Donnerstag, 17. September 2020

...wie ein Englisches Ameublement aus London über Weimar in eine Westphälische Stube kam

 Bereits in den ersten Ausgaben des Journal der Moden (wie das spätere Journal des Luxus und der Moden beim Erscheinen des ersten Jahrgangs 1786 noch betitelt wurde), widmeten sich die Herausgeber Friedrich Justin Bertuch und Georg Melchior Kraus auch den Novitäten, welche die Stuben ihrer Abonnenten fortan zieren sollten: dem Ameublement. 
Möbelstücke und Hausrat, teils von adeligen Haushalten in leicht abgeänderter (sprich: vereinfachter) Form inspiriert, hielten neuerdings Einzug in bürgerliche Wohnungen und Häuser.
Zu Beginn dieses Jahres stieß ich, nachdem ich im Herbst/Winter zuvor eine Stube in unserem Haus frisch renoviert hatte, auf ein solch interessantes Ameublement in der Juniausgabe des Journal des Luxus und der Moden im Jahr 1800, das meine Suche nach einem geeigneten Möbel für Hefte, Karten, Bücher und so manchen Nippes in eine neue Richtung leitete.
Already within the very first year of publication of the Journal der Moden (as the later Journal des Luxus und der Moden was named in 1786), the publishers Friedrich Justin Bertuch and Georg Melchior Kraus added novelties for the rooms, palours and chambers of their readers: ameublements.
Furniture, home decor and hardware, partially inspired and influenced by the households of the gentry, were now also available for middle class homes, albeit plain in style, material and execution.
At the beginning of this year, after renovating a room in our house last autumn/winter, I stumbled upon such an interesting furniture in the June issue of the year 1800 of the Journal des Luxus und der Moden, which led my search for a furniture for my collection of books, booklets and such in a new direction.
1800, Juni Journal des Luxus und der Moden, Ameublement (Quelle: ThULB Jena)

Das niedliche Möbelstück wurde von einem Korrespondenten aus London an den Herausgeber des Journals übermittelt und las sich wie folgt:
The delicate little furniture was introduced by a correspondant from London to the publisher in Weimar and read as follows:
1800, Juni, Journal des Luxus und der Moden X.Ameublement (Quelle: hhu Düsseldorf)

Transkription:
[...]Beyfolgend gezeichnete, sehr elegante schwebende Noten-Repositur (Tafel.18) sahe ich dieser Tage bey einer englischen Dame, der Lady E**. Es hieng so leicht und zierlich über ihren herrlichen Fortepiano, an 4 grünen seidnen Bändern an der Wand, daß mir die Lust ankam, es mit Erlaubniß der Dame für das Moden-Journal zu zeichnen; und ich schmeichle mir, daß manche unsrer schönen Landsmänninnen mir für die Mittheilung dieses kleinen, bequemen und zierlichen Meuble Dank wissen wird. Das ganze besteht bloß aus drei dünnen sauberen Mahagony-oder Birnbaum-Bretern, etwa 2 Fuß lang und 18 Zoll breit, deren jedes an den vier Ecken eingeschraubte, feststehende, messingene oder eiserne Ringe oder Oehsen hat. Durch diese werden vier schöne breite seidene Bänder gezogen, an jedem Ringe mit einer Schleife festgeknüpft, so daß die Breter im Hängen etwa eine Spanne hoch voneinander abstehen, und eben so viele Boden, oder Locate machen; und sodann oben alle 4 zusammen in eine große Schleife geknüpft, damit man den Notenträger an einem schönen Ziernagel an der Wand aufhängen kann. Nimmt man ihn herab, so legt sich das Ganze bequem zusammen, und die Noten können zwischen den Bretern liegen bleiben, und auf Reisen leicht eingepackt werden. Sie sehen leicht, daß dieß zephyrliche Meuble noch auf mancherley Art verziert werden kann.[...]
Translation:
[...]The additional sketch is of a music note repository (Taf.18), which I have seen at the home of an English Lady, Lady E**. these days. It was placed above her beautiful fortepiano so airy and elegant, on four green silk ribbons, that I felt the urge to sketch it for the fashion journal with the permission of the lady; and I'm smitten that some of my fellow German ladies may be very thankful to me for this little, convenient and delicate furniture. The whole thing is made of the thin and clean mahogany or peartree shelves, approx. 2 feet long and 18 inch wide, on all four corners equipped with screwed, sturdy, brass or metall rings or eyes. Through these four lovely wide silk ribbons are pulled, attached on each ring with a bow, so that the shelves are spread away from each other when hung on the wall, and give space for as many boards; and finally they are all knotted together in a big bow to hang the note repository up on a decorative hook at the wall. If you fetch it from the wall, it conveniently collapses, and the music sheets can be kept between the shelves securely for travel. Youwill see that this zephyre-like furniture can be decorated in many ways.[...] 

