Mittwoch, 19. Juli 2023

Sechs Koppchen mit französischen Widmungsinschriften

Der Thee-oder auch Kaffeetisch war um 1790 Sinnbild für eine gesellige bürgerliche Zusammenkunft, in welcher der alltägliche Klatsch ebenso gepflegt wurde, wie eine feinere Gesprächskultur über Literatur, Kunst, Philosophie hin zu Theater, Garten und Gärtnerei bis Mode.
Und was durfte in einer solch feingeistigen Runde nicht fehlen:
zartes Porzellan!
Eine gesellige Coffe-Runde in dem Kinderbuch Magazin häuslicher Scenen und Beschäftigungen aus der Trautnerischen Kunsthandlung, 1790er Jahre

Ein besonderes Stück porzellanene Tischkultur aus der Manufaktur Fürstenberg findet sich im LWL Museum für Kunst und Kultur in Münster. Wann immer ich es bei einem Besuch in der schönen westfälischen Stadt einrichten kann, führt mich mein Weg in die Ausstellungsräume mit dem weißen Gold....direkt vor die Vitrine mit den Stücken aus Fürstenberg.
 

Die fünf bunten Koppchen mit französischer Widmungsinschrift ziehen mich immer wieder in ihren Bann.
Faszinierend wie modern sie wirken, dabei hauchzart und von feinster Bemalung.
Aber das Bezauberndste an ihnen sind sicher die Charakterzüge, die in Gold den Koppchenrand zieren.
Man kann sich leichthin vorstellen, für welchen Wirbel und welches Amusement diese henkellosen Tassen am Theetisch gesorgt haben. Denn die Widmungen können sowohl in eine freundliche als auch augenzwinkernd in eine weniger erfreuliche Richtung gedeutet werden.
1989, Katalog, Weißes Gold aus Fürstenberg, Kulturgschichte im Spiegel des Porzellans 1747-1830

Neben den Exemplaren in Münster gibt es auch noch ein halbes Dutzend im Herzog Anton Ulrich Museum in Braunschweig. Leider ist mir keine ausführliche Bibliographie bekannt und mein spärliches Wissen habe ich allein über das wundervolle Buch Weißes Gold aus Fürstenberg, Kulturgschichte im Spiegel des Porzellans 1747-1830 (Seite 382 ff) gewonnen. Dort erfährt man auch, dass die Manufaktur KPM in Berlin urprünglich mit der Herstellung dieser "Temperamentskümmchen" (Christel Mosel, Scherer, 1909) begonnen und Fürstenberg die brilliante Idee aufgenommen hat .

Meine Freude an den Koppchen und die Gewissheit, wohl nie ein Original zu besitzen, führten mich schließlich auf Abwege vom Nähtisch hin zum Dilettieren mit Porzellan, Farbe und Pinsel.
Leider war es mir beim Porzellan vergönnt, die Form und Zartheit des Originals für diesen Zweck zu finden, also näherte ich mich entsprechend der Möglichkeiten an.
Ich fand weiße Koppchen in einer Höhe von 5,5 Zentimetern und mit einem Durchmesser von 7 Zentimetern, die auch sehr delikat wirken, aber längst nicht an die fantastische Qualität des Originals heranreichen - ja, ich gerate schon wieder ins Schwärmen!

Auch bei der Bemalung und Beschriftung blieb ich selbstverständlich weit hinter dem Original zurück, immerhin ist die Porzellanmalerei ein eigenes wunderschönes Handwerk und ein Lehrberuf mit intensiver Ausbildung.


Koppchen à la pétillante

Koppchen à la souple

Koppchen à la paisible

Koppchen à l'adorable

Koppchen à la riante

Koppchen à la délicate

Und da Theegesellschaften oftmals auch an fremden Tischen stattfinden, bekamen die Koppchen Reiseetuis.

Die kleinen Schachteln sind mit Buntpapier (außen) und Marmorpapier (innen) bekleidet, zudem befindet sich im Deckel ein seidener Stoßdämpfer und im Boden ein Ring aus bezogener Pappe, welcher das Koppchen fixiert.


Die kleinen henkellosen Tassen haben sich bereits bewährt, sie durften im Frühjahr ihren Einstand im Park von Schloss Tiefurt in Weimar bei einem Pique-Nique erleben...und haben diesen mit Bravur gemeistert.
Nicht anders als vor über zweihundert Jahren haben sie für einiges an Gesprächsstoff gesorgt!


Welches Koppchen würde man bei Tisch wählen? 
Welches würden die Tischnachbarn der Theegesellschaft einem anbieten?
Ein herrlicher Zeitvertreib!

10 Kommentare:

  1. Die Koppchen sind in natura noch schöner als auf den Bildern, und "à l'adorable" zaubert auch in etwas dunkleren Momenten immer wieder ein Lächeln aufs Gesicht!

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    1. Das freut mich :) Vielleicht reisen sie alle zusammen demnächst mal wieder zu einer Theegesellschaft. Hoch die T̶a̶s̶s̶e̶n̶ Koppchen!

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  2. Von der Form her würden ja die Champagnerschalen von Augarten perfekt passen.....

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    1. Vielen Dank für den Tipp, die Schalen kannte ich bisher nicht - wunderschön! Die Form kommt dem Original scheinbar sehr nahe, aber sie sind leider zu groß. Ich hatte vor der Fertigung auch nach kleinen Müslischalen oder Amuse Gueule Schälchen Ausschau gehalten, aber alle waren zu groß und nichts kam an die kleinen delikaten Originale heran. Vielleicht nehmen sich Fürstenberg oder KPM doch irgendwann mal einer Neuauflage an!

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  3. Liebe Sabine,
    Echte adorable koeppchen!

    They are delightful and could have been made yesterday.

    Can you imagine a parlor game in which you don't know which travel box you will open, and so have your day's fortune told by the one you pick out?

    Your rendition is really nice and it will be so much fun to use over the years.

    You might look for plain Japanese white cups. Sometimes they make porcelain so fi e that you can see light through it.

    Happy summertime,

    Natalie

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    1. Thank you, Natalie! Indeed these were made for our latest trip to Weimar and every one in our house was asked during breakfast to pick one as a keeper, it was such fun! I hope to be able to travel to Braunschweig to see more of this series in person, they are truly fascinating...maybe Fürstenberg decides to bring them back on the table one day ;)

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  4. Ein herzerwärmendes Thema. Wunderschöne Köppchen.

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    1. Es sind häufig solch kleine ungewöhnliche Details in der Alltagskultur, welche einem den Menschen von damals wirklich näherbringen, welche uns eine Idee von feinem Humor und Freude eröffnen. Da bin ich ganz bei Dir, das ist herzerwärmend. Danke für den schönen Kommentar!

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    2. Ich liebte früher die winzigen Köppchen (blaue Malerei auf Weiß) eines Herrn, den ich bedienen musste als Lakai. Leider bin ich ja nur selten im Empire/Directoire.

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