Montag, 2. Februar 2015

I'm singing in the rain...

Ich eröffne sicherlich keine bahnbrechenden Neuigkeiten, wenn ich verkünde, dass es vor gut 200 Jahren nicht nur Sonnentage gab, sondern auch grauen Himmel und Regen.
Folglich sah man auf den Straßen nicht nur die kleinen Parasols der Damen in munteren Farben gegen die Sonnenstrahlen gestemmt, sondern man stattete sich auch mit Regenschirmen aus - vornehm französisch: parapluie.
Kennzeichnend für diese Regenschirme, die zumeist von Herren genutzt wurden (als Dame blieb man wohl bei Regenwetter eher in der Stube), war ihre enorme Größe, ihr Gewicht und dass sie nicht in tristem Schwarz daherkamen, sondern sehr farbig waren. Die bevorzugten Farben dieser Herrenschirme waren Grün, Rot und Blau, wobei der äußere Rand mit einer gestreiften Borte abgesetzt war.
Der Bezug bestand aus Seide oder Baumwolle.
I certainly do not break breathtaking news, when I announce, that there haven't been just sunny days 200 years ago, but also grey skies and rain.
Hence the streets were not only filled by ladies' lovely little parasols, which colourfully did their duty to protect against the sunbeams, but occassionally umbrellas were seen as well - nobly called: parapluie.
These umbrellas, which were usually used by gentlemen (probably ladies stayed at home during rain), are distinguished by their size, weight and the fact, that they weren't seen in dull black, but were quite colourful. Popular colours have been green, red and blue, most commonly with a small striped edge.
The canopy was made of silk or cotton.

1806/07 Christoffer Suhr, Der Ausruf in Hamburg, 
Der Regenschirmverkäufer (Tafel 62)

Regenschirme wurden aber nicht nur verkauft, sondern auch von den Regenschirmmachern stets ausgebessert.
Das Dach eines Schirms besteht zumeist aus einer ungeraden Anzahl von Segmenten, im Gegensatz zu heutigen Schirmen.
Eine kleine Auswahl an Herrenschirmen befindet sich unter der Rubrik "Schuhe, Hüte und Putz".
Umbrellas were not only sold, but also often mended by the workers of a parasolerie.
The canopy of these umbrellas usually counts an uneven number of segments, contrary to modern umbrellas.
A small collection can be found on the board "Schuhe, Hüte und Putz".

around 1800, James Ward, Studies of figures with children

Die Studie aus der Feder James Wards zeigt uns einen dieser Schirme ausnahmsweise in den Händen einer Frau. Das Bild gibt die Größe des Schirms sehr gut wieder und verrät vielleicht auch einiges über das Gewicht. An dieser Stelle sei bemerkt, dass der Schirmhändler nicht zu beneiden ist, den das Dutzend Schirme, welches er mit sich herumschleppt, wiegt beinah 25 Pfund.
The study from James Ward depicts ther rare sight of a woman holding an umbrella. The picture tells a lot about the size of the umbrella and maybe gives a good hint on the weight as well.
I may reveal, that the poor umbrella seller isn't to be envied, because that dozen of parapluies weighs nearly 25 pounds.

 Der Schirm hat eine Länge von 95 Zentimetern.
The umbrella measures 95 centimeter in lenght.

Das Gewicht von etwa 2 Pfund rührt von der Verwendung von Fischbein (Baleen) her, aus dem die neun Rippern gefertigt sind. Die Rippen sind an der Spitze mit Messingkappen versehen.
The weight of nearly 2 pounds derives from the use of baleen for the nine ribs. The tips are made of brass.

Der Stock ist ebenfalls aus Messing gefertigt und umschließt einen Holzkern. Ich bin mir nicht sicher, ob der Griff ein Original ist, da er eine Naht hat und maschinell gefertigt zu sein scheint.
The tube is also made of brass and encloses a wooden tube. I'm not certain whether the handle is original as it has a seam and seems to be machine made.

Die Schirmspitze. Der Oberstoff ist eingerissen und zeigt den baumwollenen Unterstoff, der innen in der Spitze des Daches über das Gestänge gelegt wurde.
The end of the umbrella. The silk is torn and reveals a glimpse on the cotton piece, which is added to protect the silk from the ribs at top inside.

Möglicherweise wurde diese Stelle bereits ausgebessert und mit Handstichen angenäht.
Probably the top piece of the canopy was changed and sewn on with hand stitches.

Weitere Ausbesserungen wurden an den Spitzen vorgenommen, wo der Stoff am ehesten einreisst.
Der Schirm ist in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden, ein genaues Jahr oder eine Dekade lässt sich nur schwer bestimmen. 
More mending at the tips, where the silk easily got torn.
The umbrella was made in the first half of the 19th century, a precise year or decade is difficult to determine.

Die Bordüre des Seidenstoffes mit der durch Handstiche verstärkten Kante.
The border of the silk and hand stitches along the edge.

Die neun Teile des Bezug wurden von Hand mit Rückstichen vernäht. Der Seidenstoff ähnelt einem festeren Seiden Habotai Stoff. Erstaunlicherweise franst er kaum aus.
The nine pieces of the canopy were sewn by hand with backstitch. The silk is similar to silk habotai. Amazingly it hardly frays.

Der Spitzenköcher, ebenfalls aus Messing. In nächster Zeit werde ich die Stellen an der Spitze behutsam ausbessern, glücklicherweise hat der Stoff ansonsten keine Löcher oder Schadstellen und kann somit erhalten werden.
The tip cup, also made of brass. Soon I'm going to carefully mend the torn silk along the tips, luckily the canopy has no further holes or damages and can be preserved as it is.

...I'm singing in the rain...
 
Edit: Was sechs Jahre später aus dem Schirm geworden ist, kann man hier nachlesen: 

2 Kommentare:

  1. That is fantastic! I've never seen that word used before--it's nice to learn new information every day. It certainly looks large and like it would keep the rain off. How exciting that you own it, Sabine! Thanks for sharing all the little details of your find with us.

    Best,
    Quinn

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  2. Einfach wunderbar, welch tolle Entdeckungen du immer wieder machst! Vorallem dieser extrem gute Zustand für das alter des Schirmes!
    Und wie wunderbar du ihn wieder geschichtlich in Szene gesetzt hast! Ich liebe deine Recherchen!!

    Liebe Grüße,
    Kerstin

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