Also ich weiß dem Herrn Korrespondenten meinen ausdrücklichen Dank! Das zephyrliche Meuble fand natürlich prompt meinen Beifall, aber da ich kein Fortepiano besitze und folglich keine Noten, überlegte ich, auf welche Art man das Stück denn wohl noch verziert hatte.
Während eines frühen Märzmorgens, den ich lesend in meinem Lieblingsfauteuil am Fenster zum Garten verbrachte, entdeckte ich in dem höchst empfehlenswerten Buch Vorgriffe auf das schöne Leben von Boris Roman Gibhardt überraschend die Antwort.
The zephyre-like meuble was promptly  appealing to me, but as I do neither own a fortepiano nor sheets of music, I pondered how else this piece of furniture was assembled.
During an early March morning, which I spend in my favourite reading fauteuil near the window to the garden, I suprisingly found an answer in the book, I've read.
ca. 1805, Wohnzimmer im Haus von F.J. Bertuch (Bildausschnitt) (Quelle: Ausstellungskatalog Paris 2005 Au temps merveilleuses. La societe parisienne sous le Directoire et Consulat, Musée Carnavalet via Ästhetik um 1800, Vorgriffe auf das schöne Leben von Boris Roman Gibhardt, S.297 Abb.20) 

Da ganz rechts in der Ecke von Bertuchs guter Stube, mit Büchern und einer Uhr bestückt, hängt besagtes Ameublement aus London, allerdings nicht mit dem beschriebenen Seidenband, sondern an Messingketten, welche auch nicht durch Ringe oder Ösen an den Brettern geführt werden, sondern durch die Regalböden selbst.
Diese elegante und etwas zurückhaltendere Ausführung gefiel mir wirklich ausgesprochen gut, aber bevor ich meine Leser mit in die Werkstatt nehme, möchte ich nochmals das 583seitige Füllhorn, welches nun schon zweimalig Erwähnung in diesem Beitrag gefunden hat, vorstellen.
There, in the right corner of Bertuch's room was said ameublement from London. It wasn't made with the silk strings, like it was introduced in the Journal, but with brass chains. These chains weren't attached to rings, but led through holes in the boards.
This model met my taste much more than the one with the silk ribbons.
But before I ask my readers to follow me to the work bench, I'd like to say a few more lines about the book publication, which I've already mentioned two times.
(Please note: the following short passage is not translated as the book is currently available only in German language!)

Das Werk, das 2019 im Wallstein Verlag erschienen ist, beschäftigt sich mit den vielschichtigen Zusammenhängen zwischen der Weimarer Klassik und Pariser Mode um 1800 und hat meiner Freundin und Kollegin Alessandra von Pavillon de la Paix und mir seit dem März so manche tiefgreifende Diskussion beschert.
Die unglaubliche Fülle an Wissen, reich untermauert durch Primär-und Sekundärliteratur, zeichnet ein umfassendes und faszinierendes Bild der Kultur und des Konsums Ende des 18.Jahrhunderts zwischen Paris und Weimar, zwischen dem Journal des Dames et des Modes und dem Journal des Luxus und der Moden, zwischen Künstlern und dem erstarkenden Bürgertum. Dank dieser Lektüre und der ausführlichen Bibliographie ist mein Bücherstapel auf schwindelerregende Höhen angewachsen und mein Notizbuch voll!
Vorgriffe auf das schöne Leben ist anspruchsvolle wissenschaftliche Literatur, die zum Weiterdenken und -forschen anregt. Der Autor eröffnet mit jedem Kapitel viele neue und wichtige Denkanstösse und es gelingt ihm, meiner Faszination für das Journal des Luxus und der Moden neue Nahrung zu geben.
 
