auch gerne ein individuelles Paar Schuhe sein Eigen nennen möchte, sich aber scheut selbst in der Werkstatt zu verschwinden, dem bietet sich die Möglichkeit ein bisschen in die Zeit um 1800 einzutauchen und ein Paar nach eigenen Wünschen bei Charos Atelier Angelica Absenta zu bestellen:
If you'd love to have your own pair of individual shoes, but are afraid to assemble them in your own workshop, there's a wonderful possibility to go back in time into around 1800 and order them after your very own desire at Charo's Atelier Angelica Absenta:
Atelier Angelica Absenta |
Liebe Sabine,
AntwortenLöschendie Schuhe sind der Hammer, du hast meinen allerhöchsten Respekt! Vielen Dank, dass Du uns an Deinen Erfahrungen und Erkenntnissen teilhaben lässt. Ich freue mich wirklich über jeden Bericht von Dir, es macht einfach Spaß, Deine Projekte zu verfolgen.
Liebe Grüße
Emily
Vielen lieben Dank, Emily, dass Du Dir Zeit genommen hast, um einen Kommentar zu hinterlassen!
LöschenDas nächste Paar Schuhe ist schon geplant, denn allmählich sollten meine Schuhschnallen mal etwas Ausgang bekommen ;)
Another great post, I really love this pair of shoes: color, shape, heels and pattern. They look perfect!
AntwortenLöschenThank you most kindly, Charo :)
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