Die Mode zu Beginn der 1790er ist einfach zauberhaft, da treffen strenge Linien auf verspielte Details, weite Röcke auf schmale Caracos, herrlicher Kopfputz auf zierliche Schühchen. Flormäntel und Hauben umhüllen die Gestalt, betonen dabei die schmale Silhouette.
Besonders schön zum Ausdruck kommt die Mode der späten 1780er/frühen 1790er in den kleinen Interieurbildern des französischen Künstlers Jean-Baptiste Mallet (1759-1835), man kann sich einfach nicht sattsehen an den Zimmerszenen und der Geschäftigkeit der Damen.
An dieser Stelle ein Hinweis, wer Mallet näher kennenlernen möchte, dem
sei der Titel "Jean Baptiste Mallet, La Route du Bonheur" von Carole
Blumenfeld empfohlen.
Es verwundert sicher nicht, dass ich dort immer wieder Inspiration in all den Details finde. In einem früheren Beitrag waren es die Abbildungen von Papparbeiten und Schachteln und vor nunmehr 5 (!) Jahren ein geschmackvoller Rock.
ca.1790 L'amour au petit-pointe, Jean-Baptiste Mallet (Quelle: Masterart) |
Das Bild lädt wirklich zum Entdecken ein.
Ich war hingerissen von dem Rock und dem dazugehörigen Caraco en Chemise.
ca.1790 L'amour au petit-pointe (Ausschnitt), Jean-Baptiste Mallet (Quelle: Masterart) |
Aber ehrlich gesagt, schreckte ich vor dem Gedanken an die aufwändige Stickerei zurück, wenngleich das Farbspiel von Blau und Orangerot ikonisch die 1790er Jahre widerspiegelt.
Mein Zögern einen ähnlichen Rock für meine Garderobe zu fertigen, wurde glücklicherweise kurze Zeit später durch die Lektüre des Journal des Luxus und der Moden zerstreut.
1792, Journal des Luxus und der Moden, Heft Juli, Tafel 20, Friedrich Justin Bertuch (Quelle: Thulb Jena) |
1792, Journal des Luxus und der Moden, Heft Juli, Modenneuigkeiten, Friedrich Justin Bertuch (Quelle: Thulb Jena) |
Transkription (markierter Text):
[...] Der Rock ist von weißem Taft, und unten herum mit einer zierlichen Tour von gemalten Vergißmeinnicht decoriert[...]
In selbiger Ausgabe ist auch ein ähnliches Caraco en Chemise wie in Mallets Bild vorgestellt
1792, Journal des Luxus und der Moden, Heft Juli, Tafel 19 Abbildung 1, Friedrich Justin Bertuch (Quelle: Thulb Jena) |
1792, Journal des Luxus und der Moden, Heft Juli, Modenneuigkeiten, Friedrich Justin Bertuch (Quelle: Thulb Jena) |
Transkription:
[...]Fig.1 (Taf.19) Ist ein elegantes Morgen-Negligée im Hause. Es besteht aus einem geschmackvollen um den Kopf gebundenen Linon-Tuche mit schmalen Spitzen besetzt; einem Caraco en Chemise von Mousseline mit drei Zügen in welches vorn das gepuffte Fichu von Linon hineingeht, und einem Rocke, gleichfalls von weißem glatten Mousseline[...]
Beide Beschreibungen ähneln der Abbildung in Mallets Bild. Kaum war die Frage über Stickerei oder Malerei geklärt, überlegte ich, welche Farben man wohl gewählt hätte, um einen Saum zu bemalen.
Ich wälzte einige zeitgenössische Quellen und wurde schließlich auf ein interessantes Buch aufmerksam.
1793, Die Kunst zwölf Sorten Farbentusche für die Malerey und Zeichenkunst selbst zu verfertigen, Ulm, Verlag der Stettinischen Buchhandlung (Quelle: Collections Thulb Uni Jena) |
Der Titel des Buches verrät bereits, dass diese Tuschen auch für Cottune Verwendung gefunden haben. Im II.Hauptstück Die Nuzanwednung und der Gebrauch dieser Farbentusche zur Malerey und Druckerey auf Cottunen und Leinwatte, wird beschrieben, in welchem Umfang die Tusche für die Stoffmalerei Anwendung fand. Waschlauge oder Seife konnten einige Farben mitunter auswaschen, einige hielten Wasser gut stand und wurden eingeätzt, einige büßten mit geringem Farbverlust.
Interessant wäre in diesem Zusammenhang die weitere Betrachtung, inwiefern diese Kleidungsstücke gewaschen wurden. Vielleicht wurden sie nur ausgebürstet, partiell gewaschen oder man lebte mit einem Verblassen der Dekoration.
Ich entschied mich also für Tusche, die im Stoff trocknet und zusätzlich für eine bessere Haltbarkeit mit dem Bügeleisen "eingeätzt" werden kann.
Aus Mallets Bild entlieh ich die Farbwahl, orangerot und blau, das Muster ersann ich selbst in Anlehung an die Zeichnungen und Arabesquen der 1790er.
Natürlich durfte in der Tour das Vergissmeinnicht nicht fehlen, hinzu kam die Blume der Romantiker, die Kornblume und eine Schleife in Rotorange.
Ein Spiegel half einen ersten Eindruck von dem Muster der Saumzier zu erhalten.
Auch die Größe war für den Jupe stimmig. Die Vorlage konnte in Schwarz auf ein weißes Papier übertragen werden.
Dieses monochrome Muster diente als Vorlage für den Stoff. Ich wählte einen feinen Baumwollstoff...
...durch den die Vorlage gut zu sehen war. Die Linien übertrug ich mit einem Bleistift, daraufhin folgte die sehr meditative Fleißarbeit des Ausmalens.
Der hübsche Saumgarten nahm allmählich Form an.
Der Anblick entzückt mich immer wieder. Allerdings darbte das Projekt dann leider erstmal einige Monate länger als geplant ein Schattendasein. Erst 2022 nahm ich die Arbeit wieder auf, die Begeisterung für die Rockzier war immer noch ungebrochen.
Es fehlte noch der Saumabschluß, welcher Orangerot und Grün werden sollte. Zunächst suchte ich einen geeigneten Farbton, welcher sich dann auch an den Säumen des Caraco wiederfinden sollte.
Endlich war der Rock fertig! Juhu!
Das bedeutete, dass die Arbeit am Caraco en Chemise beginnen konnte.
Drei Züge sollte er bekommen, einen luftig leichten gepufften Kragen und einen gemalten Saum.
Der gepuffte Kragen und das Leinenfutter
Und wieder vergingen Monate bis ich endlich Zeit und Muße gefunden habe den schönen Morgen-Anzug im Amalienzimmer zu tragen.
Statt des Linontuchs, das im Journal empfohlen wurde, wählte ich ein einfaches Haarband und mein Fichu hat eingwebte blaue und goldene Streifen, ein bisschen Putz darf auch am Morgen in den heimischen vier Wänden herrschen..
Dazu trage ich grüne Frauenzimmermodeschuhe.
Die graue Perücke mit Haarband und Chignon.
Ich liebe diesen Anzug und hoffe, alsbald vom heimischen Amalienzimmer ins Wittumspalais nach Weimar wechseln zu können!
Aber nun vorerst für heute ein Adieu!
Zuletzt die Bemerkung, dass ich derzeit an einem weiteren bemalten Anzug arbeite, der wieder mit wunderbaren Modegeschichten daherkommen wird...
...und diesmal hoffentlich nicht erst in fünf Jahren!