Zurück zur Fertigung des Möbels, das mich besonders auf dem Bild aus Bertuchs Stube mit seiner Modernität der Form überraschte. 
Leider hatte ich kein Birnbaumholz mehr in der Werkstatt (im März war es durch Corona mitunter schwierig Material zu erwerben), also wählte ich drei Bretter aus 12mm Schichtholz und furnierte es mit Birnbaum. Der Zuschnitt erfolgte entsprechend dem Platz, den ich an der Wand habe und unter Beachtung der Ästhetik der Gesamtform: 50 x 20 Zentimeter.
Back to the making of the furniture, which really surprised me in Bertuch's home with it's incredible modernity in style.
Unfortunately I had no peartree wood (due to Corona shopping was a bit difficult in March), thus I'd chosen three shelves of 12mm laminated wood and veneered it with peartree sheets. The cut and measurement were made according to the space on the wall and following the aesthetics of the original shape: 50 x 20 Centimetres.
 


Die Oberfläche wurde mit Schellack bearbeitet. Im Bild sieht man rechts ein unbehandeltes Brett, links ein Brett mit Einlasspolitur und erster Grundierung. Durch den Schellack erhält das Holz nicht nur einen schönen Glanz, sondern auch einen natürlich warmen Farbton. 
Statt der Seidenbänder wählt ich - wie bei Bertuch Daheim - vier Messingketten, welche mit Ringen in den gebohrten Löchern verankert sind.
An die Wand kam ein Draperiehalter aus Messing.
The surface was treated with a shellac finish. The right shelve in the picture above shows an untreated piece, the left with the first two prime coats. The shellac does not only provide the wood with a lovely shine, but also with a warm natural colour tone.
Instead of the silk ribbons, I've followed Bertuch's example and chosen a brass chain, which is ankered in the drilled holes with little brass rings.
I used a drapery hook for the wall.

Die Leichtigkeit des Möbels an der Wand hat in der Tat etwas "zephyrliches".
The airiness of the furniture at the wall has indeed something "zephyre-like".


Die Ketten werden durch Haken am Halter eingehängt. Das Möbel kann auf diese Weise jederzeit leicht herabgenommen und zusamengelegt werden.
The chains have little hooks, which are attached to the main hook. The furniture can easily be lifted from the wall to be folded together. 

Das Englische Ameublement begeistert mich vor allem, weil es gut durchdacht, elegant und sehr modern ist. Die Wohnkultur um 1800 ist nicht minder interessant als die Kleidermode.
I am very fond of the English Ameublement, because it's well thought-out, elegant and modern. The home decor around 1800 is as fascinating as clothing.



Die neu gewonnene Ablagefläche erlaubt es mir zudem, meine Sammlung an Theaterstücken, Heften, Journalen und Nippes noch ein bisschen zu vergrößern...vor allem mit Journalen, die ja erwiesenermaßen nicht selten dazu führen, dass man auf viele interessante Dinge stößt, die es durchaus verdient haben nach 220 Jahren wiederentdeckt zu werden!
The new space on the wall allows me to expand my collection of theatre plays, booklets, journals and such...well, especially journals, because they contain such amazing things, which have slumbered for more than 220 years, waiting to be redicovered!

Freitag, 11. September 2020

Allons, allons - sur nos talons!

Mit dem Elan, der im Titel angedeutet wird, falle ich direkt mit der Tür ins Haus: 
Bereit für eine Reise zurück in die zweite Hälfte der 1790er Jahre nach England, Frankreich, Berlin, Frankfurt und Weimar? 
Uih, dazu braucht es sicherlich gutes Schuhwerk!
Womit wir schon beim Thema sind:
Schuhe!
 Zumeist bleiben sie versteckt unter langen Röcken, Schlendern und üppigen Falbalas, und auch in den Journalen finden sie häufig keine sehr ausführliche Erläuterung. Glücklicherweise gibt es in Museen noch einige interessante Paare zu entdecken - auch und vor allen Dingen solche, die den neuen Moden entsprachen.
In meinem heutigen Beitrag geht es um genau jene Schuhe, die in Modejournalen beworben werden.
Aber zunächst ein klärender Blick darauf, welche Ausführungen - neben den modischen - überhaupt an Frauenzimmerfüßen zu finden waren.
I put you head over heels: Ready for a journey into the second half of the 1790s to England, France, Berlin, Frankfurt and Weimar? 
Wow, that calls for good footwear!
Which leads us straight to today's topic:
shoes!
Usually they were hidden under long skirts, trains and frilly falbalas, and even in the journals they hardly get any detailed explanations. Luckily the museums host quite a lot of interresting pairs - especially of those, which followed fashions.
This post is exactly about those shoes, which were mentioned and advertised in the journals.
But first a more in depth look, which kind of shoes - next to the fashionable ones - existed for women.
 
1816, Die Hausthaltungskunde nach ihren neusten Ansichten (Quelle: googlebooks)

Transkription:
[...]Die weiblichen Schuhe unterscheiden sich von den männlichen immer durch eine etwas andere Form.
Nach der verschiedenen Art, wie die Sohle angenäht wird, bekommen sie verschiedene Nahmen und heißen entweder dreymahl genähte, oder Rahmenschuhe, oder umgewendte Schuhe. Die umgewendeten Schuhe werden am meisten getragen, ungeachtet Rahmenschuhe und dreymahl genähte den Fuß bey nasser Witterung mehr und besser vor Nässe sichern.
Die Frauenzimmerschuhe werden von weichem, schwarzen und verschiedenfarbigem Leder, von Saffian, Corduan, und auch verschiedenen seidenen und andern Zeugen gemacht.
Die ledernen Schuhe werden mit Leinwand oder feinem weißen Leder, und im Winter auch wohl mit feinem Flanell gefüttert, und unter Zeugschuhe wird weißes Schafleder oder Canefas (ein dichter baumwollener Zeug) genommen.
Die Form der Schuhe sowohl, als die Farben, hängen ebenfalls von der Mode ab, und verändern sich von Zeit zu Zeit. Dieß findet auch in Rücksicht der Verzierung statt. Man hat gestickte Schuhe getragen, und wird sie auch wieder tragen; man hat Bandschleifen, Bandrosen, Schnallen getragen, und schnürt sie jetzt mit Bändern über den Fuß. Auch dieß ändert sich vielleicht schon wieder, ehe mein Büchlein durchelesen ist.[...]
Translation:
[...] The female shoes are always distinguished from the male shoes by their slightly different shape. Following the different ways how the sole is sewn, they receive different names and are either called triple sewn, welted shoes or turn shoes. The turn shoes are the most popular, no matter that welted shoes and triple sewn protect the feet much better in rainy weather.
The women's shoes are made of black or coloured soft leather, from marrocaine, corduan leather, and also from silks and different fabrics.
The leather shoes are lined with linen or a white leather, and in winter also with fine flannel, fabric shoes are lined with white kid leather or canvas (made of tightly woven cotton).
The shape of the shoes as well as the colour depends on the current fashion, and fashion changes from time to time. Same applies for the use of decoration. Embroidered shoes have been worn, and will be worn again; bow ribbons, bow roses and buckles have been worn, and now they are laced with ribbons. Maybe this will change as well, even before my book is read.[...]

Bei den modischen Schuhen, die in den Journalen Erwähnung finden, handelt es sich in den meisten Fällen um wendegenähte Schuhe, eben jenes Schuhwerk, das schlechter Witterung wenig entgegenzusetzen hatte - Frauen und kalte Füße sind wohl ein ewiges Thema!
Dünnes Oberleder und Seide bieten bei Regen und Schnee wenig Schutz und auch bei den Gegebenheiten der damaligen Straßen konnte von Komfort oder einem Mangel an Abnutzung keine Rede sein. Hinzu kommt, dass auch die Sohlen der Schuhe von eher minderer Qualität waren und in Sachen Witterungsbeständigkeit keine guten Dienste leisteten.
The fashionable shoes, which are mentioned in the journals, usually were turn shoe constructions, exactly that kind of shoes, which were least helpful in bad weathers.
This upper leather or silks hardly stand rain or snow, or the challenges of 18th century cobbled roads, plus the particular sole leather for women's shoes was of minor quality and not robust in bad weathers.
1798, J.G.Krünitz, Oeconomische Encyklopädie, 68. Teil (Quelle: googlebooks)

Transkription:
[...]Nebst dem eigentlichen Sohl-Leder wird noch Halb-Sohlleder, oder Kaltgar-Leder bearbeitet, welches, wie das Oberleder, bis zur dritten Lohung, immer kalt behandelt, dann zu 2 Mahl in die Bottiche gelegt, und jede Haut mit Lohe gut bedeckt werden muß. Es dient vornehmlich zu Frauenzimmer-und Sommer-Schuh-Sohlen.[...]
Translation:
[...]Next to the common sole leather, half-leather and cold-refined leather is used, which,  like the upper leather is refined cold up to the third tanning, than added two times in the tub and covered well with the tan. This sole leather is used for female shoes or summer shoes.[...]

Die modischen Frauenzimmerschuhe waren für das raue Pflaster auf Dauer schlichtweg ungeeignet, besonders an regnerischen Tagen. Dazu konnten wir im letzten Jahr selbst einen Versuch auf dem Kopfsteinpflaster in Weimar ausführen, mehr dazu: hier!
Augenscheinlich erzählen in diesem Zusammenhang auch die Rechnungsbücher im Goethe- und Schiller - Archiv von der kurzen Halbwertzeit von Schuhwerk, wenn Christiane Vulpius in den Monaten April bis Juni des Jahres 1796 gleich drei Mal Rechnungen über Schuhe erhält.
In general the fashionable female's shoes are not the most robust. Last year we've been able to test this in the cobbled streets in Weimar, more about it: here
Maybe the account books of the Goethe-and Schiller-Archiv in Weimar reveal in this context how much of demand (and decay) shoes had, when Christiane Vulpius ordered three pairs within the months from April to June 1796.
 
In den Journalen wurden eifrig modische Wünsche im Bürgertum geweckt - in erster Reihe, das Journal des Luxus und der Moden in Weimar, das im Juni 1797 mit gleich zwei Modenberichten die neusten Schuhtrends zelebrierte. Der Beitrag vom 14.April 1797 aus Berlin und vom 12.Mai 1797 aus Frankfurt loben besonders folgende Modelle:
The journals eagerly awoke the desire of the city dwellers - first of all the Journal des Luxus und der Moden in Weimar, which in June 1797 has printed two mentions of new shoes in their issue. The report from the 14th April 1797 in Berlin and from 12th May 1797 from Frankfurt especially praise the following fashion in shoes:
1797, Juni, Journal des Luxus und der Moden, Modenbericht Frankfurt (Quelle: ThULB Jena)

Transkription:
[...]Sie trägt spitze Schuhe mit platten Absätzen, von gelbem englischen Leder.[...]
Translation:
[...]She wears pointy shoes with flat heels, made of yellow english leather.[...]

Das Gelb der Schuhe wurde in vielen Nuancen angeboten, zwischen einem blassen stroh- oder paillegelb bis zu einem kräftigen Zitronengelb. Das Leder war einfarbig oder mit schwarzer Farbe "bemahlt". Das Vorderblatt und die Sohle dazu äußerst spitz zugeschnitten und nur ein flacher Absatz aus ein oder zwei Lagen Sohlenleder.
Über den Schuhmacher kamen die bestellten Schuhe ins Haus. Gefertigt wurden sie nach individuellen Wünschen und ebenso speziell zugeschnittenen Leisten der Kunden, doch gab es auch Käufe direkt aus dem aktuellen Angebot, denn die weichen Obermaterialien schmiegten sich dem Fuß gut an und verzeihten auch eine weniger genaue Passform.
Etwas hat sich sicherlich nicht geändert: Damals wie heute ging der Schuhkauf, besonders jener von modischen Paaren, wahrscheinlich mit einem breiten Lächeln einher...
Sehen wir uns das doch mal genauer an! 
The yellow of the shoes ranged between a straw yellow and a lemon yellow, the leather was monochrome or painted with black ornaments.
The vamp and the matching sole are pointy and the flat heels are made from one or two layers of sole leather.
The shoes were made and sometimes delievered by the shoemaker. The footwear was build according to the customer's last, but there were also shoes and slippers off the shelves, because the soft uppers were very forgiving when it comes to sizes.
Back then as well as today, buying shoes probably brought a bit of joy and fancy...
let's take a closer look at that!

Nicht nur dem Konsumgut selbst wurde viel Aufmerksamkeit geschenkt, sondern auch die Verpackung wurde sorgfältig ausgewählt. 
Meine modischen Schuhpaare werden in handgefertigten Schuhschatullen aufbewahrt, die außen mit Kleisterpapier bezogen und innen mit Marmorpapier ausgeschlagen sind.
Not only the good itself received a lot of attention, but also the packaging was important.
My own fancy fashion shoes are kept in handmade boxes, the outside covered with paste paper, the inside with luxerious marbled paper.
 
Bereit für das Lüften der Schuhschachteldeckel?!
 Ready to lift the lid of the shoe box?!

Wenden wir uns zuerst dem Paar zitronengelber Schuhe aus englischem Leder zu, wie sie im Journal des Luxus und der Moden im Juni 1797 beschrieben wurden.
Let's take a closer look at the lemon slippers from english leather first, these are made following the description in the June 1797 issue of the Journal des Luxus und der Moden.
 Zunächst wird das Schuhblatt gefertigt, in diesem Fall diente mir ein zugegebenermaßen nicht sehr ansehnlicher und abgetragener Ledermantel aus den 1970er Jahren als Ausgangsmaterial.
Das Leder wird entfettet und dann mit entsprechender Farbe bemalt, ehe die Teile zugeschnitten und vernäht werden. Wie bei den Originalen dient Ripsband dazu die Nähte zu verdecken.
Entsprechend der Erwähnung im Eingangstext, wird der Schuh mit Leinen ausgekleidet.
Im Gegensatz zu Originalschuhen aus dem 18.Jahrhundert verwende ich kein echtes Sohlenleder, sondern Material aus Kunststoff aus dem deutschen Fachhandel.
Auch wenn dieses Material optisch und haptisch nahe am Sohlenleder ist, empfiehlt es sich nicht, es zu vernähen. Meine Wahl fällt hier ausnahmsweise auf eine Technik des 21.Jahrhunderts: Kleben.
First the shoe's upper is made, in this case I've used an old worn and torn and quite shabby coat from the 1970s.
I've started with degreasing the leather, and then painted it with leather paint, before the pieces are cut and sewn. The seams are covered with ribbon like it is seen on extant shoes.
Like it is mentioned in the excerpt in the beginning of this post, the shoe is lined with linen.
In contrary to original shoes I do not use sole leather, but a modern leather substitue from german  production.
While the optic and haptic of the material is pretty close to leather, it's not meant to be sewn. This means I have to chose a 21st century method to build the shoe: glue.
Die Sohle wird am Leisten festgenagelt, dann wird zunächst das Futter mit der Sohle verklebt.
Zuletzt wird das Obermaterial verklebt, wobei Präzision sehr entscheidend ist, gerade an der Spitze des Schuhs.
Für die gelben Schuhe wurde aus dem Sohlenmaterial auch noch doppellagig ein Absatz gefertigt, ehe Schuh, Absatz und Laufsohle schließlich verbunden werden.
Eine Einlegesohle aus Leinen und eine neckische Verzierung vollenden die Fertigung.
The sole is nailed to the last, then the linen is glued to the sole.
After drying the leather is glued to the sole with utmost precision, especially at the pointy front.
The heel then is made by cutting out two layers of the sole material, before the shoe upers, heel and sole are attached.
Decoration and a linen insole finish the process.

Ein neues Paar Schuhe! Wie lang es wohl hält?
Die Verzierung besteht aus zwei Seidenpompons aus einer Fertigung zu Beginn des 20.Jahrhunderts.
A new pair of shoes! How long will it "walk"?
The decoration is made of vintage silk pompons.

Die Schuhe sind auf gleichem Leisten gefertigt, was bei modischen Schuhen der üblichen Vorgehensweise entsprach. Mehr zu dem Leisten, findet sich: hier!
The shoes are constructed on single last, which was the usual method for fashionable shoes. More about the last: here!


Die kennzeichend spitze Form der Schuhmode um 1797.
The typical pointy front from 1797 shoes.
 
Der "platte" Absatz, ebenfalls ein Kennzeichen der modischen Schuhe in der zweiten Hälfte der 1790er Jahre.
The flat heel is also a characteristic of fashionable shoes of the second half of the 1790s.

 
Detail des Futters aus Leinen. Das Futter wird - den Originalen folgend - mit Leim eingeklebt, dadurch erhält das Schuhblatt etwas mehr Steifigkeit. Lediglich bei Seide wird zunächst Wachs verwendet.
Detail of the lining. The lining is - according to first hand articles - attached with glue, which gives the uppers a bit of stiffness. If the uppers are made of silk wax is used.
Ein Blick auf die Sohle. Der Absatz wird nicht unter die Laufsohle geklebt, sondern er wird zwischen Laufsohle und Schuh angebracht, sodass die Laufsohle glatt ist.
The sole. The heel is attached between the sole and the uppers.
 
Aber mitnichten war es so, dass alle Damen im Juni 1797 plötzlich vorhergehende Schuhmoden vergessen haben, wie auch heutzutage existieren verschiedene Vorlieben nebeneinander her.
Es geht - heute wie damals - um Geschmack aber auch um Bequemlichkeit und vor allem Gewohnheit.
So werden in Texten kurz nach 1800 auch hier und da noch Schuhe mit höheren Absätzen erwähnt.
Trotz oder vielleicht gerade wegen der kurzen Verweildauer der Schuhe an den Füßen der Frauenzimmer, wurden auch Schuhe bestellt, die nicht nach der neusten Mode gefertigt wurden.
Of course not all woman adapted every new fashion or the particular style in June 1797, as it is today a lot of styles co-existed at the same time.
Back then and today taste, comfort and habit have influenced the purchases.
There are sources, which still mention higher heels even after 1800. 
Although or even because of the fact that the shoes merely last a few weeks or months, there were still women, who have chosen footwear, which does not follow the latest fashion.
 
Das zweite Paar ist lose an folgendes französisches Schuhwerk angelehnt: 
The second pair of shoes is losely based on this french style:
1785-1795, Low italian heels pointed toe slippers, leather & silk, France (Quelle: Shoe Icons)


Ja, ein bisschen altmodisch für das Jahr 1797, aber irgendwie doch auch tres chic, n'est pas?
Das Vorderblatt und der Hölzerrand am Absatz bestehen aus Leder, die Quartiere aus einem Seidengemisch.
Die Falbalas und die Ripsbänder wurden handgefärbt mit Stofffarben.
Oh yes, maybe a tad old fashioned for the year 1797, but also tres chic, n'est pas?
The vamp and the cover of the heels are made of leather, the quarters are a sturdy silk mix.
The falbalas and ribbons are dyed with fabric paint.
 
Die Einlegesohlen sind aus altem Leinen. Überhaupt wurden - bis auf die Sohlen - ausschließlich Materialien aus Altbestand verwendet.
The insoles are made of antique linen. Actually the whole shoes - sans the soles - are entirely made of antique/vintage materials.

Die Absätze sind recht breit und damit auch sehr bequem.
The heels are wide and very comfy to walk on.



Bei der Fertigung von diesem Exemplar bin ich genau so verfahren wie bei dem vorhergehenden Paar, auch wurden sie auf dem selben Leisten gefertigt. Lediglich die Quartiere sind hier nicht mit Leinen, sondern mit weißem Handschuhleder gefüttert.
The shoes were made in the same workflow as the yellow ones, this means they were build on the same last. Only the quarters are not lined with linen, but with white glove leather.

 Auch hier ist der Absatz zwischen Schuh und Laufsohle angebracht.
The heels are sandwiched between the sole and the uppers.

 Die gleiche spitze Form wie bei den Frankfurter Schuhen aus gelben englischem Leder.
The same pointy front as the yellow Franfurter Schuhe. 




Und nun an die Füße damit!
And finally put them on the feet!


 Passt!
Fits!
 
Lieblingsschuhe!
Favourite shoes!
 
Und in diesem Augenblick kann man schon mal wehmütig an vergangene (und längst vergessene) Moden denken. Diese Nostalgie führt schließlich dazu, dass die 1797er französischen Schuhe noch eine kleine Reminiszenz an das Jahr 1789 erhalten...
And then came the moment when wistfulness strikes to bygone (and long forgotten) fashions. This nostalgia eventually led that the 1797 french shoes received a reminiscence to the year 1789...

1789, Februar, Journal des Luxus und der Moden, Modenbericht (Quelle: ThULB Jena)


Transkription:
[...]Die Falbalas-Chifres sind eine neue Mode-Decoration der Damen-Schuhe, und eigentlich eine Spielerey. Es sind nehmlich aus dünnen Goldblech ausgeschnittene Mottos, wie man z.B. vor einiger Zeit auch auf Armbändern trug, die man auf die beyden Bandfalbalas der Schuhe aufnäht, und meist sehr wenig Witz aufhalten;
z.B. Vous etes aimable - je suis redevable, oder Allons, allons - sur nos talons![...]
Translation:
[...]The falbalas-chifres are a new fashion decoration for female shoes, and actually a baublery. It's a motto cut out of thin goldfoil, like it was worn before on bracelets, these are sewn onto the shoe's falbalas, and actually they have very little sense of humour:
e.g.Vous etes aimable - je suis redevable, or Allons, allons - sur nos talons![...]

Wie diese längst vergessenen Mottos aus dünnem Goldblech genau ausgesehen haben mögen, entzieht sich derzeit leider meiner Kenntnis. Trotz Recherche konnte ich dieser kecken Dekoration nicht auf die Schliche kommen, daher wählte ich die Form nach eigenem Gutdünken (immer noch in der Hoffnung, ein Originalexemplar zu entdecken), bis dahin sehen sie an meinen Schuhen folgendermaßen aus:
Unfortunately I do not know how the long forgotten motto made of thin goldfoil looked like, yet.
Despite research I could not find any of these tiny decorations, and ended working it after my own imagination until I know better by finding an extant piece. 
Here's my guess:
 

Funkelt das nicht toll? Man kann durchaus verstehen, warum diese kleine "Modethorheit" die Schuhe und damit die Damenherzen eroberte...
Doesn't it twinkle amazingly? It's very relateable why women favoured these little shiny decorations and put them on teir shoes...


Und nun mache ich mich selbst auf die Absätze und zurück in die Werkstatt, denn es warten noch einige Schuhmoden darauf wieder entdeckt zu werden!
Der folgende Kreis hat durchaus das Potential noch ein wenig größer zu werden...meine Leser dürfen gespannt sein!
And now I better get up on my heels and back into the atelier, because there are still plenty of shoe fashions, which I love to discover and share!
The following shoe circle has the potential to grow bigger...stay curious! 
 
Allons, allons - sur nos talons!